Neu im Kino: "Slow West"

Leichen pflastern ihren Weg nach Westen

Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee) und Silas Selleck (Michael Fassbender) sind gemeinsam auf dem langen Weg nach Westen - eine Szene des Films "Slow West".
Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee) und Silas Selleck (Michael Fassbender) auf dem langen Weg nach Westen - eine Szene des Films "Slow West". © dpa / picture alliance / Prokino Filmverleih
Von Hans-Ulrich Pönack · 29.07.2015
Ein Paar, ungleicher geht es nicht: Naiver Adelsspross und charismatischer Cowboy-Stratege im gnadenlosen Überlebenskampf. John MacLean gelingt mit "Slow West" eine exquisite Parabel dank außergewöhnlicher Bildsprache und lakonischem Humor.
Ein Western, der wie ein Märchen beginnt. Mit einem "Es war einmal"-ähnlichen Erzähler, der von einem Burschen namens Jay Cavendish zu berichten weiß, über den es offensichtlich lohnt, mehr zu erfahren. Die Zeit: 1870. Der erste Ort: Schottland. Wo sich der junge Adels-Spross Jay (Kodi Smit-McPhee) verliebt hat. In die "nicht standesgemäße" Rose (Caren Pistorius). Es gibt, sagen wir mal, Komplikationen und Rose ist – gemeinsam mit ihrem Vater (Rory McCann) – auf und davon. Gen "Traumland" Amerika.
Und was macht dieser emotional überkandidelte Bengel? Er reist ihr nach. Will seine große Liebe wiederfinden. Im amerikanischen Westen. Naiv und besessen, so macht Jay sich nur mit einem Revolver und Kompass ausgestattet auf den beschwerlichen wie gefährlichen Weg. Und wäre längst zu einem anonymen Toten dieser Härte-Region geworden, wenn nicht ein Fremder namens Silas (Michael Fassbender) eingegriffen hätte. Silas ist ein Outlaw. Bietet sich zum gekauften Helfer an und zielt auf ganz eigene Pläne. Der kindliche Naivling und der ausgefuchste Cowboy-Stratege: Ein Paar, ungleicher geht es nicht.
Überleben ist für Träumer unmöglich
Leichen pflastern ihren Weg. Denn "Amerika" zeigt sich von der übelsten Kampf-, also Gier-Seite. Wo nur die Stärksten und Listigsten überhaupt eine Chance haben. Überleben ist, zumindest für diesen Träumer Jay, hier im Grunde völlig unmöglich. Was für ein Glück also, diesen ausgefuchsten, wortkargen Silas an der Seite zu haben. Dabei geht es natürlich einmal mehr um Geld, um Kopfgeld. Das sich viele gerne verdienen wollen. Also heizen sie dem Jungen und seinem väterlichen Beschützer kräftig wie brutal ein. Nur der geschickte und schnellere Umgang mit dem Revolver und Gewehr sichern Gewinn und Existenz.
Während Jay von Kodi Smit-McPhee (davor: "Planet der Affen: Revolution") zu simpel gezeichnet und vielfach unglaubhaft-naiv wirkt, steht Michael Fassbender als charismatischer Solist Silas in der guten Tradition bewährter Westerner wie einst der zynische "Fremde" Clint Eastwood oder wie kürzlich erst Mads Mikkelsen ("The Salvation"). Eigen-interessiert, aber mit menschlichen Regungen.
Regisseur John MacLean, 42, ist eigentlich Musiker. "Slow West" ist sein Spielfilm-Debüt und erhielt im Januar 2015 auf dem renommierten "Sundance-Festival" den "Großen Preis der Jury". Mit seiner außergewöhnlichen Bildersprache, seinem lakonischen wie konsequenten Schwarz-Humor und seinem intensiven Spannungs-Rhythmus ist ihm eine exquisite, vielschichtige Western-Parabel gelungen, die Auf- und Ansehen verdient.
"Slow West" von John Maclean (B + R; GB/Neuseeland 2013/2014; K: Robbie Ryan; M: Jed Kurzel; 85 Minuten)
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