Neue Alben

Das muss man gehört haben oder auch nicht

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Die Heidelberger Band Irie Révoltés © imago/UIG
Von Jutta Petermann · 19.06.2015
Frisches Futter für die Musik-Kolumne: Das britische Wunderkind Royce Wood Junior und sein Debütalbum "The Ashen Tang", außerdem das fünfte Werk der Heidelberger Revolutions-Kombo Irie Révoltés und der kanadische Post-Punk-Tip Fist City mit ihrer CD "Everything is a Mess".
Musik: "Midnight"
Wäre ich mir nicht sicher, dass Funk-Rock-Ikone Prince bei bester Gesundheit und voller Schaffenskraft ist, dann würde ich denken, dass er in dem hier zu hörenden jungen Engländer Royce Wood Junior wiedergeboren wurde.
Über den ist wenig bekannt. Kein Alter, kein Geburtsort ist heraus zu bekommen, karg sind die Informationen auf dessen Homepage oder im gesamten Netz. Nur ein Foto als Homepage-Hintergrund: darauf ein blasser, schmaler Mann mit aschblonder New Wave Mähne. Umso kunstvoll überladener sind dann im Gegensatz dazu die zwölf Tracks seines Debüts "The Ashen Tang", was so viel heißt wie der Geruch von Asche oder Brandgeruch.
Funk, Soul, R'n'B, Rock, Pop und Techno-Türme
Der Brite schichtet seine Dance-Tunes zu veritablen Funk, Soul, R'n'B, Rock, Pop und Techno-Türmen auf und haucht ihnen über das gesamte Album hinweg erstaunlich warme atmosphärische Tiefe ein. Tanzmusik als kunstvolles Hybrid für die universelle Clubkultur, das hatten wir zuletzt bei der Irin Roisin Murphy und das macht auch Royce Wood Junior mit dem gewissen Gespür dafür, an welchen Stellen sich Pop und Experiment elegant verbinden lassen. Das eklektische Musik-Konzept und der hohe, androgyne Gesang sind eindeutig von Prince inspiriert. Die Ecken und Kanten, das Rumpelige und Gebrochene, vielleicht passend zum Albumtitel besser formuliert das Abgebrannte oder Angekokelte sind Zutaten aus Underground-Clubs und sie machen "The Ashen Tang" zu einer aufregenden Tanzstimulation mit fein abgeschmecktem experimentellen Appeal.
Musik: "Fäuste hoch"
Musik als Mittel des politischen Engagements - für die neunköpfige Heidelberger Band Irie Révoltés ist das seit 15 Jahren der Antrieb sich auf Bühnen zu stellen und zu spielen. Auch auf ihrem neuen selbstbetitelten Album rufen sie auf deutsch und französisch zur Umkehr der Verhältnisse auf. Die Schicksale von Flüchtlingen, das Verdrängen von finanzschwachen Menschen aus den Innenstädten oder materielle Konkurrenz zwischen Freunden, das sogenannte System genauso wie das Individuum werden angesprochen - voller Elan, Wut und sehr entschlossen.
Ein gut tanzbarer Tritt in den Hintern
Mir ist diese Einstellung absolut sympathisch und da sie unverkrampft dabei bleiben und sich extrem spielfreudig durch ihren partytauglichen Reggae/Ska, HipHop und Weltmusik-Mix pflügen, fühlt man sich auch nicht plump agitiert. Irie Révoltés ist wieder einmal ein gut tanzbarer Tritt in den Hintern aller derer gelungen, die meinen man könne ja eh nichts ausrichten. Das ganze kommt glücklicherweise gar nicht naiv daher, sondern mit der überzeugenden Einstellung, dass Musiker mehr wollen dürfen, als einfach nur zu unterhalten.
Musik: "Hey Little Sister"
Frenetisch, lärmig und überdreht - so muss Post-Punk mindestens sein und so klingen auch Fist City aus der westkanadischen Provinz Alberta auf ihrem zweiten Album "Everything is a mess". Seinen druckvollen Garagen-Punk-Rock liefert das Quartett allerdings verlässlich (ganz in der Tradition der Ramones) mit fast schon konventionellen Melodien, mit Indie-Rock-Hit-Schmiss, sodass der Wut-Charakter ihrer elf Songs ein wenig abgefedert wird.
Dass immer wieder instrumentelle Soundzwischenspiele eingestreut wurden, halte ich für eine unnötige Verkünstelung des Albums, schmälert aber nicht den positiven Gesamteindruck und die verschrammelte Kurz-Knackig-Frisch Anmutung von "Everything is a mess". Das Afro-kanadische Zwillingspärchen Kier und Brittany Griffith bildet den Kern dieser Band, die in ihrer Heimat bei Liebhabern der härteren Gangart schon Kultstatus hat und bei uns mit dieser ersten Veröffentlichung sicher bald bekommen dürfte.
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