Neu im Kino: "Everest"

Expedition in den Tod

Szene des Kinofilms "Everest"
Szene des Kinofilms "Everest" © dpa / picture alliance / Jasin Boland - Universal Pictures
Von Anke Leweke · 17.09.2015
Mit einem Schneesturm haben sie nicht gerechnet: 1996 kamen 30 Bergsteiger auf dem Mount Everest ums Leben. In seinem Film "Everest" erzählt Baltsar Kormákur von dem Unglück. Doch die Charaktere bleiben seltsam farb- und konturlos.
Mit der Kamera schwebt man über die Gipfel des Himalayas. Es ist ein majestätischer, erhabener Anblick. Doch schnell fragt man sich, wessen Perspektive man da eigentlich gerade einnimmt. Man sieht doch keine Bergdokumentation des Channels National Geographic, sondern einen Spielfilm, der auf einem der wohl schlimmsten Bergunfälle der letzten Jahrzehnte basiert. Die Blickrichtung müsste also genau umgekehrt verlaufen - von unten nach oben -, sodass man als Zuschauer einen Eindruck von der zu bewältigenden Strecke bekommt.
Was treibt die Abenteurer auf den Berg?
1996 brachen gleich mehrere kommerzielle Expeditionen zum höchsten Berg der Welt auf. Dabei wurden sie von einem Schneesturm überrascht. 30 Menschen starben. Bei seiner Schilderung des Unglücks bedient sich der isländische Regisseur Baltasar Kormákur der klassischen Struktur eines Katastrophenfilms. Zu Beginn scannt man die Expedition gemeinsam mit der Kamera nach zukünftigen Toten ab. Da ist der schmächtige Postbote, der sein letztes Geld zusammengekratzt hat. Vergeblich? Die schweigsame Japanerin hat schon sechs Himalaya-Gipfel bestiegen. Gehört solche Gipfelstürmerei nicht doch bestraft? Die schwangere Ehefrau eines Bergführers verabschiedet ihren Ehemann zärtlich. Wird er sein Kind jemals sehen? Und was treibt all diese Abenteurer eigentlich auf den Berg?
Abends in einem der ersten Basislager tauschen sich die Gipfelstürmer kurz über ihre Motivationen aus, doch befriedigende Antworten werden nicht geliefert, die Figuren sind und bleiben seltsam farb- und konturlos. Und so kann man also Zuschauer auch keine Empathie entwickeln, wenn einer nach dem anderen von Lawinen verletzt wird, abstürzt und mit erfrierenden Nasen und Händen zu kämpfen hat. Das Entscheidende, nämlich der spannende Alltag einer solchen Extremunternehmung, wird nicht gezeigt. Wie isst, schläft, pinkelt man in 8000 Meter Höhe?

"Everest" von Baltsar Kormákur
Großbritannien, USA, Island 2015; Mit: Jason Clarke, Jake Gyllenhaal, Josh, Brolon, Keira Knightley; 144 Minuten

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