Neu im Kino: "Café Belgica"

Eine Ode an den Exzess

Regisseur Felix Van Groeningen und Schauspielerin Charlotte Vandermeersch während der Premiere des Films "Café Belgica" von Van Groeningen am 28. Februar 2016 in Gent.
Felix Van Groeningen und Charlotte Vandermeersch während der Premiere des Films "Café Belgica". © imago stock
Von Patrick Wellinski · 22.06.2016
Nach dem zum Heulen traurigen "The Broken Circle Breakdown" hat der belgische Regisseur Felix van Groeningen mit "Café Belgica" einen weniger dramatischen Film gedreht. Es geht um einen wilden Club in der verschlafenen Stadt Gent.
Das Café Belgica ist ein wilder Nachtclub in der weniger wilden belgischen Stadt Gent. Es ist ein seltsam gestriger Ort. Hier treffen sich Ober- und Unterschicht, Arbeiter und Arbeitslose, Studenten und Rocker, um gemeinsam zu saufen, zu tanzen und einfach mal den Tag zu vergessen. Die Betreiber des Clubs sind die recht ungleichen Brüder Frank und Jo. Das "Belgica" ist ihr Traum. Doch das exzessive Nachtleben bringt ihr Privatleben aus der Bahn. Der einäugige Jo kann keine feste Bindung mit einer Frau eingehen. Wenn dann mal ein One-Night-Stand länger bleiben will, kann Jo keine Nähe ertragen und läuft weg. Bei Frank sind die Probleme etwas anders geartet. Er hat eine Frau und Kinder. Doch er schafft es nicht, seine Rolle als Vater und Ehemann auszufüllen. Seine Frau stellt ihm ein Ultimatum.

Fragen nach dem Wert utopistischer Orte

Felix van Groeningen hat nach seinem für einen Oscar nominierten Erfolg mit "Broken Circle Breakdown" nun einen weniger melodramatischen Stoff gewählt. Die ranzige Brüdergeschichte in Gent hat einen wundervoll unaufdringlichen Schwung. Dabei beobachtet der Regisseur sowohl die privaten Probleme der Brüder als auch ihre zunehmend schwierigeren Geschäftsentscheidungen. So wird ihnen suggeriert, den Erfolg des Belgica auszubauen, indem sie den Club exklusiver machen und nicht mehr jeden reinlassen. Das sind dann Grundsatzentscheidungen, die an dem Geist des Belgica rütteln.
Hier stellt der Film sehr interessante Fragen nach dem Wert solcher utopischen Orte wie dem Belgica. Was können diese Clubs leisten, wenn sie wirklich für alle zugänglich sind, wenn sie sich nicht nach Moden und markökonomischen Gesichtspunkten orientieren? Und dann ist da noch die musikalische Ebene des Films, die sicherlich zu den großen Highlights gehört. Die belgische Musikgruppe Soulwax zeichnet sich für den Soundtrack des ganzen Films verantwortlich. Laut und grell malen sie so die wilden Nachtszenen des Belgica, einem Ort, den es vielleicht dann doch nur in einem Kinofilm geben kann. Aber für die Dauer von zwei Stunden will man sehr stark daran glauben, dass es diese Orte auch in unserer Welt noch geben kann.

"Café Belgica"
Belgien 2015, 127 Minuten, FSK ab 12
Regisseur: Felix van Groeningen
Darsteller: Sam Louwyck, Stef Aerts, Tom Vermeir u.a.

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