Neu im Kino

Schmutzige, versaute Lust

Szene aus dem Film "Nymphomaniac 2" mit Charlotte Gainsbourg und Jamie Bell
Szene aus dem Film "Nymphomaniac 2" mit Charlotte Gainsbourg und Jamie Bell © dpa / picture alliance / Christian Geisnaes/Concorde
Von Katja Nicodemus · 01.04.2014
Als sexualisiertes Irrlicht geistert die Heldin von "Nymphomaniac 2" durch den Film. In ihrer Figur spiegelt sich eine Welt, die den Sex abgetrennt hat von den Gefühlen.
Es ist der zweite Teil einer großen Expedition - in die Abgründe der Sexualität. Und damit auch in die Abgründe einer Gesellschaft und ihres Umgangs mit dem Begehren. Im zweiten Teil von Lars von Triers monumentalem Filmprojekt "Nymphomaniac" fährt die von Charlotte Gainsbourg gespielte Heldin Jo mit der Erzählung ihres Lebensweges fort. Ihrem Zuhörer, dem älteren Herrn Seligman, bei dem sie Zuflucht gefunden hat, erzählt sie von ihrem Versuch, die eigene verlorene Lust wiederzufinden. Bei wahllosem Sex, beim Gruppensex, bei sadomasochistischen Experimenten.
Die inzwischen 40-jährige Jo lässt sich demütigen, auspeitschen, schlagen. Sie verliert ihren Mann und ihr Kind. Nüchtern und schonungslos ehrlich erstattet sie Bericht. Seligman ergänzt ihre Geschichte mit kulturellen Beispielen und Assoziationen, erläutert – und widerspricht. Etwa wenn Jo bei der Beschreibung ihrer sexuellen Abenteuer das Wort "Neger" verwendet.
"Ich denke, die Gesellschaft würde behaupten, dass politische Korrektheit eine sehr präzise Bezeichnung für den demokratischen Schutz von Minderheiten ist."
"Die Gesellschaft ist doch genauso feige wie die Menschen, die sie bilden. Die meiner Meinung nach auch viel zu dämlich sind für die Demokratie."
Als sexualisiertes Irrlicht geistert von Triers Heldin durch diesen Film. In ihrer Figur spiegelt sich eine Welt, die den Sex abgetrennt hat von den Gefühlen. Joe huldigt dem Fetisch Sexualität, und scheint doch nach etwas anderem zu suchen. Aber was sie findet, ist entweder Liebe ohne Sex oder Sex ohne Liebe.
Vorübergehend besucht sie eine Therapiegruppe für Sexsüchtige. Doch dem scheinheiligen Gerede der Therapeutin schleudert sie ihre eigene Wahrheit entgegen:
"Du bist nichts weiter als die Moralpolizei dieser Gesellschaft, deren vorrangigstes Ziel es ist, meine Obszönität von dieser Erde zu entfernen, damit den Spießern nicht schlecht wird. Ich bin nicht wie ihr. Ich bin eine Nymphomanin. Und ich liebe mich dafür, eine zu sein. Aber vor allem liebe ich meine Möse. Und meine schmutzige, versaute Lust."
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