Neiman: Ich habe keinen Messianismus von Obama erwartet

Susan Neiman im Gespräch mit Michael Groth · 13.10.2012
US-Präsident Barack Obama habe die Mehrheit von dem erfüllt, was er im Vorfeld versprochen hat, sagt die Amerikanerin Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums Potsdam. Und das, obwohl die republikanische Mehrheit im Abgeordnetenhaus jeden Kompromiss blockiert habe.
Deutschlandradio Kultur: Intellektuelle Innovation außerhalb des universitären Rahmens. Frau Neiman, das klingt abstrakt. Was hat man sich vorzustellen unter der Arbeit des Einstein-Forums, ganz konkret?

Susan Neiman: Ich gehe ein bisschen in der Geschichte zurück. 1929 hat Albert Einstein ein kleines Häuschen in Brandenburg gekauft oder sich bauen lassen, aber nicht nur, um sich zurückzuziehen – ganz im Gegenteil. Er hat die besten Köpfe seiner Zeit zu sich eingeladen, aus der Politik, aus der Physik, aus der Literatur, aus allen Wissenschaften, damit sie in informellen, aber sehr lebhaften Räumen frei und lange sprechen konnten.

1993 hat das Land Brandenburg gedacht, es wäre nicht schlecht, ihn nachzumachen, und zwar ein Zeichen der Internationalität gegen Nationalismus zu setzen und einen wirklich innovativen Raum zu schaffen, wo wir in Einsteins Fußstapfen treten können. Das tun wir.

Deutschlandradio Kultur: Das heißt, Wissenschaftler und Nichtwissenschaftler sprechen über Gott und die Welt bei Ihnen?

Neiman: Genau.

Deutschlandradio Kultur: Vielleicht nennen Sie einfach mal ein paar Themen, worum es konkret geht, damit man sich einfach mal etwas vorstellen kann.

Neiman: Ja klar. Unsere nächste große Tagung heißt "Die Tyrannei des Eigeninteresses" zum Beispiel. Da werden wir aus den Kulturwissenschaften, aus der Literatur, aus der Ökonomie Menschen einladen, Historiker natürlich, um zu überlegen: Woher kommt diese Annahme, dass alle unsere Tagen schließlich auf Eigeninteresse beruhen, wenn wir wissen, dass es nicht der Fall ist? – Das ist ein Beispiel. Wir haben eine ganze Reihe zu den Emotionen. Jedes Jahr nehmen wir ein neues Gefühl durch, betrachten es von allen Seiten. Wir hatten Neid, wir hatten Trauer, wir hatten erste Liebe. Dieses Jahr geht es um Feste. Wir fangen am 17. Oktober dieses Jahres mit dem neuen Buch von Ingo Schulze an. Da geht es um demokratische Märkte. Dominiert die Demokratie oder dominieren die Märkte? Da kommen auch andere Gäste außer Ingo Schulze. Gesine Schwan kommt, Edgar Most, der ehemalige Bankier, um solche extrem brisante und politisch relevante Themen zu besprechen. Wir haben also ein extrem breites Themenfeld.

Deutschlandradio Kultur: Sie sind Amerikanerin. Sie leben in Deutschland. Sie engagieren sich politisch in ihrer Heimat nach wie vor. Vor vier Jahren waren Sie sehr aktiv für den damaligen Kandidaten, den heutigen Präsidenten Obama unterwegs. Sind Sie nach vier Jahren enttäuscht von dem, was Sie unter dem Präsidenten Obama jetzt erfahren und erlebt haben?

Neiman: Ich bin enttäuscht, aber nicht von Obama. Ich bin enttäuscht von der Reaktion, die seine Wahl hervorgerufen hat, die größer ist, als wir alle erwartet haben.

Obama setzte auf die Vernunft. Er ist kein Pragmatiker, wie man ihm oft vorwirft, er ist tatsächlich einer, der glaubt, wenn man klar und deutlich erklärt, was uns alle vereint, werden die meisten mitkommen. Da war er offensichtlich optimistischer als er hätte sein sollen.

Das hat zwei Faktoren: Erstens dürfen wir den Rassismus nicht vergessen. Es gibt bis heute sehr viele – sie sagen es nicht laut -, die einfach die Negerfamilie aus dem Weißen Haus jagen möchten. Diese ganze sogenannte Birther-Kontroverse spielt leider eine große Rolle, worauf Mitt Romney immer noch zurückgreift.

Deutschlandradio Kultur: Also, der Vorwurf, Obama sei ein Muslim.

Neiman: Sei ein Muslim, der nicht in den USA geboren ist, ja. Und das spielt erstaunlicherweise immer noch eine Rolle. Und 40 Prozent der Republikaner glauben das, obwohl es schon längst widerlegt ist.

Der zweite Faktor ist natürlich das Geld. Die Entscheidung des obersten Gerichtes, uneingeschränkte Wahlspenden zu erlauben, und zwar auch anonym, war der tiefste Angriff gegen die Demokratie, den wir erlebt haben. Es ist wirklich grausam. Und die Republikaner haben das natürlich ausgenutzt.

Das heißt, dass Obama nicht in der Lage war, das zu realisieren, was er realisieren wollte. Dennoch hat er erstaunlich viel gemacht. Die Gesundheitsreform, obwohl kleiner als jede europäische konservative Regierung erlauben würde, ist dennoch ein historisch wichtiger Schritt, den Obama gemacht hat. Verschiedene kleinere Schritte, zum Beispiel ein Gesetz, das gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer vorsieht, die Abschaffung der Diskriminierung von Homosexuellen ist ganz wichtig. Und natürlich wäre die Krise viel schlimmer gewesen, hätte er nicht gehandelt, wie er gehandelt hat. Es gibt viele, die meinen, er hätte ganz am Anfang mehr tun sollen.

Deutschlandradio Kultur: Sie meinen die Finanzkrise.

Neiman: Die Finanzkrise, richtig. Dem stimme ich zu. Ich glaube, er wäre besser an anderen ökonomischen Beratern beraten gewesen als von Timothy Geithner und Larry Summers.

Deutschlandradio Kultur: Geithner, der bis heute Finanzminister ist.

Neiman: Genau. Trotz allem hat er die Mehrheit von dem erfüllt, was er versprochen hatte. Was er nicht geschafft hat, ist eben nicht seine Schuld.

Deutschlandradio Kultur: Ich will noch mal zurück zu den Erwartungen, Frau Neiman. Selbst wenn er die möglicherweise nicht so formuliert hat, wie Sie sagen, er hat sie auch nicht gebremst und er hat, wir erinnern uns, ja auch nach seiner Wahl sogar den Friedensnobelpreis erhalten. Da steckt ja auch sehr, sehr viel Erwartung drin. Das muss doch für viele seiner Anhänger auch heute eine Enttäuschung sein.

Neiman: Ich weiß nicht, welche Gedanken dahinter standen, ob das eher ein Ansporn als ein Preis für schon Geleistetes aus Stockholm sein sollte. Das war wahrscheinlich ein Fehler. Und Obama hat das selber gesagt. Nur, ich habe keinen Messianismus erwartet und die Mehrheit der Amerikaner hat es auch nicht erwartet. Ich hatte das Riesenglück, weil ich intensiv an der Wahlkampagne beteiligt war, an dem Wahlabend vor vier Jahren im Grand Park in Chicago zu sein, eine der glücklichsten Nächte meines Lebens.

Deutschlandradio Kultur: Ein historischer Augenblick.

Neiman: Ja, ein wunderbarer Augenblick. Und auch da hat er gesagt: Ich werde nicht alles alleine schaffen. Ihr müsst mit. Es wird ein langer Weg. – Und ich glaube, dass die meisten – sagen wir mal – vernünftigen Amerikaner nicht den Himmel auf Erden erwartet haben. Sie haben nur eine Wende erhofft. Eine Wende gab es. Eine Wende gab es sicherlich in der Außenpolitik, in der Wahrnehmung von Amerika. Wenn er Kartenspieler wäre, müsste man sagen, so eine schlechte Hand hat selten einer bekommen. Dennoch, wenn man sich überlegt, wie die amerikanische Außenpolitik unter Bush ausgesehen hatte oder – Gott bewahre – unter Romney aussehen würde, muss man sagen: In einer von Krisen umfassten Welt mit ziemlich viel Unvernunft im Spiel hat er Anständiges gemacht.

Deutschlandradio Kultur: Wie immer es ausgeht, es wird knapp ausgehen. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Ist denn der Republikaner Romney der richtige Mann für die Opposition? Es gibt ja Stimmen, die ihm zunächst vorwerfen, er sei nicht nah genug am Lager dieser rechten Fundamentalisten. Die Tea Party wäre da sicher zu nennen. Dann gibt es wieder Stimmen, die sagen, er steht sozusagen genau dort, wo die auch stehen. – Halten Sie Romney für den richtigen Kandidaten, wenn Sie sich jetzt ausnahmsweise – wo Sie stehen, haben wir gelernt – mal auf die Seite der anderen stellen?

Neiman: Es ist interessant. Romney war letzte Wahl. Die Demokraten haben sich natürlich die Hände gerieben, weil, es war ganz klar. Niemand war in der Lage, eine Mehrheit der Republikaner hinter sich zu bekommen. Und Romney war extrem unsympathisch. Zweitens wäre er wahrscheinlich der reichste Amerikaner, der je Präsident werden konnte.

Deutschlandradio Kultur: So gesehen hat er ja viel geschafft. Gerade in dieser Woche gibt es erste Umfragen, die ihn sogar vor Obama sehen.

Neiman: Ja, in dieser Woche. Ich habe die Debatten verfolgt. Ich hatte Sympathie für Obama, der in der ersten Fernsehdebatte ganz klar sehr schlecht abgeschnitten hatte, was ich aber vollkommen nachvollziehen konnte. Romney hat sich um 180 Grad von seiner ursprünglichen Position gedreht, die er seit anderthalb Jahren vertreten hat. Man bereitet sich auf eine Debatte vor, wo man vielleicht inhaltlich etwas klären kann, wenigstens die inhaltlichen Unterschiede klar darstellen könnte, und auf einmal leugnet Romney fast alles, was er bisher gemacht hatte.

Da in diesen 90 Minuten zu sitzen und einfach zu sagen, Mensch, du lügst, wäre natürlich unpräsidial. Es gibt Hunderte von Theorien, warum Obama da so schlecht abgeschnitten hat. Ich denke, er war einfach verblüfft. Und beim nächsten Mal wird er besser.

Wenn ich nichts über die beiden gewusst hätte, auch wenn ich nichts über die Welt wüsste, hätte ich gedacht, okay, der Romney ist ein Kaufmann. Der hat nichts gesagt, was verhindern würde, ein anständiger Präsident zu sein. Aber das ist ein Kaufmann. Er versteckt die schlechten Seiten von dem, was er verkaufen will.

Deutschlandradio Kultur: Frau Neiman, der 112. Kongress hat kaum etwas erledigt. Kompromisse zwischen dem von den Demokraten, dem kontrollierten Senat und der republikanischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus wären notwendig, aber diese Kompromisse werden immer seltener, nicht zuletzt aus ideologischen Gründen. Wird Amerika unregierbar?

Neiman: Romney hat bei der ersten Debatte damit gespielt, dass Obama nicht in der Lage war, überparteilich zu agieren. Einen solchen Zynismus habe ich im Leben nie gesehen, glaube ich. Den führt er fort: Als ich Gouverneur von Massachusetts war, hatte der Landtag 87 Prozent Demokraten und ich habe ganz gut überparteilich regiert.

Nun hat Obama wenigstens gesagt, da könnte der Kongress etwas von den Demokraten in Massachusetts lernen. – Die Parteilichkeit geht eindeutig von einer Seite aus. Die republikanischen Abgeordneten verhehlen gar nicht ihre Ziele. Auch die Führenden haben gesagt: Wir wollen, dass Obama schief geht, dass nix in seiner Regierung funktioniert.

Und sie haben jeden Kompromiss blockiert. Sie waren sogar auch im letzten Sommer bereit, dieser Paul Ryan hat da eine leitende Rolle gespielt, ...

Deutschlandradio Kultur: Der Kandidat als Vizepräsident für Mitt Romney.

Neiman: Genau. Die waren eher bereit, dass das Land offiziell Pleite wird, als dass ein Kompromiss erreicht würde, wobei die Demokraten zehn mal Kürzungen für eine Steuererhöhung angeboten haben.

Deutschlandradio Kultur: Aber nun hat man das Problem verschoben. Man hat es nicht gelöst und es ist auf die Zeit nach der Wahl verschoben.

Neiman: Richtig. Das heißt, wichtig ist in diesen Wahlen nicht nur, wer Präsident wird, sondern wer in den Kongress kommt.

Deutschlandradio Kultur: Stellen Sie sich mal vor, Obama wird wiedergewählt, aber nicht nur das Abgeordnetenhaus, sondern auch der Senat wird mehrheitlich republikanisch. Dann wird es ja ganz schlecht.

Neiman: Das ist in der Tat unwahrscheinlich. Was an dieser Wahlkampagne schön ist, ist, dass noch nie so klar war, was auf dem Spiel steht. Das sind zwei wirklich deutlich verschiedene Visionen von Politik.

Deutschlandradio Kultur: Das schöne deutsche Wort "Richtungsentscheidung".

Neiman: Ja, Richtungsentscheidung. Also, eine Richtung ist stärkster Neoliberalismus in der Wirtschaft, Neokonservatismus in der Außenpolitik und Überkonservatismus, wenn man so will, bei Sozialfragen, also, vom Recht auf Abtreibung oder Gleichsetzung von Männern und Frauen oder von Homosexuellen und Heterosexuellen. Das ist eine Richtung. Die andere ist so eine linksliberale Vision, was man vielleicht hier als rechte Sozialdemokratie einstufen würde.
Das heißt: Wenn Obama wiedergewählt wird, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Demokraten auf allen Fronten gewinnen. Sie haben natürlich Recht, das könnte anders ausfallen. Dennoch schätze ich, dass Obama selbst dann mehr Freiraum in einer zweiten Amtszeit hat, weil, er muss nicht wiedergewählt werden.

Deutschlandradio Kultur: Das heißt, es gibt dann auch mehr Raum für Kompromisse?

Neiman: Nein, aber es gibt mehr Raum für Veto.

Deutschlandradio Kultur: Aber dann passiert ja wieder nichts.

Neiman: Also, ein Präsident kann ein Veto über sehr viele Gesetze einreichen. Es ist kompliziert, wann genau und wie, aber er wäre schon kämpferischer, wenn es so sein würde.

Deutschlandradio Kultur: Sie sind Philosophin, vielleicht reden wir wirklich mal über das, was hinter diesen doch sehr tiefgreifenden Gesellschaftsbildern steht, die da zur Wahl stehen. Ist es immer noch so, dass in den USA vielleicht eher das Bewusstsein das Sein bestimmt und in Europa oder in Deutschland ist es umgekehrt?

Neiman: Das ist eine schöne Frage.

Deutschlandradio Kultur: Extra für Sie.

Neiman: Wissen Sie, ich glaube, dass Sein und Bewusstsein zusammengehen, ob man hier ist oder dort. Ich weiß, in Europa glaubt man schon, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Ich werde nächste Woche den guten alten Sozialdemokraten Edward Bernstein zitieren, der stark dagegen war. Das war auch für ihn ein Angriff gegen den harten Marxisten. Man muss schon ideal reagieren, man muss schon ideal regieren, sonst verliert man Leute. Zweitens verliert man die eigenen Ziele, wenn man sie nicht permanent im Auge hat. Aber Sie haben Recht. Europäer glauben das wenigstens.

Und Amerikaner glauben, dass das Bewusstsein das Sein bestimmt. Nun würden die Amerikaner wirklich gut daran tun, ein bisschen mehr auf das Sein zu schauen beziehungsweise auf die Finanzkräfte, die hinter dem konservativen Lager stehen. Das sind nicht Menschen, die tatsächlich ein Gefühl für die Arbeitslosen oder die Menschen haben, die wirklich von der Wirtschaftskrise betroffen sind. Aber das sind Menschen, die wissen, wie man mit sehr viel Geld solche Leute blendet.

In der Tat müsste Amerika mehr auf das Sein und Europa mehr auf das Bewusstsein schauen. Dann hätten wir so was wie Vernunft.

Deutschlandradio Kultur: Ist nach Ihrem Eindruck in den vergangenen Jahren der atlantische Graben etwas tiefer geworden?

Neiman: In der Zeit vor Obama ganz sicher und mit Recht.

Deutschlandradio Kultur: George W. Bush.

Neiman: Das heißt, die Bush-Regierung hat sich tatsächlich von vielen der Werte verabschiedet, die uns verbinden.

Deutschlandradio Kultur: Hat Obama das rückgängig machen können?

Neiman: Nicht genug. Das liegt aber nicht hauptsächlich an ihm Er wollte am ersten Amtstag Guantanamo schließen. Das hat er ganz fest vor.

Deutschlandradio Kultur: Hat der Kongress verhindert.

Neiman: Hat der Kongress verhindert. Und als die 50 Staaten sich geweigert haben, Gefangene aufzunehmen, hat er dann im Ausland gefragt. 104 Länder haben gesagt: Nein, sie nehmen keine auf. – Also, bevor man Obama dafür kritisiert, muss man schauen, wie es anders hätte sein können, wenn ein paar andere Leute mitgemacht hätten. Immerhin hat er die Folter verboten, was Romney übrigens wieder einführen möchte. Das hat er auch klar gesagt.

Deutschlandradio Kultur: In der amerikanischen Außenpolitik galten die USA ja lange als Vorbild, als Freund, dem es nachzueifern galt. Das scheint sich doch gewendet zu haben. Das hängt sicherlich auch mit Bush zusammen, aber nach wie vor gibt es ja so etwas wie eher freundliches Desinteresse in Europa. Und wenn wir vom Nahen und Mittleren Osten reden, da ist natürlich blanker Hass gegenüber Amerika.

Neiman: Ich finde, was die Europäer angeht, dass es gut ist, wenn man erwachsen wird. Und ich finde, die Europäer machen politisch sehr viel richtiger als die Amerikaner. Ich rede jetzt nicht davon, was Obama in irgendeiner Idealsituation machen könnte, sondern davon, was jetzt möglich ist – mit der Umwelt zum Beispiel oder mit einer wirklich viel umfassenderer Gesundheitsreform. Da, finde ich, ist wichtig, dass Europa die eigenen Werte weiterentwickelt und verteidigt und dahintersteht, was leider viel zu wenige Europäer tun. Die neigen eher zum Jammern als das zu preisen, was sie tatsächlich erreicht haben. Das ist jede Menge. Aber das Interesse ist immer noch groß. Ob in den Medien oder auf den Straßen, man verfolgt schon, was in Amerika passiert – ob politisch oder kulturell. Und das bleibt weiter so.

Der Nahe Osten ist problematisch. Es gibt schon einen Hass. Allerdings, ich habe noch ein Schlüsselbund, was ich letzten März auf dem Tahrir-Platz in Kairo gekauft habe. Darauf steht "Yes, wie can" auf Englisch und Arabisch. Es gibt schon die Erkenntnis im Nahen Osten, also in der arabischen Welt, dass Obama wenigstens etwas ändern wollte. Da ist natürlich eine Enttäuschung. Man hat das Gefühl, man hat nicht genug gemacht. Aber es geht nicht nur um Hass. Ich glaube, dass die Leute, die da denken und nicht nur manipuliert sind, schon wissen, wer antiislamische Videos ins Internet stellt. Das ist nicht ganz Amerika natürlich. Das sind Provokateure. Und Provokateure gibt es in jedem Land. Das ist klar.

Deutschlandradio Kultur: Ich kann Sie nicht fortlassen, Frau Neiman, ohne eine Prognose. Ich vermute, Sie sind optimistisch. Wir wissen, wen Sie wählen würden. Aber wenn Sie versuchen realistisch zu sein, wie wird’s ausgehen im November?

Neiman: Also, für mich sind optimistisch und realistisch keine Gegensätze, aber wir wollen nicht philosophieren. Es stimmt schon, Romney hat aufgeholt, aber die kritischen Staaten neigen immer noch zu Obama. Also, noch sieht es gut aus. Sehr viel wird von den nächsten beiden Debatten abhängen. Die Wirtschaftsdaten waren gerade in diesem Monat besser. Die Arbeitslosigkeit ist endlich mal unter 8 Prozent gefallen. Das war eine kritische Zahl. Also, ich bin noch guter Hoffnung, dass die Vernunft und nicht das Geld das letzte Wort hat.

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