Neu im Kino: "Ich seh, Ich seh"

Horror hinter Mullbinden

"Ich seh, Ich seh"
"Ich seh, Ich seh" auf dem Festival in Venedig 2014, mit Produzent Ulrich Seidl (l), Susanne Wuest, Lukas Schwarz, Severin Fiala, Elias Schwarz, Veronika Franz © picture alliance / dpa / Foto: Ettore Ferrari
Von Anke Leweke  · 02.07.2015
Die Mutter von Lukas und Elias hat eine Gesichtsoperation hinter sich und erkennt auf einmal nicht mehr das Lieblingslied ihrer Söhne. Warum nicht? "Ich seh, Ich seh" ist ein doppelbödiger Psychothriller, der es bestens versteht, beim Zuschauer Unbehagen auszulösen.
Mit Vorliebe erforschen Regisseure wie Michael Haneke oder Ulrich Seidl die Abgründe ihrer Heimat, zeigen die Risse hinter der adretten Fassade oder führen vor Augen, wie Perversionen ganz selbstverständlich gelebt werden. Eigentlich könnte man sagen, dass jeder österreichische Film einen Hang zum Horror hat. Warum sich also nicht einmal der Regeln des Genres bedienen?

Mit Argwohn betrachtet man die Idylle, die uns die ersten Einstellungen von "Ich seh, Ich seh" präsentieren: Ein perfektes Haus in grüner, abgelegener Lage am See. Die Zwillinge Lukas und Elias tollen durch die Natur und erwarten sehnsüchtig ihre Mutter, die sich einer Gesichtsoperation unterzogen hat.
Wessen Stimme spricht da?
Doch wer verbirgt sich hinter den mumienähnlichen Verbänden, wessen Stimme spricht da? Und warum kann sich die Mama nicht an das Lieblingslied ihrer Söhne erinnern? Um herauszufinden, wer sich hinter den Verbänden tatsächlich verbirgt, greifen die Jungs zu immer drastisch werdenden Tests. “Ich seh, Ich seh“ ist ein doppelbödiger Psychothriller, der bestens versteht, beim Zuschauer Unbehagen auszulösen.
Es ist das spielerische Unbehagen des Horrorfilms, ausgelöst von einer klaustrophobischen Kamera. Es ist aber auch ein Unbehagen, das aus familiären Strukturen erwächst, die außer Kontrolle geraten sind. Es bleibt das Gefühl einer allumfassenden Verunsicherung - was will man mehr von einem Horrorfilm?

"Ich seh, Ich seh" von Veronika Franz und Severin Fiala
Mit: Susanne Wuest, Lukas Schwarz, Elias Schwarz
Österreich 2014, 100 Minuten