Neu im Kino

Religiöse Nadelstiche

Kresimir Mikic als Don Fabijan (l.) und Niksa Butijer als Petar in dem Film "Gott verhüte!"
Kresimir Mikic als Don Fabijan (l.) und Niksa Butijer als Petar in dem Film "Gott verhüte!" © dpa / picture alliance / Maja Lesar
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 05.08.2014
In "Gott verhüte!" hecken der Priester einer einsamen Insel und seine Komplizen einen Plan aus: Um den Geburtenrückgang zu stoppen, durchstechen sie heimlich Kondome. Eine Satire über katholische Sexualmoral und kroatischen Nationalismus.
"An einem sonnigen Tag kam ich auf der Insel an. Die Bevölkerung der Insel starb langsam aus (...) Seit meiner Ankunft hatte ich 22 Sterbeurkunden ausgestellt und keine Geburtsurkunde. Und ich konnte nichts dagegen tun."
Eigentlich könnte es sehr schön sein auf der der malerischen Insel an der kroatischen Küste mit seinem mittelalterlichen Städtchen. Aber der junge Priester Don Fabian möchte seinen persönlichen Kreuzzug gegen Empfängnisverhütung und Geburtenrückgang starten. Als der Kioskverkäufer Petar den Verkauf von Kondomen nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, kommt dem Seelsorger eine Erleuchtung:
"Man braucht nur mit einer dünnen Nadel ein kleines Loch einzustechen und so Gott will, wird ein Kind gezeugt."
Fabian und Petar bearbeiten nicht nur die Kondome aus dem Kiosk, sie holen auch noch den ultranationalistischen Apothekenbesitzer mit ins Boot. Der löchert nicht nur die Kondome, sondern ersetzt auch die Antibabypillen in den Packungen heimlich durch Vitaminpräparate. Die Strategie des ungleichen Trios scheint aufzugehen:
"Jure, willst du Vesna zu deiner Frau nehmen?"
"Ja, ich will!"
Fernsehnachrichten: "Und nun noch eine ungewöhnliche Nachricht. Während in Kroatien die Bevölkerung in drastischer Form abnimmt hat die Geburtenrate auf einer dalmatinischen Insel in den letzten Monaten um 70 Prozent zugenommen."
Der Plan des ungleichen Trios scheint aufzugehen
Aber die unfreiwilligen Väter auf der Insel sind nicht unbedingt glücklich. Das behutsame erotische Gleichgewicht des Dorfes gerät aus den Fugen und die Situation eskaliert: Ein Kind wird ausgesetzt, illegal adoptiert und eine schwangere Frau entführt. Der Apotheker möchte die defekten Kondome nur noch an Kroaten verkaufen, damit sich nicht womöglich noch die Serben und Afrikaner vermehren. Dann wird Fabian noch wegen der Kondome im Pfarrhaus ein Zölibatbruchs unterstellt. Er beichtet dem herbeieilenden Ermittler alles, aber die Reaktion der Amtskirche bleibt merkwürdig gelassen:
"Ich hab ja schon alles mögliche von Priestern zu hören bekommen, aber so eine Ausrede, das ist genial, genial..."
"Na ja, ich..."
"Nein, nein, genial! Alle Achtung! Mir ist wichtig, dass es sich nicht um Kinder handelt, sonst müsste ich Sie versetzen!"
Aber Don Fabian bleibt das Lachen schnell im Halse stecken, denn nach dem Tod eines schwangeren minderjährigen Chormädchens merkt er, dass er weit über sein Ziel hinaus geschossen ist. Die satten farbigen Sommerbilder und die leichte Musik erinnern an klassische mediterrane Komödien aus Frankreich und Italien, mit Luis de Funes oder Fernandel, mit lustigen,schrulligen, väterlichen oder auch manchmal hinterlistigen Priesterfiguren. Für Regisseur Vinko Bresan ist die dalmatinische Insel auch eine Miniatur, ein groteskes Spiegelbild der kroatischen Gesellschaft:
"Drei Jungs ziehen diese Sache mit den Kondomen durch: Der Priester, dann der Mann, der die Nachrichten managt, also der Kioskverkäufer, und der verrückte Nationalist von der Apotheke. So sehe ich Kroatien: Kirche, Primitivismus und Nationalismus, und die handeln gemeinsam."
Eine leichte Sommerkomödie, die tragisch endet
Die leichte Sommerkomödie mit schwarzem Humor und witziger Gesellschaftskritik endet als Tragödie. Das schwangere Chormädchen schwimmt tot im Hafenbecken, das Beichtgeheimnis verpflichtet zum Schweigen und alles geht seinen Gang. Regisseur Vinko Bresan wollte zunächst eine ganz leichte Komödie, in der Entwicklung der Geschichte entschied er sich dann für eine Tragikomödie mit bitterem Ende:
"Ich glaube, wir leben alle in einer Komödie mit tragischem Ende.Wir können über komische Dinge in unserem Umkreis lachen, aber wir sehen nicht, dass dieser Spaß schließlich tragisch endet und sich gegen unser Leben wendet. Unser Lachen war also falsch – wir haben den Weg in die Tragödie nicht gesehen. Daran glaube ich. Ich baue die Komödie auf, Stück für Stück, aber am Ende ist es dann eben nicht so lustig."
So entwickelt sich der heitere Sommerfilm aus Kroatien zur bitteren Fabel: Ein scheinbar sympathischer guter Hirte entpuppt sich als der übelste Schuft und wird dafür noch befördert. Dieser Sprung vom heiteren ins tragische ist riskant und ungewohnt. Das Lachen bleibt dem Zuschauer im Halse stecken.