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Wer sind die wahren Kriminellen?

George Clooney und Julia Roberts präsentierten in Cannes den Film "Money Monster" von Jodie Foster
George Clooney und Julia Roberts präsentierten in Cannes den Film "Money Monster" von Jodie Foster © dpa / picture alliance / Ekaterina Chesnokova
Von Christian Berndt · 21.05.2016
In "Vorgespult" geht es um Filme, die von ökonomischen Krisen, neoliberaler Wirtschaftsideologie und Geiselnahmen handeln. Ein irisch-englisch-amerikanischer Film erzählt die Geschichte eines jungen Musikers. In einer deutschen Filmsatire entwickelt sich ein Managertraining zum Überlebenskampf à la "Hunger Games". Und in einem Thriller droht ein ruinierter Aktionär live vor der Kamera, das Fernsehstudio in die Luft zu sprengen.
"Du bist also der Neue. Wie heißt Du? – Conor Lawlor. (Buh-Rufe) Ruhe!"
Das wird nicht leicht für Conor: Weil seine Eltern pleite sind, musste er von der Privatschule auf eine öffentliche Lehranstalt wechseln. Der irisch-amerikanisch-britische Film "Sing Street" spielt im Dublin des Jahres 1985, Irland steckt zu dieser Zeit in einer tiefen Wirtschaftskrise. An der neuen Schule herrschen raue Sitten. Als erstes bekommt Conor von einem Skinhead auf die Nase. Aber dann findet er einen gleichgesinnten Kumpel und verguckt sich in ein ziemlich cooles Mädchen. Um sie zu beeindrucken, beschließt Conor, eine Band zu gründen. Die entscheidenden Tipps dafür liefert sein älterer Bruder: Der kiffende Musikexperte findet zum Beispiel: Coversongs spielen geht gar nicht.
"Du bist doch scharf darauf, richtigen Sex zu haben? Dir geht’s doch nur um dieses Mädchen. – Ja, das Mädchen. – Du willst sie rumkriegen mit der Kunst eines anderen? – Wir müssen erst lernen, wie man spielt. – Haben die Sex Pistols gelernt, wie man spielt? Ihr müsst nur lernen, wie man nicht spielt, Conor. Das ist Rock’n’Roll!"

Atmosphäre und Kitsch: "Sing Street"

Der irische Regisseur John Carney, dessen Indie-Musiker-Romanze "Once" 2008 großes Kritikerlob erfuhr, inszeniert ein atmosphärisches Bild vom krisengeschüttelten Irland der 80er-Jahre. Daraus entstehen zum passenden Soundtrack schöne Szenen mit Zeitkolorit, wie der lustig anzuschauende Videodreh von Conors Band. Aber letztendlich ist doch alles zu glatt, um echtes Lebensgefühl zu vermitteln.
Die Band klingt schnell verblüffend perfekt, und manches gerät zum stereotypen Kitsch – etwa wenn man den liebeskummergeplagten Conor pittoresk am Ufer sitzen und Songs schreiben sieht. Das könnte ja noch Charme haben, wenn wenigstens die für "Sing Street" komponierten Songs anstecken würden. Die aber sind auf so harmlosen Mainstream-Geschmack gebürstet, dass vom Geist der 80er-Jahre nur eine sehr ferne Ahnung bleibt.

Aberwitzige Farce: "Outside the Box"

Vom heutigen Zeitgeist erzählt die deutsche Filmsatire "Outside the Box". Vier junge Unternehmensberater sind zu einem sogenannten Outdoor-Firmenevent geladen. Was sie nicht wissen - statt Wellness erwartet sie ein Survival-Test, und sie werden Opfer einer inszenierten Geiselnahme.
Doch dann beginnt das Experiment aus dem Ruder zu laufen, und aus dem Training wird ein turbulenter Überlebenskampf. Regisseur Philip Koch, der 2010 mit seiner preisgekrönten Gewaltstudie "Picco" für Kontroversen sorgte, hat mit "Outside the Box" eine prominent besetzte Satire auf die moderne Unternehmenskultur inszeniert.
Das Szenario steigert sich mehr und mehr zur aberwitzigen Farce, dabei wird die Business-Welt allerdings so plump mit altbekannten Klischees imitiert, dass "Outside the Box" in naiver Albernheit stecken bleibt, statt das Objekt seines Spotts zu treffen.

Intelligente Satire: "Money Monster"

Auch im amerikanischen Film "Money Monster" geht es um die Destruktivität neoliberaler Ökonomie. Lee Gates, gespielt von George Clooney, ist der Starmoderator einer TV-Finanzshow. Seine Aktientipps sind der Renner:
"Das ist der Kursverlauf von Ibis, seit sie vor elf Monaten an die Börse gegangen sind. Sehen Sie sich diese Rundungen an, so was Üppiges!"
Gates ist kein Experte, sondern Entertainer, aber die Zuschauer vertrauen auf sein Urteil. Bis sich eines Abends während der Show ein junger Mann auf die Bühne schleicht:
"Keine Bewegung! – Ha, ist der von der Gewerkschaft?" (Schuss, Schreie)
Der schießende Eindringling ist nicht von der Gewerkschaft, sondern hat nach dem Kurssturz der von Gates empfohlenen Ibis-Aktie sein gesamtes Geld verloren:
"Ich will, dass alle Leute das wissen: Ich bin zwar der Typ mit der Waffe, aber ich bin nicht der wahre Kriminelle, das sind Typen wie er hier."
Der wütende Kyle legt Gates einen Sprengstoffgürtel um und verlangt, den Ibis-Konzern-Chef vor die Kamera zu holen. Gates’ Kollegin Patty, gespielt von Julia Roberts, beginnt fieberhaft, nach dem verschollenen Manager zu recherchieren – und entdeckt Ungereimtheiten in dem Fall.
Jodie Foster inszeniert "Money Monster" als temporeichen Thriller, der in ungewöhnlicher Mischung ernsthaft und komisch zugleich einer an sich tragischen Geschichte folgt – etwa, wenn der Versuch der Polizei, Kyle mithilfe seiner Freundin umzustimmen, kurios schiefgeht. Als Gates befürchten muss, von Scharfschützen abgeknallt zu werden, entwickeln sich der smarte Moderator und der bemitleidenswerte Geiselnehmer nicht nur zu Verbündeten, sondern Kyle wird durch die live übertragene Geiselnahme auch noch zum Helden einer spontanen Protestbewegung.
Das alles könnte überkonstruiert wirken, wenn Foster nicht so gekonnt die Balance aus Gesellschaftssatire, Witz und Tragik halten würde – was "Money Monster" zum so unterhaltsamen wie intelligenten Vergnügen macht.
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