Neu im Kino

Gefährliche Verwandlungen

Henriette Confurius und Frederick Lau bei der Premiere des Kinofilms Das kalte Herz im Kino International, Berlin Oktober 2016
Henriette Confurius und Frederick Lau spielen beide in "Das kalte Herz" © imago/Future Image
Von Christian Berndt · 19.10.2016
In dieser Woche laufen gleich drei Filme an, die von geheimnisvollen oder gefährlichen Verwandlungen erzählen. Im deutschen Film "Das kalte Herz" spielen Frederick Lau und Moritz Bleibtreu die Hauptrollen. Doch trotz der Starbesetzung kann der Streifen nicht überzeugen.
Peter und sein Vater ziehen den schweren Kohlewagen die Landstraße entlang. Sie sind Köhler, Kohlemacher, der verachtete Bodensatz der Dorfgemeinschaft. Peter liebt die Tochter des Glasmachers, die aber ist für den Hungerleider unerreichbar. Gespielt wird Peter von Frederick Lau, der auch in "Victoria" spielte.
Die Neuverfilmung von Wilhelm Hauffs Märchen "Das kalte Herz" zeigt den vorindustriellen Schwarzwald in schaurig-schönen Bildern als eine Welt mittelalterlicher Riten. Mit dem wachsenden Holzhandel hält ein neuer kapitalistischer Geist Einzug – auf der Strecke bleiben dabei die Köhler. In seiner Verzweiflung schließt Peter einen Teufelspakt mit dem diabolischen Holländer-Michel:
"Du hast Angst, dass Dich keiner liebt. Aber in Wirklichkeit wirst Du nur für eins geliebt: Dein Erfolg! Und den musst Du Dir nehmen. Soll ich Dir helfen? – Ja."
Der Holländer-Michel, gespielt von Moritz Bleibtreu, ersetzt Peters Herz durch einen Stein. Aus dem gutmütigen Jungen wird nun ein herzloser Unternehmer. Für einen Regisseur wie Johannes Naber, der schon in seinem preisgekrönten Erstling "Der Albaner" eine bewegende Verwandlungsgeschichte erzählte und mit "Zeit der Kannibalen" eine gewitzte Satire auf die globalisierte Unternehmenskultur gedreht hat, ist "Das kalte Herz" eigentlich idealer Stoff. Hauff hat in seinem 1827 erschienenen Märchen zupackend realistisch die gesellschaftlichen Umbrüche der Industrialisierung thematisiert.
Aber Naber konzentriert sich zu sehr auf die atmosphärische Zeichnung einer archaisch-mystischen Welt, und kann der hintergründigen Erzählung kaum mehr abgewinnen als den Charme eines moralischen Schauermärchens. Wieder mal eine starbesetzte deutsche Produktion, die mehr auf Ausstattung als auf Originalität setzt.

Das kalte Herz
Deutschland 2016
Regie: Johannes Naber
Darsteller: Frederick Lau, Henriette Confurius, Moritz Bleibtreu, Milan Peschel
119 Minuten

In fremdartiger Atmosphäre beginnt auch der französische Spielfilm "Théo und Hugo". Das in rotes Licht getauchte Kellergewölbe hat etwas Höllenhaftes, doch man befindet sich in einem Pariser Schwulen-Darkroom. Und was dort passiert, zeigt der Film drastisch - fast 20 Minuten sieht man expliziten Sex. Inmitten der kopulierenden Körper treffen sich die Blicke zweier junger Männer und ab da verwandelt sich der Film in eine tragisch-romantische Liebesgeschichte. Théo und Hugo verlassen den Club und lassen sich verliebt durchs nächtliche Paris treiben. Bis Théo erwähnt, dass er beim Sex mit ihm kein Kondom benutzt hat. Hugo rastet aus und eröffnet Théo, dass er HIV-positiv ist. Es folgt eine ruhelose Nacht zwischen Bangen, Wut und einer beginnenden Romanze.
Die Regisseure Jacques Martineau und Olivier Ducastel inszenieren "Theo und Hugo" mit einer unmittelbaren Spontanität, die so schwermütig wie leicht zugleich wirkt. Die beiden streunen durch die Stadt und lassen sich trotz der Angst, die über ihnen schwebt, vom Zauber einer durchgemachten Nacht anstecken. Eine bitter-schöne Hommage an Paris und seine Nachtgestalten.

Théo & Hugo
Frankreich 2016
Regie: Olivier Ducastel, Jacques Martineau
Geoffrey Couët, François Nambot
97 Minuten

Zur Romanze kommt es im amerikanischen Thriller "The Accountant" erst gar nicht, denn dafür ist der Held zu verschroben. Christian Wolff, gespielt von Ben Affleck, ist Autist und Zahlen-Genie. Als Buchhalter hat er deshalb eigentlich den richtigen Beruf gewählt, wären seine Klienten nicht gefährliche Mafiosi. Das FBI ist auch schon auf seiner Spur, deshalb nimmt Wolff zur Abwechslung einen legalen Buchprüfungsjob an. Und hier lernt er Dana kennen:
"Wie sind Sie zur Finanzberatung gekommen? Mein Dad war Buchhalter, wie aus dem Bilderbuch. Mit so einem peinlichen Stifteinsatz fürs Hemd. – Ich hab auch einen Stifteinsatz."
Was Dana nicht weiß – der verklemmte Kollege hat ein Doppelleben. Als Wolff bei der Prüfung einem Betrug auf die Spur kommt, ereignen sich plötzlich seltsame Todesfälle – und schließlich geraten auch er und Dana in Gefahr. Und verdutzt stellt sie fest, dass ihr Kollege ein eiskalter Kämpfer ist:
Wolffs Vater, ein Armee-Offizier, hatte den autistischen Sohn im Kampftraining ausgebildet. Regisseur Gavin O'Connor erzählt "The Accountant" als verschachtelten Thriller mit ironischem Augenzwinkern. In Rückblenden erfährt man von Wolffs Kindheit, parallel sind eine Fahnderin und ein diabolischer Killer auf seiner Spur.
Doch im Dickicht all dieser Verwicklungen zerfasert die Geschichte, und Ben Affleck wirkt als Kämpfer zwischen Verklemmtheit und Coolness zu unentschieden, um als originelle Heldenfigur durchzugehen – dafür sind verschrobene Gangster im Kino mittlerweile etabliert genug.

The Accountant
USA 2016
Regie: Gavin O’Connor
Darsteller: Ben Affleck, Anna Kendrick
128 Minuten

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