Neu im Kino

Vom Geschlechterkrieg zum realen Krieg

Colin Farrell als John Jessica Chastain als Miss Julie in "Fräulein Julie"
Colin Farrell als John Jessica Chastain als Miss Julie in "Fräulein Julie" © dpa / picture alliance
17.01.2015
In "Vorgespult" geht es heute um drei Filme, die sich um den Krieg zwischen den Nationen und zwischen den Geschlechtern drehen: Die sinnliche Strindberg-Verfilmung "Fräulein Julie", die Doku "Splitter Afghanistan" und der Spionage-Thriller "The Imitation Game".
"Kommen Sie, tanzen Sie noch mal mit mir." – "Wie Sie befehlen, Fräulein Julie."
Es ist Mittsommernacht, Julie möchte sich amüsieren. Ihr Vater ist verreist, die Grafentochter ist mit den Dienstboten allein im Haus. Sie nutzt die Gelegenheit, Kammerdiener John näherzukommen:
"Lassen Sie mich sehen, was Sie im Auge haben." – "Das ist nichts, nur ein Sandkorn, ist gleich wieder raus." – "Setzen Sie sich. Halten Sie still." – "Vorsicht!"
Der britische Film "Fräulein Julie" erzählt die Geschichte einer unstandesgemäßen Annäherung. Die schwedische Schauspielerin und langjährige Ingmar-Bergman-Darstellerin Liv Ullmann hat August Strindbergs Stück von 1888 von Schweden nach Irland verlegt, aber in seiner Entstehungszeit belassen. Die Geschichte handelt vom gnadenlosen Klassengegensatz und Geschlechterkampf, den hier Hollywoods Jungstar der Stunde, Jessica Chastain, und Colin Farrell in klaustrophobischer Atmosphäre mit dampfender Sinnlichkeit zelebrieren:
"Was habe ich nur getan?" – "Versuchen Sie es nicht so." – "Wissen Sie überhaupt, was Liebe ist?" – "Glauben Sie, das ist mein erstes Mal?" – "Jetzt verachten Sie mich." – "Tun Sie nicht so ängstlich, als wären Sie etwas Besonderes. Jetzt sind wir ebenbürtig." – "Gesinde ist Gesinde." – "Und eine Hure ist eine Hure!"
Chastain als widersprüchliche Frau zwischen Dünkel und Aufbruchswille und Farrell als aufstrebender Diener liefern sich ein bravouröses Duell. Leider schafft Ullmanns gekonnt verdichtetes, aber sehr gediegen-kostümhaftes Kammerspiel zu große Distanz, um Anteilnahme zu wecken, und schöpft kaum das immer noch verblüffend aktuelle Potential des Textes aus.
Vom Geschlechterkrieg zum realen Krieg: Die Dokumentarfilmerin Helga Reidemeister hat mit "Splitter Afghanistan" eine filmische Trilogie über das kriegsversehrte Land abgeschlossen. Der Film zeigt in oft scheinbar zufällig gedrehten Szenen afghanischen Alltag – wie hier einen heftigen Streit auf offener Straße:
"Dem jungen Mann war eine Frau versprochen, die er nicht bezahlen konnte. Unsere zufällige, sichtbare Anwesenheit stört die Streitenden nicht."
Die Spontaneität, mit der "Splitter Afghanistan" das Leben im Land beschreibt, gibt einem das Gefühl, am Geschehen erstaunlich nah dran zu sein. Im Mittelpunkt des Films steht Kabuls Orthopädisches Zentrum, in dem vor allem Minenopfer behandelt werden – Afghanistan gilt als meistvermintes Land der Welt. In der Klinik werden die Patienten therapiert und selbst zu Pflegern ausgebildet.
Man sieht Menschen in deprimierendem Leid, aber auch mit bewundernswertem Behauptungswillen, und erlebt das facettenreiche Bild eines Landes zwischen Aufbruch und ungebrochener Stammeskultur - mit ihrem schreienden Unrecht gegenüber Frauen. Die offene Sicht der bemerkenswerten Dokumentation überlässt dem Zuschauer, ob man die Zukunft des Landes hoffnungslos oder vorsichtig optimistisch sehen will.
Im Krieg beginnt auch der britisch-amerikanische Film "The Imitation Game". 1939 sucht der englische Geheimdienst Wissenschaftler, die die Enigma-Maschine knacken sollen, mit der die deutsche Wehrmacht Nachrichten verschlüsselt. Einer der Bewerber ist der überheblich auftretende Mathematiker Alan Turing.
"Ich löse gerne knifflige Aufgaben, und Enigma ist die schwierigste Aufgabe der Welt." – "Nein, eine unmöglich zu lösende Aufgabe, alle Welt hält Enigma für dechiffrierbar." – "Gut. Lassen Sie es mich versuchen, dann finden wir das heraus, Commander."
Turing, den der Brite Benedict Cumberbatch – inzwischen Hollywoods Erstbesetzung für exzentrische Charaktere – angemessen verschroben spielt, ist genial, aber schwierig:
"Wir sollen zusammenarbeiten. oder? Ich hätte lieber mein eigenes Büro." – "Sie sind ein Team und arbeiten als Team." – "Ich habe keine Zeit, meine Schritte permanent zu erklären, und ich fürchte, diese Herren bremsen mich nur."
"The Imitation Game" erzählt vom britischen Mathematiker Alan Turing, der als einer der Vordenker des Computers gilt und im Zweiten Weltkrieg entscheidend dazu beitrug, den Enigma-Code zu knacken. Der norwegische Regisseur Morten Tyldum inszeniert die erste Hälfte des Films mit pointiertem Dialogwitz und Spannung als klassischen Spionage-Thriller. Darüber hinaus entwickelt sich der Film zum atmosphärischen Zeitporträt, das auch von Alan Turings Homosexualität und der beklemmenden gesellschaftlichen Enge jener Jahre erzählt. Dabei wird Turings tragisch verlaufende Geschichte sensibel, aber angesichts des spannenden Sujets erstaunlich bieder inszeniert, was "The Imitation Game" auf Dauer zum eher uninspirierten Melodram macht.