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Auskunfteien in Deutschland
Wie Bonitätsbewertungen unser Leben beeinflussen

Wer eine Wohnung sucht, ein Konto eröffnet oder per Kredit ein Auto kaufen will, hat es schnell mit sogenannten Auskunfteien zu tun. Sie sammeln Informationen über Privatpersonen oder Unternehmen und nehmen eine Risikobewertung vor. Doch die ist umstritten.

Von Vivien Leue | 28.06.2020
Antragsformular der Schufa
Antragsformular der Schufa: Verbraucher können abfragen, was über sie in Auskunfteien gespeichert ist (imago / Schöning)
Wer im Internet etwas bestellt oder einen Mobilfunkvertrag abschließen möchte, wer die Null-Prozent-Finanzierung eines neuen Fernsehers in Betracht zieht oder einfach nur ein Girokonto besitzt – der hat ganz sicher schon einmal etwas mit Kredit- oder Wirtschaftsauskunfteien zu tun gehabt. Häufig wissen Verbraucherinnen und Verbraucher das nur nicht, weil in der Regel alles glatt läuft, die Bestellung durchgeht, der Mobilfunkvertrag geschlossen wird.
"Vom Grundsatz her ist es mit der Schufa ja okay", sagt einer, bei dem es schon lange nicht mehr glatt läuft: Michael Feist, 61 Jahre alt.
"Nur es wird eine Machtstellung ausgeübt, die der Schufa nicht zusteht."
Feist ist stinksauer. Der Angestellte einer Stadtverwaltung hat eine schlechte Bewertung bei der Schufa, sein sogenannter Score-Wert ist zu niedrig, um damit am alltäglichen Geschäftsleben teilnehmen zu können.
Die Schufa Holding AG ist Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei. Aber es gibt noch andere: Creditreform, Arvato Infoscore oder Crif Bürgel zum Beispiel. Sie alle sammeln Informationen über Privatpersonen oder Unternehmen, um damit eine Art Risikobewertung vorzunehmen: Wie hoch ist das Risiko, dass mein Geschäftspartner seine Rechnungen nicht bezahlt?
Michael Feist hat eine schlechte Risikobewertung, denn Feist war privatinsolvent. Vor knapp drei Jahren bezahlte er seine letzten Schulden ab. Gespeichert ist sein negativer Eintrag immer noch.
"Ich möchte mir eine andere Immobilie suchen. Derjenige geht in die Schufa und sagt: Oh, der ist ja völlig verschuldet, der Typ. Was ja seit Jahren überhaupt nicht stimmt. Und lehnt das ab."
Oftmals veraltete Bewertungen bei der Schufa
Bei jeder noch so kleinen Internetbestellung heißt es: nur per Vorkasse oder Nachnahme. Auch ein Handyvertrag bleibt ihm verwehrt. Als sich der 61-Jährige jüngst einen neuen Gebrauchtwagen kaufen wollte, hatte er wieder so ein Erlebnis. Nach Inzahlungnahme seines alten Autos sind noch 2000 Euro übrig. Feist wird angeboten, den Betrag zu finanzieren. Er stimmt zu, der Verkäufer ruft die Hausbank an – und verstummt nach wenigen Sätzen, so erinnert sich Feist. Die Hausbank könne das doch nicht finanzieren, da sei ja ein negativer Eintrag vorhanden.
"Wenn man dann sagt: Ich habe ein Guthaben im fünfstelligen Bereich auf dem Konto plus einen Sparvertrag, wo ich sofort darauf zugreifen kann, interessiert alles nicht, dass du arbeitest, du Steuern bezahlst, Sozialabgaben und so. Interessiert alles nicht. Dann stehst du vor wildfremden Menschen in diesem Autohaus wie so ein Penner."

"Es geht ja nicht um die Bewertung von Personen", sagt Ingo Koch, Sprecher der Schufa Holding AG. Es gehe darum, "ein Unternehmen, was gebeten wird, Geld zu verleihen oder Produkte auf Rechnung zu versenden, in die Lage zu versetzen, das eigene Risiko zu kalkulieren, zu dem es ein Geschäft eingeht. Und damit sind wir bei der Schufa im Zusammenspiel mit den Vertragspartnern, die unsere Informationen nutzen, Möglichmacher von Geschäften, die ohne solche Informationen nicht oder lange nicht so einfach möglich wären, wie zum Beispiel der Onlinekauf auf Rechnung im Handel."
Die Deutschen sind in der Regel zuverlässige Schuldner. Die Schufa zum Beispiel hat über knapp 91 Prozent der Verbraucher ausschließlich positive Informationen. Nur bei rund neun Prozent der Menschen in Deutschland ist es demnach in den vergangenen Jahren zu Zahlungsstörungen gekommen, wurden zum Beispiel Rechnungen nicht bezahlt.
"Hinter jedem geplatzten Kredit, hinter jedem Produkt, das erworben und nicht bezahlt wird, hinter jeder Rechnung, die nicht bezahlt wird, steht ein Unternehmen, was eine Leistung erbracht hat mit Mitarbeitern. Nehmen wir mal den Handwerksbetrieb, der seine Rechnungen nicht bezahlt bekommt, wo im Zweifel dann Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen."
Stempel mit der Aufschrift Schufa
Ein negativer Eintrag bei der Schufa kann für den Verbraucher viele Folgen haben (imago stock&people / Christian Ohde)
Vielerlei Daten sollen Zuverlässigkeit beweisen
Deshalb werden Auskunfteien von Firmen, Finanzinstituten oder Händlern um ihre Risikoeinschätzung zu einzelnen Verbrauchern oder Unternehmen gebeten. Die Auftraggeber wollen wissen: Wie zuverlässig ist mein Vertragspartner?
Um das einschätzen zu können, nutzen Auskunfteien verschiedene Informationen, zum Beispiel zu Zahlungen, Bestellungen und Verträgen, die man hat. Diese Daten stammen von Handelsketten, Versandhändlern, Versicherungen, Energieversorgern oder Inkassounternehmen, mit denen die Auskunfteien zusammenarbeiten. Außerdem wissen sie meist, wie viele Giro- und Sparkonten oder Kreditkarten ein Verbraucher hat. Und sie greifen auf öffentlich zugängliche Informationen zurück, erklärt Thomas Riemann, Chef des Verbands der Wirtschaftsauskunfteien und Justiziar der Creditreform, die vor allem Unternehmensdaten sammelt:
"Die Creditreform hat etwa 1000 Mitarbeiter, die nichts anderes machen, als zu recherchieren. Das heißt, die sichten die Register, die zur Verfügung stehen: Handelsregister, Unternehmensregister. Dann werden aber auch die Betroffenen selbst angerufen. Zum Beispiel also wenn, ich sage mal, um die Ecke ein neuer Bäcker aufmacht. Dann wird er auch direkt von den Auskunfteien befragt. Das ist auch ein Grundsatz, man soll also bevorzugt die Daten bei dem erheben, dem sie auch gehören, sozusagen."
Aus diesen Daten werden die sogenannten Scores berechnet, mit Hilfe streng geheimer Algorithmen. Wie stark fallen einzelne Merkmale ins Gewicht? Werden Geschlecht oder Alter mit bewertet?
"Wo tatsächlich ein schlechter Score herkommt, das kann man kaum herausfinden", sagt Arne Semsrott, der sich als Netzaktivist für mehr Transparenz einsetzt. "Welche Kriterien alle eingeflossen sind, welche Daten die Schufa auch tatsächlich über mich vorhält, das alles weiß ich nicht."
Semsrott hat zusammen mit zwei NGOs vor zwei Jahren die Initiative Open Schufa gestartet und dazu aufgerufen, dass sich so viele Menschen wie möglich eine Selbstauskunft bei der Schufa einholen. Die ist einmal pro Jahr kostenlos.
"Dann war unsere Idee, mit Hilfe dieser tausenden Spenden, die wir dann letztlich bekommen haben, Rückschlüsse ziehen zu können auf die Algorithmen, die bei der Schufa verwendet werden. Also zu schauen, was für Auswirkungen hat das Alter von der Person, was für Auswirkungen hat das Geschlecht, das in einer Datenbank steht."
Junge Männer als Risikogruppe
Semsrott und seine Mitstreiter merkten zum Beispiel, dass Männer, vor allem junge Männer, bei ansonsten ähnlichen Voraussetzungen wie andere Menschen deutliche schlechtere Scores erhielten.
"Das deutet darauf hin, dass tatsächlich bei der Schufa aufgrund von Alter und aufgrund von Geschlecht in der Datenbank Unterschiede gemacht werden."
Es stimme zwar, sagt Semsrott, dass Männer statistisch gesehen ein schlechteres Zahlungsverhalten hätten als Frauen. Aber darf ein Mann deshalb generell schlechter bewertet werden?
"Aus Sicht von Antidiskriminierung ist das ein Riesenproblem."
Die Schufa weist Diskriminierung von sich. Dennoch hat auch der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen mehr Transparenz von den Auskunfteien gefordert. Scoring-Anbieter sollten offenlegen, welche Merkmale für die Bewertungen besonders relevant sind und wie sie gewichtet werden. Die Auskunfteien berufen sich allerdings darauf, dass das ein Geschäftsgeheimnis sei.
Trotzdem sind natürlich auch Auskunfteien nicht unantastbar. So hat der oberste Datenschützer von Baden-Württemberg, Stefan Brink, jüngst einen Mitbewerber der Schufa offiziell verwarnt.
"Hintergrund war, dass diese Wirtschaftsauskunftei Auskünfte gegeben hat über die Bonität, also über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit eines Wirtschaftsunternehmens und dabei sich darauf gestützt hat, dass es zu wenig Informationen hätte, so dass sie keine gute Bewertung abgeben könnte."
Das sei nicht zulässig, sagt der Datenschutzbeauftragte.
"Wenn sie datensparsam sich verhalten, also nicht jedermann erzählen, was sie verdienen und wie sie sich wirtschaftlich verhalten, und was für Kredite sie in Anspruch nehmen und welche nicht, dann ist das das gute Recht des Einzelnen. Das nennt sich informationelle Selbstbestimmung. Wenn das Schule machen würde, dass die Auskunfteien sagen würden, ich gebe aber nur dann eine positive, also freundliche Auskunft über dich, wenn du mir alles über dich erzählst, dann unterlaufen wir auf die Art und Weise natürlich die informationelle Selbstbestimmung."
Die Bonitätsbeurteilung über Verbraucher wie auch Unternehmen müsse "ganz rational sein. Sie müssen tatsachenbasiert sein und sie müssen auf den Betroffenen zugeschnitten sein."
Verbraucher wissen oft nicht, warum sie eine schlechte Bewertung haben
Häufig aber wüssten Verbraucher nicht, warum sie eine schlechte Bewertung haben, sagt Birgit Vorberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem Wirken von Kredit- und Wirtschaftsauskunfteien.
"Es ist oft schwierig. Wenn zum Beispiel ein Verbraucher zu uns kommt, dessen Daten falsch sind, dann müssen wir ihm raten, sich mit dem Gläubiger, der das gemeldet hat, in Verbindung zu setzen. Und auch mit der Schufa. Natürlich hat der Verbraucher auch gegenüber der Schufa ein Recht darauf, dass sie keine falschen Daten über ihn speichert. Sie verweist aber oft eben darauf, dass sie selbst die Daten nicht recherchiert hat, sondern dass die ihr gemeldet wurden und dass man sich dann an den jeweiligen wenden soll, der die gemeldet hat. Es ist immer eine schwierige Gemengelage."
Es darf nicht jeder einfach so jemanden bei der Schufa oder anderen Wirtschaftsauskunfteien melden. Eine nicht bezahlte Rechnung zum Beispiel muss zweimal schriftlich angemahnt werden, dazwischen müssen vier Wochen liegen und der Adressat muss darauf hingewiesen werden, dass die Meldung an eine Wirtschaftsauskunftei bevorsteht.
Symbolbild zum Thema Inkasso: Alte Bleilettern bilden das Wort Inkasso.
Betrug beim Inkasso: Widersprechen und nicht zahlen
Ein Inkasso-Unternehmen mahnt in harschem Tonfall eine angeblich versäumte Zahlung an und verlangt dabei auch noch horrende Gebühren. Nicht selten sind solche Forderungen frei erfunden. Betroffene sollten dennoch schnell reagieren – und widersprechen.
Betroffene können die Forderung bestreiten, wenn sie zum Beispiel unbegründet ist, weil Ware nie geliefert wurde oder defekt war. Dann darf es erst einmal nicht zum Negativ-Eintrag kommen.
"Ich habe das Gefühl, die Verbraucher wissen sehr oft nicht, wie ihre Rechte sind gegenüber Auskunfteien. Sie haben, was die Schufa angeht, vor allen Dingen Angst."
Denn ein negativer Eintrag und ein daraus berechneter schlechter Score könne sich auf ganz viele Alltagsbereiche der Verbraucherinnen und Verbraucher auswirken.
"Diese Prognosen fließen in ganz viele Vertragsabschlüsse ein. Zum Beispiel in Energieverträge, in Telefon-, Internetverträge. Das bekommt der Verbraucher oft gar nicht so mit. Aber diese Prognosen können mitbestimmend sein dafür, wie viel ich für einen Kredit bezahle, ob ich eine Grundversorgung im Energiebereich bekomme oder einen Sondervertrag."
Banken und Versicherungen haben eigene Systeme
Die Scores der Wirtschaftsauskunfteien sollten eigentlich nicht ausschließlich entscheidend sein, heißt es von der Schufa. Sie seien lediglich Entscheidungshilfen. Verbraucherschützerin Birgit Vorberg meint aber: Viele, vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, verließen sich trotzdem größtenteils auf die Daten von Auskunfteien.
"Banken und Kreditinstitute haben auf jeden Fall eigene Systeme. Und auch der Online-Handel hat es auch."
Ist ein Kunde allerdings neu, kommt wieder die Auskunftei ins Spiel. So ist das auch bei Banken.
"Also die Bank hat ja bei ihrer Kreditwürdigkeitsprüfung auch bestimmte Sorgfaltspflichten zu beachten", sagt Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Dazu gehöre, das Einkommen und finanzielle Verpflichtungen des Kunden zu überprüfen. Sollten nicht genügend Daten zur Verfügung stehen, wird auch die Schufa befragt. Diese Prüfung, diese Bewertung der Bonität einer Person, geschehe auch zum Vorteil des Kunden, sagt Hofmann.
"Wir wollen ja keine Situation am Ende, dass ein Kunde Kredite aufnimmt, die er später nicht zurückzahlen kann."
Denn das schade letztlich nicht nur dem einzelnen Bürger, sondern möglicherweise allen – wenn zum Beispiel aufgrund hoher Ausfallquoten die Zinsen steigen.
Hofmann ist es aber wichtig, zu betonen: "Dieser Schufa-Score ist kein absolutes Kriterium für uns. Es hängt dann wirklich vom Einzelfall ab, wie sind die Verhältnisse jetzt, wie vertrauenswürdig, zuverlässig ist dieser Kunde."
Verzögerter Neuanfang bei negativem Schufa-Eintrag
Michael Feist, der 61-jährige Verwaltungsangestellte, der vor drei Jahren seine Privatinsolvenz beendet und alle Schulden bezahlt hat, hat in den letzten Jahren andere Erfahrungen gemacht. Ihm zufolge verhindert sein immer noch gespeicherter, negativer Schufa-Eintrag, dass er Autokredite erhält, seine Bank wechseln oder einen Handyvertrag abschließen kann. Eine neue Wohnung anmieten? Schwierig.
Feist wurde 2010 Witwer, es sei eine schwierige Zeit gewesen, erzählt er. 2012 habe er dann die Restschuld eines Hypothekendarlehens nicht mehr bezahlen können: 15.000 Euro. Was folgte, war die Privatinsolvenz.
Tag und Nacht habe er geschuftet, jeden Cent gespart und noch vor Ablauf des Verfahrens, das bis Ende 2018 lief, alle Schulden getilgt.
"Ich hatte eineinhalb Jahre vorher schon alles abbezahlt, das heißt, im Juli 2017 war schon alles bezahlt."
Drei Jahre lang speichern Auskunfteien die Daten zum Ende eines Insolvenzverfahrens oder der Restschuldbefreiung. Ein Neuanfang kann damit faktisch verzögert werden. Bei Feist kam noch hinzu: Er hatte sein Verfahren ja früher als geplant beendet.
"Da habe ich erst einmal bei der Schufa mega mega einen Schriftverkehr entfacht und dann hat man sich dann ein wenig bewegt, ein wenig."
Ombudsverfahren bei Schufa
Statt die Daten zu seiner Insolvenz wie geplant bis Ende 2021 zu speichern, sagte die Schufa zu, sie ab Oktober 2020 aus ihrem Datenbestand zu löschen.
"Ja, weil im Oktober 2017 der Bescheid des Amtsgerichts geschrieben wurde: Du hast alles bezahlt. Wir werden Dich in allen Gerichtsdatenbanken löschen. Wenn man dann sagt: Hör mal, ich bin seit Juli 2017 komplett clean, mit allem, nun bitte, wo habt ihr da ein Problem? - und dann: Nein, sehen wir nicht ein."
Feist stellte daraufhin einen Antrag an den Ombudsmann der Schufa – und bat um unparteiische Klärung.
Die Schufa ist nach eigenen Angaben die einzige Auskunftei in Deutschland, die für strittige Fragen ein Ombudsverfahren eingeführt hat, erklärt Sprecher Ingo Koch. Ombudsmann ist der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier.
Algorithmen im Alltag (4/12): Der Bewerter
Scoring-Algorithmen sortieren für Unternehmen Bewerber vor oder entscheiden, wer auf Rechnung einkaufen darf und wer nur gegen Vorkasse. Auch die SCHUFA setzt sie ein, wenn sie Bonitätsauskünfte erteilt. Im Prinzip kennen diese Algorithmen keine Vorurteile, doch oft ist unklar, nach welchen Kriterien sie entscheiden.
"Er prüft also den Fall, den bisherigen Schriftverkehr und trifft dann einen sogenannten Schiedsspruch."
Etwa 170 Millionen Auskünfte erteilt die Schufa nach eigenen Angaben jährlich. 2019 gingen demnach beim Ombudsmann gut 1040 Anträge ein. 441 nahm er an, davon gingen 31 zugunsten von Verbrauchern aus. Die Quote ist also gering. Laut der Schufa zeigt das die hohe Qualität ihrer Datenverarbeitung.
Im Fall von Michael Feist ist es allerdings nie zu einem Schiedsspruch gekommen. Keiner seiner insgesamt drei Anträge an den Ombudsmann sei angenommen worden.
Verbraucherschützer raten im Umgang mit Wirtschaftsauskunfteien mittlerweile dazu, Experten, also Fachanwälte hinzu zu ziehen.
"Das Hauptproblem in unserer Kanzlei sind auf jeden Fall sogenannte Negativ-Einträge", sagt ein solcher Fachanwalt, Jurist Sven Tintemann von der Kanzlei AdvoAdvice in Berlin.
"Öfter gibt es auch das Problem der Eintragung der Restschuldbefreiung, nach dem jemand das Insolvenzverfahren durchlaufen hat."
Interessenabwägung bei Gerichten entscheidend
Die für Wirtschaftsauskunfteien geltenden Gesetzesgrundlagen sind "die vor etwa zwei Jahren in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung und dann gibt es noch das Bundesdatenschutzgesetz."
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sieht zum Beispiel eine Interessensabwägung vor, bevor Daten gespeichert werden.
"Da ist es tatsächlich noch ein bisschen unklar, wie das genau funktioniert. Da sind die Gerichte gerade dabei, das so ein bisschen auch für sich zu klären."
So hat das Frankfurter Landgericht Ende 2018 die Schufa verurteilt, einen Eintrag über die Privatinsolvenz eines Klägers vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist zu löschen, weil dieser Eintrag es dem Kläger quasi unmöglich gemacht habe, eine neue Wohnung zu mieten.
"Das wird nicht als wegweisendes Urteil gesehen, sondern eher als Einzelfallurteil, weil es da ja auch um eine Interessenabwägung gegangen ist", schränkt Anwalt Sven Tintemann allerdings direkt ein. Diese Interessenabwägung sei eben individuell.
Juristen wie Tintemann fordern deshalb, Fragen zur Speicherfrist von Daten grundsätzlich – und zwar auf Ebene der Bundesgesetzgebung – zu regeln.
"Es gibt zum Beispiel für diese Insolvenzbekanntmachungen Speicherfristen von sechs Monaten, wo das gut auffindbar ist, dort aber danach – ohne dass man die konkreten Verfahrensdaten kennt – dann auch nicht mehr."
An eine ähnliche Frist wie diese sechs Monate sollten sich auch die Auskunfteien halten, meint Tintemann. Nur dann könne der Verbraucher nach durchlaufener Insolvenz auch wirklich wieder neu ins Geschäfts- und Alltagsleben starten. Das Interesse an diesem Neustart wiege schwerer als das Interesse neuer Geschäftspartner, über die vergangene Insolvenz Bescheid zu wissen.
Das sehen Auskunfteien anders, erklärt Verbandschef Thomas Riemann.
"Da ist natürlich noch ein gewisses Restrisiko, weil, wer einmal sozusagen gefehlt hat, bei dem ist die Gefahr größer, dass es möglicherweise nochmal passiert. Das kann man auch statistisch belegen."
Unverschuldete Insolvenzen durch Corona
Im Bundestag scheint es andere Statistiken zu geben. Das Justizministerium bereitet gerade einen Gesetzesentwurf zur Restschuldbefreiung vor, der eine Verkürzung der Speicherfristen nach Privatinsolvenz beinhaltet. Zu Recht, meint die Grünen-Bundestagsabgeordnete Melanie Rottmann, Obfrau im Rechtsausschuss:
"Die Erfahrungen zeigen, da gibt es wirklich gute Evaluationen, dass die Einschnitte, die zur Insolvenz im Normalfall führen, in aller Regel bei privaten Personen zum Beispiel Scheidung sind, Arbeitslosigkeit, Krankheit. Und die Idee, dass das Insolvenzrecht zu lasch ist und die Leute leichtfertig in die Insolvenz gehen, von der Praxis überhaupt nicht getragen wird."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Nach Angaben des federführenden Justizministeriums könnte das Gesetzesvorhaben noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Den Vorschlägen zufolge würde die Speicherfrist für Daten zur Privatinsolvenz oder Restschuldbefreiung von drei Jahren auf ein Jahr sinken.
Die Grünen hatten im April schon einen ähnlichen Entwurf vorgelegt. Sie fordern eine möglichst schnelle Gesetzesänderung, denn:
"Wir werden durch Corona Insolvenzen haben, die natürlich tatsächlich unverschuldet sind."
Diese Corona-Insolvenzen würden dann schon unter die neuen Regelungen fallen, die Daten dazu schneller wieder gelöscht.
Michael Feist wird das alles nicht mehr helfen. Sein Schufa-Eintrag wird im Oktober gelöscht. Drei Jahre lang hat er dann darum gekämpft, ihn früher loszuwerden, wieder wie ein anständiger Geschäftspartner behandelt zu werden.