Neu im Kino

Sehr laute und sehr leise Helden

In einer Szene des Dokumentarfilms "Ungezähmt – Von Mexiko bis Kanada" reitet die Gruppe in die Abendsonne, angeführt von Thomas Glover auf seinem Pferd C-Star.
Dokumentarfilm "Ungezähmt – Von Mexiko bis Kanada" : Die Gruppe reitet in die Abendsonne, angeführt von Thomas Glover auf seinem Pferd C-Star. © Fin & Fur Films / NFP marketing & distribution
Von Christian Berndt · 06.02.2016
Filmstarts zwischen Zerstörung und Naturverbundenheit: In der Komödie "Sisters" bleibt bei einer Party kaum ein Stein auf dem anderen. Der Dokumentarfilm "Ungezähmt" folgt vier Studenten auf einer mehrmonatigen Cowboy-Tour. Die Marvel-Comic-Verfilmung "Deadpool" schickt einen verunstalteten Superhelden auf Rachefeldzug.
"Wieso habt ihr mir nicht gesagt, dass ihr das Haus bereits verkauft habt? – Weil ihr versucht hättet, es uns auszureden, ihr wart schon immer renitent."
Kate ist schockiert. Gerade hat die alleinerziehende Chaotin wieder mal Job und Wohnung verloren und deshalb geplant, mit ihrer Tochter zurück ins Elternhaus zu ziehen. Aber die Eltern sind einfach in eine Seniorenresidenz gezogen und haben das Haus verkauft. Kate und ihre Schwester Maura sollen nun in die Heimat kommen, um ihr Kinderzimmer auszuräumen. Die beiden Singles frustriert es mächtig, ihre familiäre Bleibe zu verlieren, und trotzig planen sie, es noch mal richtig krachen zu lassen und im Elternhaus eine Party zu veranstalten. Dafür suchen sie sich in der heimatlichen Boutique die schärfsten Klamotten aus:
"Also, die Titten gucken schon ein wenig raus, aber ich glaube, das Kleid steht mir. – Es sieht auch richtig rum gut aus. – Ach ehrlich?"
Die amerikanische Komödie "Sisters" von Jason Moore beginnt zotig und ziemlich vulgär. Und die Schwestern, gespielt von den Comedians Tina Fey und Amy Poehler, wirken zunächst auch etwas zu aufgekratzt. Aber als die Party startet, nimmt der Film spektakulär Fahrt auf. Um die Käufer abzuschrecken und den Verkauf des Hauses doch noch zu verhindern, animiert Kate die Gäste, ordentlich für Verwüstung zu sorgen. Doch dann läuft die Party komplett aus dem Ruder:
Die Zerstörungslust, mit der Haus und Pool im Laufe des Abends verwüstet werden, erinnert an den anarchischen Slapstick der Stummfilmzeit. Dass der ganze Krawall auch als Geschichte funktioniert, ist vor allem der ausdrucksstarken Tina Fey zu verdanken, deren komödiantisches Talent spätestens seit ihrer Sarah-Palin-Parodie in der Saturday-Night-Live-Show berühmt geworden ist.

Sisters
USA 2015 - Regisseur: Jason Moore, Darsteller: Tina Fey, Amy Poehler, Maya Rudolph - ab 12 Jahren, 118 Minuten
Filmhomepage

Vom lärmenden Tollhaus in die ruhevolle Idylle. Der amerikanische Dokumentarfilm "Ungezähmt – Von Mexiko bis Kanada" folgt vier Studenten, die Monate lang auf Mustang-Pferden durch den amerikanischen Westen unterwegs waren. Mit der Aktion wollten sie auf die kritische Situation der Wildpferde in den USA aufmerksam machen - das Thema kommentieren Experten im Film auch ausgiebig. Die Tour folgt einer wunderschönen, mitunter nicht ungefährlichen Route, unter anderem durch den Grand Canyon – und verspricht eigentlich ein reizvolles Kinoerlebnis.
Leider versäumt es Regisseur Phillip Baribeau, die Bilder auch mal selbst sprechen zu lassen, statt sie von seinen jungen Protagonisten mit viel "Oh my God"-Rufen dauerkommentieren zu lassen. Einfachen Alltag erlebt man selten, dafür müssen ständig Hindernisse und Konflikte überwunden werden, zu denen die Männer dann wie bei "Big Brother" Stellung beziehen. So wird aus "Ungezähmt" ein ernst gemeinter, aber geschwätziger Studenten-Trip, der eher für TV-Sender wie DMAX als fürs Kino taugt.

Ungezähmt – Von Mexiko bis Kanada
USA 2015 - Regisseur: Phillip Baribeau, Darsteller: Ben Masters, Ben Thamer, Jonny Fitzsimons, Thomas Glover - 101 Minuten
Filmhomepage

Anders als bei den Cowboys in "Ungezähmt" hat man es in der neuen Marvel-Comic-Verfilmung "Deadpool" mit einem wenig geradlinigen Helden zu tun. Der ehemalige Special-Forces-Soldat und Söldner Wade erhält eines Tages eine schockierende Diagnose: Krebs im Endstadium:
"Ich liebe Dich Wade Wilson. Wir schaffen das. – Du hast recht, der Krebs sitzt nur in Leber, Lunge, Prostata und Gehirn. Alles Dinge, die ich nicht brauche."
Wade, als lässiger Witzbold gespielt vom kanadischen Hollywoodstar Ryan Reynolds, nimmt es mit Humor. Aber warum auch nicht, denn tatsächlich erreicht ihn bald ein scheinbar rettendes Angebot:
"Was wäre, wenn wir Ihnen Besserung verschaffen könnten? Sie sind ein Kämpfer, wir können Ihnen Fähigkeiten verleihen, von denen die meisten Menschen nur träumen können. Wir können aus Ihnen einen Superhelden machen."
Das Angebot kommt aus dem geheimen Labor. Dort hat der dubiose Wissenschaftler Ajax in Menschenexperimenten die körperlichen Selbstheilungskräfte derartig weiterentwickelt, dass der mutierte Körper nicht nur Krankheiten wie Krebs überwinden, sondern auch Superkräfte entwickeln kann. Zu spät merkt Wade, dass die Forschung nur dazu dient, willenlose Krieger für den weltweiten Söldnermarkt zu erschaffen. Er kann sich befreien, ist aber furchtbar entstellt.
"Scheiße, Du siehst ja krass aus. – Wie ein Hoden mit Zähnen."
Seinen Humor hat Wade nicht verloren. Er kreiert ein Heldenkostüm, um das verunstaltete Aussehen zu verbergen, und zieht auf Rachefeldzug. Es ist eine ungewöhnliche Heldenwerdung, die Regisseur Tim Miller in seinem Debütfilm "Deadpool" erzählt – mit einem Superhelden, der auf ebenso ungewöhnliche Art Killer und Selbstironiker zugleich ist.

Deadpool
USA 2016 - Regisseur: Tim Miller, Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Ed Skrein, Gina Carano, Leslie Uggams - ab 16 Jahren, 109 Minuten
Filmhomepage

Mehr zum Thema