Neu im Kino: "Silent Heart"

Ein bewegendes Familiendrama ohne Pathos

Der dänische Regisseur Bille August (l.) und die dänische Schauspielerin Ghita Noerby für den Film "Silent Heart" auf dem roten Teppich beim 14. Marrakech International Film Festival 2014
Der dänische Regisseur Bille August (l.) und die dänische Schauspielerin Ghita Noerby aus dem Film "Silent Heart" © picture alliance / dpa / Abdelhak Senna
Von Hannelore Heiner · 23.03.2016
Esther hat ALS und will ihr Leben beenden. Vorher will sie sich aber noch von ihrer Familie verabschieden. Das geschieht an einem Wochenende im Herbst, zum vorgezogenen Weihnachtsfest. Und dieses sorgt für ein Wechselbad der Gefühle.
Der dänische Regisseur Bille August war zuletzt mit der Literaturverfilmung "Nachtzug nach Lissabon" im deutschen Kino zusehen, wobei die europäische Koproduktion weder vom Publikum noch von den Kritikern gut aufgenommen wurde. Um so interessanter, vom Meister gefühlvoller Melodramen wieder einen Film aus seiner Heimat zu sehen. Mit einem kleinen Ensemble dänischer Schauspieler und an nur einem Drehort erzählt er ein Familiendrama, in dem es um die Akzeptanz eines selbst gewählten Todes geht. Damit werden in kleinstem Rahmen die großen Themen von Liebe, Vertrauen und Verständnis aufgerufen, die familiäre Beziehungen charakterisieren und in diesem Fall an einem Wochenende durchgespielt werden.
Esther (Ghita Norby) und ihr Ehemann Poul (Morton Grundwald) haben ihre Familie zum Abschiednehmen eingeladen. An drei kalten Herbsttagen möchte Esther Weihnachten vorfeiern, da sie an den bevorstehenden Festtagen nicht mehr bei ihren Lieben sein wird. Esther leidet an ALS und möchte aus dem Leben gehen, bevor die Krankheit aus ihr ein hilfloses Wrack macht. Ihr Ehemann unterstützt sie in diesem schweren Entschluss und als die zwei Töchter mit ihren Partnern anreisen, erhofft sie sich dieses auch von ihren Kindern.

Grandioses Ensemble

Es ist eine brisante Mischung aus Hoffnung auf Verständnis oder wenigstens Vergebung und Esthers Sehnsucht, es möchte noch einmal so schön sein wie früher, was es aber schon lange nicht mehr war. Die nächsten Tage bringen auch für den Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle. Während die älteste Tochter Heidi (Paprika Steen) sich wie immer emotional gefestigt zeigt und der Mutter diesen Wunsch erfüllen will, wehrt sich die jüngere Sanne (Danica Curcic) dagegen, den Freitod zu akzeptieren und so zu tun, als wäre nichts, wenn sie sich am Sonntag voneinander verabschieden.
Die Familienkonstellation ist so wenig neu wie die Behandlung des Themas im Film. Klischees werden auch hier nicht vermieden, so dass sich scheinbarer Egoismus letztlich als sensiblere Emotionalität entpuppt und Rationalismus als verkappter Schutz vor dem, was wirklich Leben bedeutet.
Bille August hatte als Vorlage das Drehbuch des jungen, erfolgreichen, dänischen Serienautors Christian Tope und diese Zusammenarbeit erwies sich als fruchtbar. Der sehr direkte Ton skandinavischer Menschen, auch was schwierigste Gefühle angeht, bewahrt den Film vor Pathos und das grandiose Darstellerensemble vor Sentimentalität, allen voran die dänische Kino-Ikone Ghita Norby als todkranke Esther. "Silent Heart" wird so Bille Augusts bester Film seit langem.

"Silent Heart – Mein Leben gehört mir"
Dänemark 2014
Regie: Bille August
Darsteller: Ghita Norby, Morten Grunwald, Paprika Steen, Danica Curcic, Johan Philip Asbaek
95 Minuten, ab 12 Jahren

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