Neue Chance für die Diplomatie

Von Marcus Pindur · 11.09.2013
Barack Obama ist davon überzeugt, dass das syrische Regime für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich ist. Der Angriff dürfe nicht ohne Reaktion bleiben, sagte der US-Präsident. Er schloss einen Militärangriff nicht aus, warb jedoch erneut für eine diplomatische Lösung des Konflikts.
Es war eine intellektuell aufrichtige, aber rhetorisch nicht mitreißende Rede. Obama führte seine Zuhörer sehr detailliert und überzeugend durch die Argumente. Dass Assad verantwortlich sei für den Chemiewaffenangriff in Damaskus, dass dieser Angriff nicht ohne Reaktion bleiben könne. Weil Chemiewaffen eine so furchtbare Wirkung hätten, seien sie auch von fast allen Ländern dieser Welt geächtet. Er rief noch einmal die schrecklichen Bilder aus Damaskus in Erinnerung. Die USA könnten bei solchen Grausamkeiten nicht wegschauen, denn es betreffe auch die Sicherheit der USA. Und dann kam der Kern seines strategischen Argumentes:

"Wenn wir nicht handeln, dann wird Assad weiter Chemiewaffen einsetzen. Wenn die Ächtung der Chemiewaffen aufgeweicht wird, dann werden andere Tyrannen diese Waffen erwerben und anwenden. Früher oder später würden unsere Truppen mit chemischen Waffen bedroht. Und es könnte einfacher für Terroristen werden, diese Waffen zu erwerben. Die Kämpfe haben Auswirkungen über die Grenzen Syriens hinaus. Diese Waffen könnten Verbündete wie die Türkei, Jordanien und Israel treffen. Wenn wir nichts gegen den Einsatz chemischer Waffen tun, dann würde auch die Weiterverbreitung anderer Massenvernichtungswaffen wahrscheinlicher werden. Das könnte Assads Verbündeten Iran ermutigen, entgegen internationalem Recht Nuklearwaffen zu entwickeln."

Der unmittelbare militärische Zweck eines Schlages gegen Syrien wäre es, Assad vom Einsatz chemischer Waffen in Zukunft abzuschrecken und seine Fähigkeit zu beschneiden, diese Waffen einzusetzen. Das, so Obama, sei seine Einschätzung als Oberkommandeur. Und auch, wenn er einen militärischen Einsatz alleine anordnen dürfe, so habe er es richtig gefunden, über diesen Einsatz das Parlament mit entscheiden zu lassen.

Er habe jetzt aber zunächst darum gebeten, wegen der Verhandlungen über eine diplomatische Lösung über eine mögliche Übergabe der syrischen Chemiewaffen, die Abstimmung über eine Resolution des Kongresses, mit der ein Militärschlag autorisiert werden könnte, erst einmal zu verschieben. Das US-Militär bleibe aber in Reichweite Syriens in Bereitschaft.

Der US-Präsident machte dann etwas Ungewöhnliches, er nahm ein halbes Dutzend Gegenargumente auf und bemühte sich, diese zu widerlegen.

Würden begrenzte Luftschläge überhaupt etwas ausrichten? Ja, sagte Obama, wenn wir zuschlagen, dann wird es für Assad schmerzhaft werden. Gebe es die Gefahr von Vergeltungsschlägen? Nein, sagte Obama, Assad sei viel zu schwach dazu, und die Gefahr von Seiten der Terroristen gebe es auch so. Die meistgeäußerte Sorge der Bürger, die ihm geschrieben hätten, sei, ob das nicht wieder der Anfang eines langen Krieges sei.

"Schlag mit einem klaren Ziel"

"Meine Antwort ist klar: Ich werde keine Bodentruppen nach Syrien schicken. Ich werde kein Engagement mit offenem Ende wie Irak oder Afghanistan eröffnen. Ich werde keine lange Luftkampagne wie Libyen oder Kosovo führen. Dies wäre ein gezielter Schlag mit einem klaren Ziel."

Einer CNN-Blitzumfrage zufolge ist nach der Rede die Zustimmung zu einem Einsatz gegen Assad von 37 auf 47 Prozent gestiegen.

Im UN-Sicherheitsrat hatte es zuvor ein Hin und Her gegeben. Frankreich hatte einen Resolutionsentwurf angekündigt, der bei einer Nicht-Einhaltung durch Syrien auch eine gewaltsame Durchsetzung nach Kapitel 7 der UN-Charta vorsah. Dagegen hatte sich Russland gesperrt. Der russische Präsident Putin forderte einen Gewaltverzicht gegen Syrien. Eine kurzfristig anberaumte Sitzung des Sicherheitsrates wurde daraufhin ebenso kurzfristig wieder abgesagt. Wann sich der Sicherheitsrat sich erneut mit dem Thema befasst, ist unklar. Klar ist nur, dass sich US-Außenminister Kerry morgen in Genf mit seinem russischen Kollegen Lawrow treffen will. Obama kündigte an, er werde in den nächsten Tagen mit Putin telefonieren.

Links auf dradio.de:

Obama sieht "ermutigende Zeichen" im Syrien-Konflikt - Rede an die Nation: US-Präsident setzt vorerst auf Diplomatie
"Es gilt jetzt wieder das diplomatische Primat" - Experte für Sicherheitspolitik hält Obamas Rede an die Nation nicht für überzeugend
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