Neue Nationalgalerie in Berlin

Alles muss raus

Klare Kante: Die Neue Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe in Berlin.
Klare Kante: Die Neue Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe in Berlin. © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Christiane Habermalz · 09.12.2014
Berlin lässt die Neue Nationalgalerie von dem Stararchitekten David Chipperfield mehrere Jahre lang aufwendig sanieren. 1600 Bilder und Skulpturen müssen für diese Zeit umziehen. Doch die Sammlung wird weiter in der Stadt präsent sein.
Es wird auf jeden Fall ein Ende mit Paukenschlag. Am 31. Dezember um 18 Uhr schließt die Neue Nationalgalerie ihre Pforten für die Besucher, nur um sie knapp eine Woche später noch einmal zu öffnen - für ein Kulturhighlight ganz anderer Art.
Bevor die Sanierung beginnt, wird die Gruppe Kraftwerk die Große Glashalle im Erdgeschoss mit ihren Elektro-Sounds bespielen. Zweifellos ungewohnte Klänge für den arrivierten Kunstbetrieb, aber irgendwie auch passend für diesen Tempel der Moderne. Die insgesamt acht Konzerte Anfang Januar sind bereits jetzt restlos ausverkauft. Hausherr Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, sieht hier die Zeitläufte sich berühren: 1968 wurde der Mies-Van der Rohe-Bau am Kulturforum in Berlin eingeweiht – etwa um dieselbe Zeit gründete sich Kraftwerk, um mit ihren Mensch-Maschine-Techno Sounds Musikgeschichte zu schreiben.
"Es ist auch ein Dialog mit der Architektur, zu diesem sehr harten metallischen Raster der Decke oder man kann auch an eine Metaphorik denken. Alexander Dorner hat immer die Museumsarbeit in den 20er-Jahren mit einer Vokabel des lebendigen Museums beschrieben, und er sprach konkret vom Museum als Kraftwerk."
Die Sanierung ist nach 46 Jahren überfällig
Ist der letzten Elektropop verklungen, beginnt das große Ausräumen. Alles muss raus: 1600 Bilder und Skulpturen werden in verschiedene Depots und Zwischenlager verbracht, und auch die Außenskulpturen müssen weichen.
"Also auch der Colder und auch der Henry Moore, diese großen Skulpturen, und das ist ein erheblicher Aufwand, müssen natürlich erstmal, bevor die Sanierung überhaupt losgeht, demontiert werden und an sichere Orte verbracht werden."
Für die Sanierung des Gebäudes durch die Architekten von David Chipperfield sind mehrere Jahre veranschlagt. Die Grundüberholung ist nach 46 Jahren Kunstbetrieb überfällig. Glasscheiben sind geborsten, Bodenplatten gebrochen, Behinderte und Familien mit Kinderwägen mussten mangels Lift mit dem Lastenaufzug transportiert werden.
Äußerst behutsam will der britische Stararchitekt mit diese Inkunabel der modernen Architektur umgehen. Er werde das Gebäude behandeln wie einen Mercedes Baujahr 1968, kündigte er an – mit dem Ziel, dass am Ende niemand merken solle, was eigentlich neu gemacht wurde. Das ist auch notwendig, denn das Gebäude mit seiner säulenfreien, lichtdurchfluteten Glashalle ist selbst ein Kunstwerk der Moderne. Eine Sanierung geht da nicht ohne Kompromisse, wie Generaldirektor Eissenhauer erläuterte:
"Wir werden zum Beispiel in der oberen Glashalle keine Doppelverglasung, wie man es heute machen würde, um Kondenswasser und Schwitzwasser zu vermeiden, einbauen, weil wir dadurch den filigranen Charakter des Glashauses komplett verderben würden. Wir haben aber einen Weg gefunden, bzw. das Büro von David Chipperfield, mit modernen Möglichkeiten so viel Isolierung wie irgend möglich in die alten Profile reinzubringen. Das ist jetzt nur ein Detail, aber das mag Ihnen verdeutlichen, Ziel ist es: Wir wollen Mies van der Rohe dort abholen und dort lassen, wo er 1968 als Architektur-Inkunabel in die Welt gesetzt wurde."
Eine dauerhafte Dependance im Hamburger Bahnhof
So notwendig die Sanierung ist, so bitter wird für das kulturbaustellengeplagte Berlin die Schließung eines weiteren Museums werden. Im Mai verschwand bereits der Pergamon-Altar für fünf Jahre hinter Bauplanen – ein Umstand, der der Museumsinsel bereits dramatische Besucherrückgänge beschert hat. Entsprechend bemüht sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die hochkarätige Sammlung der Neuen Nationalgalerie weiter in der Stadt präsent zu halten. Bereits im April wird es ein Wiedersehen mit Nolde, Monet und Liebermann geben. In der Alten Nationalgalerie, kündigte Direktor Udo Kittelmann an, wird dann eine ganze Ebene bespielt werden für eine große Ausstellung mit dem Titel "Imex".
"Wo das erste Mal in der Geschichte der Ausstellung die so wichtigen Bestände des Impressionismus und des Expressionismus zusammengeführt werden. Also es gibt auch Chancen, die Sammlung durch die Schließung noch einmal neu kennenzulernen."
Ab Herbst wird zudem im Hamburger Bahnhof eine dauerhafte Dependance für die Sammlung eingerichtet, in der im halbjährlichen Wechsel Ausstellungen gezeigt werden sollen. Und die Schließung dient nicht zuletzt der Kulturdiplomatie. Im nächsten Jahr werden 50 Hauptwerke der Neuen Nationalgalerie, die unter Hitler der "Entarteten Kunst" zugerechnet wurden, im Israel-Museum in Jerusalem zu sehen sein, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Museums. Es ist die erste Zusammenarbeit dieser größten Kultureinrichtung Israels mit einem deutschen Museum überhaupt.
Und letztlich wird die Interimszeit auch Raum bieten, um über die Neuordnung und Präsentation der Sammlung nach 2021 nachzudenken. Denn dann könnte bereits das Museum der Moderne, der dringend benötigte Erweiterungsbau der Neuen Nationalgalerie, eröffnen. Erst vor kurzem hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags 200.000 Euro für ein Museum für die Kunst des 20.Jahrhunderts bewilligt. Dann wird Berlin seine bedeutende Sammlung der Moderne endlich auch umfassend zeigen können. Vorher aber gehört die Bühne der "Autobahn".
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