Neue Richtlinien für Immobilienkredite

Warum die Bank häufig Nein sagt

Ein Haus steht auf Geldscheinen.
Die Vergabekriterien für Immobilienkredite sind strenger geworden. © dpa /Revierfoto
Von Brigitte Scholtes · 24.10.2016
Die EU will Verbraucher davor schützen, Kredite aufzunehmen, die sie nicht tragen können. Doch bei der Umsetzung dieser "Wohnimmobilienkreditrichtlinie" in deutsches Recht ist der Gesetzgeber zu genau vorgegangen und hat damit vielen die Chance auf einen Immobilienkredit verbaut.
Benedikt Schmidt ist IT-Fachmann aus Ingolstadt. Seine Frau arbeitet als Krankenschwester. Sie haben zwei Kinder und wollen bauen. Doch die Bank verweigerte ihnen einen Kredit, erzählt Schmidt in der ARD:
"Wenn man nur vor Stoppschilder läuft oder nur vor geschlossene Türen oder zum Schluss einem die Türen zugeschlagen werden mit Begründungen wie 'Pech gehabt, die Kinder sind schon da', dass man überhaupt keinen Ausblick auf eine positive Zukunft hat, da ist man am Boden zerstört."
Die Kreditvergabekriterien sind strenger geworden. Bei der Vergabe dürfen die Banken nicht mehr auf die zukünftige Einkommensentwicklung schauen. Nur das derzeitige Einkommen zählt. Dass also ein Ehepartner nach der Kindererziehungszeit wieder von einem Teilzeit- in einen Vollzeitjob wechseln möchte, findet keine Berücksichtigung.

Reicht die statistische Lebenserwartung?

Der zweite Fall: Ältere Kreditnehmer. Da schaut die Bank, ob der Kunde den Kredit langfristig tilgen kann, ob also die statistische Lebenserwartung dazu ausreicht. Die Immobilie selbst spielt bei der Besicherung des Kredits keine besondere Rolle mehr. erklärt Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken.
"Das führt insbesondere bei Investitionen oder Finanzierungen für altersgerechtes Wohnen oder Wohnraummodernisierung tatsächlich dann zu Problemlagen. Denn wir dürfen als Bank oder Sparkasse eben tatsächlich nicht mehr den Wert des Objektes, gegebenenfalls sogar im Rahmen eines geplanten Verkaufs in ferner Zukunft berücksichtigen. Sondern an dieser Stelle wäre es gut gewesen, wenn tatsächlich die entsprechende Ausnahmeregelung bzw. Öffnungsklausel der europäischen Richtlinie auch vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt worden wäre."

Vorsichtig bei schwankendem Einkommen

Dritter Fall: Selbständige. Ihr Einkommen kann häufiger schwanken, und das ist den Kreditinstituten ebenfalls zu heiß. Denn damit können sie ebenfalls nicht bemessen, wie wahrscheinlich die Tilgung des Darlehens ist. Die Banken seien nun besonders vorsichtig, weil sie jetzt direkt in die Haftung genommen werden, erläutert so Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft:
"Natürlich sind die Banken schon immer angehalten gerade in Deutschland, auch die Bonität genau zu prüfen. Aber bisher war es eben eine Frage der Aufsicht, das heißt die BaFin hat eben die Banken kontrolliert und im Zweifelsfall den Banken auf die Finger geklopft. Nun ist es so, dass es im BGB verankert ist, das heißt es gibt ein Klagerecht der Bürger, falls sie sich falsch beraten fühlen oder falls sie davon ausgehen, dass die Kreditvergabe nicht verantwortlich war. Und das ist ein ganz neuer Tatbestand."
Ein Tatbestand, der bei vielen Instituten die Bereitschaft zur Kreditvergabe stark eingeschränkt hat. Und das könnte Folgen für die Immobilienpreise haben, beschreibt Stefan Schilbe, Chefvolkswirt der HSBC Deutschland.
"Sollten wir tatsächlich feststellen, dass die Immobilienpreise temporär durchaus auch mal fallen, dann wäre sicherlich damit auch ein Signal gegeben, dass die Bautätigkeit etwas abflacht."

In der Immobilienbranche wächst der Unmut

Eine Rezession der Bauwirtschaft sieht er zwar noch nicht, aber der Volkswirt macht sich Sorgen. So beobachten auch Immobilienfachleute etwa bei Wohnungseigentümerversammlungen, dass dort die Sanierung der Heizung oder des Daches nicht angegangen werden kann, weil die älteren Eigentümer kein Darlehen für die Baumaßnahme erhalten. So wächst in der Immobilienbranche insgesamt der Unmut, meint Hans-Joachim Beck, Leiter der Abteilung Steuern, beim Branchenverband IVD:
"Das Ärgerliche ist eben, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung die ganze Geschichte noch verschärft hat. Das ist eigentlich der Vorwurf."
Und das könnte der Gesetzgeber doch leicht ändern, meint Beck. Sein Vorschlag:
"Er muss nur den Wortlaut der EU-Richtlinie übernehmen, und da steht es im Passiv; Die Bank darf das Darlehen nur vergeben, wenn wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag erfüllt werden. Das heißt Es ist egal, wer es tut, ob es der Erbe tut oder die Lebensversicherung tut oder irgendeiner. Und damit sind erstmal die ganzen Fälle mit den Menschen über 60 gelöst. Inzwischen ist der Unmut in der Politik angekommen."

Regelung könnte wieder geändert werden

Das stimmt Beck zuversichtlich:
"Ich mache mir große Hoffnung, weil wir immer wieder erleben, dass Bundestagsabgeordnete aller Parteien sagen, das haben wir nicht gewollt. Wir wollten die EU-Richtlinie umsetzen, dazu sind wir ja auch verpflichtet. Aber wir wollten in Deutschland keine Verschärfung einführen, sondern wir wollten die einfach umsetzen. Und dass der deutsche Gesetzgeber da eine Verschärfung reingebracht hat, das hat man uns nicht gesagt und wir haben es nicht gemerkt."
Im Bundesrat haben Bayern, Hessen und Baden-Württemberg eine Initiative gestartet, um jungen Familien zu helfen. Die Banken sollen bei der Kreditprüfung auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigen können, dass also das Einkommen einer Familie auch wieder steigen kann. Benedikt Schmidt und seine Familie haben nicht so lange gewartet. Ihnen greifen die Eltern beim Hausbau nun finanziell unter die Arme.
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