Neu im Kino: "Die Lügen der Sieger"

Republik der Lobbyisten

Florian David Fitz in "Die Lügen der Sieger"
Florian David Fitz als Journalist Fabian Groys in "Die Lügen der Sieger". © picture alliance / dpa / Foto: Heimatfilm GmbH&Co.KG /NFP
Von Bernd Sobolla · 15.06.2015
Rund 2200 Lobby-Organisationen verfügen über einen Zugang zu Bundestagseinrichtungen. In seinem neuen Kinofilm "Die Lügen der Sieger" taucht Regisseur Christoph Hochhäusler in eine Welt ein, in der Interessen oft schmutzig durchgesetzt werden.
"Mit der Bundeswehr bin ich nicht weiter gekommen. Aber ich habe was anderes rausgefunden. Ich habe dir da eben eine Mail zugeschickt. Wusstest du, dass Deutschland der größte Giftmüll-Importeur der Welt ist? Und viele von diesen Importen sind falsch deklariert. Aus verschiedensten Gründen. Teilweise um Geld zu sparen, teilweise um Bestimmungen – wie sagt man? – zu umgehen."

Eigentlich hat der Journalist Fabian Groys, gespielt von Florian David Fitz, seine Volontärin Nadja, alias Lilith Stangenberg, auf eine vermeintlich unbedeutende Fährte geschickt. Er selbst recherchiert als Verteidigungsexperte für ein Nachrichten-Magazin an einer heißen Story über dubiose Praktiken der Bundeswehr, aus invaliden Soldaten statistisch gesunde zu machen. Doch die Story steckt in der Sackgasse, und auf einer Giftmülldeponie in Gelsenkirchen scheinen nun beide Geschichten zusammenzufinden. Denn bei der Recyclingfirma könnte die Bundeswehr ihrer Psycho-Altlasten losgeworden sein. Parallel dazu schmieden Lobbyisten in den Hauptstadtbüros Pläne zur Manipulation der Öffentlichkeit.

"Groys hat Material zugespielt bekommen. / Was für Material? / Wir vermuten aus dem Fall aus Gelsenkirchen. / Und das ist für sie ein kleines Problem, Herr Bühler?"
Wie Debatten gezielt blockiert werden
Ob Spionage durch Apotheken-Lobbyisten, Giftmüllskandale, oder Pläne zum Atomausstieg, über Jahre haben Regisseur und Drehbuchautor Christoph Hochhäusler und sein Co-Autor Ulrich Peltzer beobachtet, wie hierzulande Debatten gezielt angestoßen oder blockiert werden.

"Was mich überrascht und auch erschreckt hat, war die sogenannte Lobby-Schlacht um das Gefahrenstoffabkommen "REACH". Da hat in einem Jahr allein die deutsche chemische Industrie eine Milliarde ausgegeben, um Lobby zu machen. Was man da z.B. machen kann, das erfährt man aus diesem Papier, aus einem anderen Kontext, das der Taz geleakt wurde, in der Taz erschienen ist, der Atomindustrie, die so eine Art Kampagne gefahren hat zum Ausstieg aus dem Ausstieg. Bevor Fukushima war, haben die sehr viel Geld ausgeben, um den Wandel gesellschaftlich vorzubereiten."

Wobei die Finanzkraft der Lobbyisten technisch fast alles möglich macht.

"Ich will natürlich wissen, was die haben – und zwar bis morgen. Nein, noch heute. Wie Sie das machen, das interessiert mich nicht."

Dabei bleiben die Lobbyisten fast undefiniert und ohne Verortung: Nüchtern eingerichtete Büros, viel Glas und weiße Wände, kaum Emotionen unter den Kommunikationsexperten.

"In diesem Sinne gibt es keine Lobbyisten in dem Film, denn diese Agentur, die da Probleme löst, die würde für jedermann Probleme lösen, wenn sie den Auftrag bekommt. Also ob das die Grünen sind, die Auftraggeber sind, ob das Greenpeace ist oder die Atomindustrie macht keinen Unterschied. Das ist einfach ein kommunikatives Problem, das man lösen muss."
Mauer des Schweigens
Nachdem Groys und Nadia zunächst auf eine Mauer des Schweigens stoßen, gelingt es ihnen doch, die Frau eines der Opfer zu befragen, und auch wichtige Fotos tauchen auf. Schließlich steht die Story kurz vor der Veröffentlichung.

"Also ich versuche mal, die zentrale These des Textes zu fassen: Die Bundeswehr setzt versehrte Soldaten unter Druck, damit die wider besseren Wissens, freiwillig und gesund die Armee verlassen. Und zurück in der Heimat besorgt man ihnen einen schlechten Job und kümmert sich nicht weiter um sie. Okay? / Mhm! / … Was ich aber vermisse ist die zentrale Aussage: Warum machen die das? Wirklich nur wegen der Statistik? Oder ist es auch billiger?"

Und handelt es sich um einen Einzelfall, oder steht ein System dahinter?

"Fabian, sind wir auf der sicheren Seite? / Telefon."

Christoph Hochhäusler hat "Die Lügen der Sieger" geschickt als Thriller inszeniert: Mit einem spielsüchtigen Journalisten, konturlosen Lobbyisten und mit Informanten, die sich winden oder nur bedingt glaubwürdig erscheinen. Das Ganze bruchstückhaft, intelligent inszeniert – in einer Berliner Republik, in der es niemanden mehr gibt, der alle Machtstrukturen durchschaut. Nur eines ist sicher: Viele Interessengruppen arbeiten mit Hochdruck am Zustandekommen der "öffentlichen Meinung".

"Zum Beispiel hat man Vereine gefördert, „Women in Nuclear“, also Frauen, die in der Nuklear-Industrie arbeiten, weil man herausgefunden hat, dass sich die Meinung in Haushalten besser beeinflussen lässt, wenn die Probleme von Frauen vorgetragen werden. Also Frauen wurden identifiziert als diejenigen, die für eine Meinungsänderung in einem Haushalt entscheidend sind."


"Die Lügen der Sieger"
Regie: Christoph Hochhäusler, Darsteller: Florian David Fitz, Lilith Stangenberg
Deutschland 2015
Länge: 112 min., FSK: ab 12 Jahre
Filmhomepage
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