"Neue Bürger für unsere Stadt gewinnen"

Karl-Willi Beck im Gespräch mit Marietta Schwarz · 28.05.2013
Die fränkische Stadt Wunsiedel hat sich erfolgreich um Handwerker und Dienstleistungskräfte aus Galizien bemüht. Sie hilft den Migranten mit Jobs, Wohnungen und Paten. Die Spanier sollen auf Dauer gehalten werden, sagt Bürgermeister Karl-Willi Beck (CSU).
Marietta Schwarz: Spätestens wenn es um die Arbeitsplatzsuche geht, bekommen Migranten in Deutschland noch immer zu spüren, wie es um ihre Akzeptanz und Integration steht. Deutschland will zwar Einwanderungsland sein, aber mit dem entsprechenden Namen, Aussehen oder mangelnden Deutschkenntnissen ist der Weg zum Vorstellungsgespräch trotz Fachkräftemangel steinig. Die Integration am deutschen Arbeitsmarkt ist deshalb Schwerpunkt beim heutigen Integrationsgipfel in Berlin.

Inzwischen gehen einige Städte und Gemeinden ihre eigenen Wege auf der Suche nach ausländischen Fachkräften, zum Beispiel Wunsiedel in Oberfranken. Dort haben die beiden Bürgermeister zusammen mit Unternehmen gezielt Fachkräfte aus dem krisengeplagten Spanien angeworben. Und einer von ihnen ist jetzt am Telefon, Karl-Willi Beck, CSU, Erster Bürgermeister von Wunsiedel. Guten Morgen, Herr Beck.

Karl-Willi Beck: Guten Morgen, Frau Schwarz.

Schwarz: Ja, Herr Beck, wie haben Sie denn die spanischen Fachkräfte, die Sie haben wollen, bekommen?

Beck: Ja, wir haben uns erst mal laut Gedanken gemacht, das ist über die Medien gelaufen, dann hat sich die spanische Botschaft gemeldet, dann sind wir eingeladen worden vor ungefähr eineinhalb Jahren, dann waren wir in Berlin, haben gesprochen mit den Leuten und dann hat man dort ein Treffen veranstaltet, hat aus verschiedenen spanischen Regionen Vertreter eingeladen und dann ist der Kontakt zu dem Bürgermeister aus Padrón in Galizien hergestellt worden. Und dann hat es eigentlich eine Eigendynamik entwickelt.

Schwarz: Und diese Fachkräfte, die Sie anwerben konnten, die arbeiten jetzt wo?

Beck: Das sind ausschließlich Leute, die im Handwerk eingesetzt sind. Also Handwerk und Dienstleistung. Wobei ich dazu sagen muss, wir haben uns auch lange überlegt zusammen mit den Firmen: Ist es besser, nach Lehrlingen sich umzuschauen, oder ist es besser nach ausgebildeten Leuten? Und haben uns dann für ausgebildete entschieden, weil wir gesagt haben, die sind auf jeden Fall volljährig und das dürfte leichter sein, die zu integrieren hier bei uns. Weil uns ging es von Anfang an nicht nur darum, dass die hier arbeiten sollen, sondern wir sind eine Gemeinde, die abnehmende Bevölkerung hat, so dass wir als Stadt sowohl von der Demografieseite her als auch von der Seite, dass die Wirtschaft gesagt hat, wir brauchen Fachkräfte, tätig geworden sind. Also, uns ging es auch darum, neue Bürger auf Dauer zu gewinnen in unserer Stadt.

Schwarz: Das heißt, die sind jetzt nicht für begrenzte Arbeitsverhältnisse bei Ihnen, sondern die sollen bleiben?

Beck: Nein, wir leben ja in einem freien Europa. Die Zeiten, wo die Gastarbeiter da waren nur für bestimmte Zeit zum Arbeiten, die haben wir ja hinter uns, das war ja in den 60er-Jahren. Und da waren ja auch viele bei uns gerade hier im Fichtelgebirge wegen der Porzellanindustrie und die waren auch vorrangig aus Galizien. Und deshalb haben wir jetzt auch gezielt den Kontakt nach Galizien hergestellt, denn wir haben eine Reihe von Leuten, die aus dem damaligen Gastarbeiterschub hiergeblieben sind bei uns. Und die haben wir jetzt als Paten eingesetzt, haben die angesprochen, ob sie sich nicht begeistern wollen dafür, und das funktioniert hervorragend.

"Deutschkenntnisse spielen die allergrößte Rolle"
Schwarz: Herr Beck, jetzt haben Sie den Begriff Integration ja selbst auch schon genannt. Wie schafft man das denn, dass jetzt diese Arbeitskräfte aus Spanien sich integrieren können in Franken, welche Rolle zum Beispiel spielen da Deutschkenntnisse, das ist ja auch immer ein großes Thema?

Beck: Also, die Deutschkenntnisse, die spielen die allergrößte Rolle und das ist auch zugleich eins der Fazite, die wir ziehen aus dem Projekt, das jetzt seit 17. August letzten Jahres läuft. Ganz eindeutig, die Sprachbarriere, die ist doch erheblich. Vielleicht ist es auch so, wenn du Leute holst aus dem Handwerksbereich, dass die sich noch ein bisschen schwerer tun, die Sprache zu lernen, wie wenn es ein Ingenieur oder jemand ist, der ein Studium hinter sich hat. Aber das ist halt so, dem muss man sich stellen, die Leute sind jetzt alle in einem Deutschkurs, den wir über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vermittelt bekommen haben, über die Arbeitsverwaltung auch.

Und da müssen die Arbeitgeber ein bisschen Zeit dazu spendieren, dass die also zum Teil abends, zum Teil am Samstag, aber zum Teil auch am Freitag gehen, und dann wird es schon werden. Und natürlich auch die Integration am Arbeitsplatz, "learning by doing" haben wir gesagt. Wobei ich einfach sagen muss, alles andere, die soziale Integration, die kulturelle Integration, die Wohnungsintegration – wobei wir da als Stadt eine WG gemacht haben –, das haben wir alles super im Griff auch über die Paten, und die Sprachbarriere, da sind die Leute natürlich in erster Linie auch selber gefordert, das ist auch ein bisschen individuell unterschiedlich.

Schwarz: Ja, bei Ihrem Wunsiedler Modell, da waren auch extra Engagement und Ehrenamt mit im Spiel, die WG haben Sie da gerade auch schon angesprochen. Also viel Arbeit, damit das klappt, zum Beispiel auch mit der Unterbringung. Jetzt frage ich mal ganz blöd, warum war das nötig, warum reicht es denn nicht, eine Stelle international auszuschreiben?

Beck: Weil das einfach so ist, dass eine gewisse Menge an Integrationsleistung notwendig ist. Man muss sich mal vorstellen, die Menschen kommen in ein fremdes Land, wo also insbesondere die andere Sprache ist, wo natürlich für sie auch alles fremd ist. Und wenn du da nicht Partner hast, die sich aktiv um die Integration kümmern, funktioniert das nicht. Die Wohnung ist halt einfach so, wenn du jetzt zu fremden Leuten sagst, sucht euch selber eine Wohnung, dann müssen die Anzeigen aufgeben und so weiter, das läuft ja alles nicht von selber. Also, da muss man schon unterstützen. Und uns ging es ja darum, dass wir gesagt haben, wir möchten über diese Aktion auch neue Bürger für unsere Stadt gewinnen. Und das hat ja auch funktioniert, die Leute sind, zum Teil mussten die jetzt in der Zeit die Arbeitsstelle wechseln, aber die sind Bürger der Festspielstadt Wunsiedel geblieben und haben halt jetzt eine andere Arbeitsstelle gefunden.

Schwarz: Aber Ihr Projekt, so liest man, ist auch nicht nur auf Liebhaber gestoßen.

Beck: Ja, das ist völlig klar, dass du natürlich den Menschen auch in der Stadt das erklären musst. Und das hängt natürlich auch ein bisschen damit zusammen, dass wir jetzt über Jahrzehnte unter Arbeitsplatzverlust gelitten haben durch die Porzellanindustrie in erster Linie hier bei uns, und dass jetzt in den letzten, sage ich mal, drei Jahren sich natürlich die Welt bei uns arbeitsplatzmäßig verändert hat. Wir haben nach wie vor erheblichen Facharbeitermangel im Handwerksbereich und das ist natürlich, das musst du erst mal in die Köpfe der Menschen wieder hineinbringen, wenn über Jahrzehnte die Botschaft war, bei uns gibt es keine Arbeitsplätze und die jungen Leute müssen weggehen. Und plötzlich ist es umgekehrt. Wir haben hier ja auch genaue Befragungen bei den Firmen gemacht und so weiter, und wir haben Mangel und wir haben halt gesagt, wenn wir Arbeitsplätze in der Stadt haben, die nicht besetzt werden, dann ist das ein sehenden Auges in Kauf genommener Verlust von Wirtschaftsleistung, und das wollen wir nicht zulassen.

Schwarz: Karl-Willi Beck, CSU, Erster Bürgermeister von Wunsiedel. Dort wurden ausländische Fachkräfte in einer konzertierten Aktion angeworben. Herr Beck, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Beck: Bitteschön.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema