Neu im Kino: "Familienbande"

Galgenhumor als Problemlösung

Will (Aiden Gillen, l) und Stacey (Lauren Kinsella, r) in einer Szene des Films "Familienbande".
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Von Hannelore Heider · 19.11.2015
Nach dem Selbstmord ihrer Mutter kommt die 11-jährige Stacey zu ihrem Onkel, der für seine neue Ersatzvaterrolle vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird. "Familienbande" ist ein Film aus Irland. Er zeigt zwei verwundete Seelen am Rande der Gesellschaft.
Mark Noonans Debütfilm über das 11-jährige Waisenmädchen Stacey war im Berlinale-Programm Generation Kplus sehr ambitioniert platziert. Die Filme in dieser Reihe werden thematisch aus der Erfahrungswelt von Kindern bis zum Alter von 14 Jahren ausgewählt, was auf den irischen Film mit dem Originaltitel "You're Ugly Too" durchaus zutrifft. Die Erzählweise ist allerdings anspruchsvoller, als es üblicherweise Kinderfilme sind, und deshalb ist sein Kinoangebot nun durchaus auch eines für Erwachsene.
Mark Noonan bei der Premiere des Kinofilms "Familienbande"
Regisseur Mark Noonan bei der Premiere des Kinofilms "Familienbande"© imago / xFredericx
Leben von der Sozialhilfe
Was der etwas banale deutsche Titel nicht verrät, ist, dass es sich hier um keine Familienkomödie handelt, sondern um einen sehr nachdenklich und ruhig erzählten Film über eine Familie, die keine mehr ist und nur im glücklichsten Falle wieder eine werden könnte. Denn die 11-jährige Stacey wird nach dem Selbstmord ihrer Mutter, den sie entdeckte, dem Bruder der Frau anvertraut. Einen Vater gibt es schon lange nicht mehr und Staceys Onkel Will (Aidan Gillen) wurde nur aus dem Gefängnis entlassen, um dieser Obhutspflicht nach zu kommen. Es treffen also zwei Verwundete zusammen, die sich völlig fremd sind und dazu noch am Rande der Gesellschaft leben.
Aus der Stadt geht es in einem uralten Auto in einen Trailerpark in die fast entvölkerten Midlands. Der Wohnwagen hatte Staceys Mutter gehört, er ist das einzige Besitztum von Stacey und Will, die ansonsten von Sozialhilfe leben. Für Stacey muss eine Schule gefunden werden. Und Will hat sich jeden Tag zu festgelegter Zeit bei seinem Bewährungshelfer zu melden. Stacey leidet an einem Trauma und wird immer wieder ohnmächtig, Will hat seine Alkohol-und Tablettenabhängigkeit noch längst nicht überwunden.
Die Zwei haben es schwer, und sie machen es sich schwer. Stacey mag Wills zugewiesene Vaterrolle nicht akzeptieren, Will weiß nicht, wie er diese Verantwortung tragen soll.
Befreiung aus dem Problemkreis
Es ist ein Bündel von Konflikten, die Regisseur und Drehbuchautor Mark Noonan seinen Helden zumutet. Und doch besticht der Film nicht nur durch die schonungslose Beschreibung, sondern auch durch eine doch humorvolle Erzählweise, die - für Kinder vielleicht zu anspruchsvoll - an Galgenhumor grenzt. Stacey ist trotz allem ein Kind, ein freches Mädchen, das seinen introvertierten Onkel nur zu gern provoziert. Vor allem will sie das Geheimnis um seinen Gefängnisaufenthalt klären.
Als dann auch noch eine hübsche Nachbarin (Erika Sainte) aus dem Trailerpark bei ihnen Zuflucht sucht, bekommen die Zwei nicht nur noch ein Problem aufgehalst, sondern auch die Chance, sich aus ihrem engen Gesichts-und Problemkreis zu befreien.
Am Ende spricht es für die Ehrlichkeit des Filmes, den hoffenden Zuschauer nicht mit einem gefühligen Happy End zu beruhigen, sondern bei aller Konzentration auf nur drei Figuren die gesellschaftliche Realität nicht außer Acht zu lassen. Das Ende bleibt offen, denn was diese Familienbande betrifft, haben die Institutionen der Gesellschaft ein Wort mit zu reden.

"Familienbande"
Irland 2015; Regie: Mark Noonan
Darsteller: Lauren Kinsella, Aidan Gillen, Erika Sainte
ab 6 Jahren; 81 Minuten