Nazis unter falscher Flagge

Christiane Schneider im Gespräch mit Christopher Ricke · 29.11.2011
Neonazis suchen verstärkt in sozialen Netzwerken nach neuen Interessenten, sagt Christiane Schneider von "Jugendschutz.net". Mit Gruppenseiten zu Themen wie Umweltschutz oder Jugendarbeitslosigkeit versuchten sie zunächst verdeckt für ihre rechtsradikalen Ansichten zu werben.
Christopher Ricke: Die Diskussion über den Rechtsterrorismus in Deutschland hat längst die internationale Ebene erreicht. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte auf einer Europaratstagung, Intoleranz und Extremismus seien auf dem Vormarsch, dies zeigten unter anderem die fremdenfeindlichen Verbrechen in Deutschland. Er sagt auch, es braucht mehr als Strafrecht, man soll auch vorbeugend aktiv werden, und zu dieser Vorbeugung gehört natürlich auch zu wissen, was im Internet alles passiert, wie Neonazis kommunizieren, indoktrinieren, werben und täuschen. Das kann man ja nicht alles den Landesämtern für Verfassungsschutz überlassen. Ich spreche jetzt mit Christiane Schneider von Jugendschutz.net. Sie ist die stellvertretende Leiterin des Arbeitsbereichs Rechtsextremismus. Guten Morgen, Frau Schneider.

Christiane Schneider: Guten Morgen! Hallo.

Ricke: Offene Werbung für Rechtsterrorismus ist wahrscheinlich schwierig im Internet. Aber wie finden die Verführer denn ihre Opfer?

Schneider: Na ja, es gibt da erst mal das ganze Spektrum. Es gibt natürlich auch den ganz offenen Rechtsextremismus im Internet. Aber gerade in Bezug auf Jugendliche ist es so, dass eigentlich das alles so ein bisschen versteckter abläuft und sie dort die Jugendlichen oder neue Interessenten zu finden versuchen, wo sie sich ohnehin schon bewegen, nämlich immer mehr und mehr in den sozialen Netzwerken und Communities.

Ricke: Das sind die Kommunikationsplattformen wie Twitter, Facebook, Google Plus. Was beobachten Sie denn da?

Schneider: Wir beobachten, dass vor allem Rechtsextreme dort eigentlich sich mit Profilen oder Gruppenseiten an ganz emotionale Themen andocken, dass sie sich erst mal vordergründig wie die netten Leute von nebenan geben und einfach erst mal gucken und Neugierde wecken und versuchen, einfach über Themen, die Jugendliche sowieso interessieren, sie auch zu erreichen und anzusprechen.

Ricke: Sagen Sie mir mal solche Themen, hinter denen die Verführer lauern?

Schneider: Das ist ganz breit. Es ist, dass sie sich einsetzen in Aktionen gegen Kindesmissbrauch, oder für den Tier- und Umweltschutz, oder gegen Jugendarbeitslosigkeit, also alles, was unter Umständen eben auch Jugendliche selbst betrifft, und sie dadurch ihnen auch Angebote machen, und zwar werden Konzerte beworben oder Aktionen breit im Netz gestreut, an denen man sich beteiligen kann. Da ist erst mal manchmal gar nicht zu sehen, wer da jetzt oder was überhaupt dahinter steckt.

Ricke: Jetzt wissen wir, was Sie beobachten. Ich möchte natürlich auch gerne wissen, wie Sie beobachten. Tarnen Sie sich da, Frau Schneider? Geben Sie sich eine künstliche Identität und gehen mal sozusagen als Ermittlerin den Verführern auf den Leim?

Schneider: Nein. Es ist im Grunde so, dass wir natürlich gucken, was ist erst mal potenziell gefährdend im Internet für Jugendliche. Insofern gucken wir nach den Inhalten, die auch so ohnehin, ich sage mal, zugänglich sind, oder die man erreichen kann, auf die ein normaler Jugendlicher einfach so im normalen Umgang im Netz auch stoßen kann. Insofern müssen wir uns da jetzt nicht groß tarnen, sondern es geht ja genau darum zu gucken, was erreicht denn Jugendliche im Internet auf solchen Angeboten, oder in den sozialen Netzwerken, ganz ohne danach auch zu suchen, sondern einfach, worauf kann man denn so stoßen.

Ricke: Jetzt will man ja Kinder und Jugendliche schützen, vor Verderblichem bewahren. Da müssen wir doch mal schauen: Wer ist denn dafür verantwortlich, wenn es die jungen Menschen selbst noch nicht sein können? Sind das die Eltern, sind das die Suchmaschinenbetreiber, sind das die Lehrer, vielleicht sogar die Internetanbieter?

Schneider: Da haben Sie jetzt, glaube ich, schon alle genannt, die da im Prinzip in die Verantwortung genommen werden müssen und sollen. Das ist natürlich in unterschiedlicher Ausprägung möglich. Wir versuchen immer, auf allen Ebenen zu erreichen, dass möglichst alle da ihrer Verantwortung auch gerecht werden. Dazu gehören natürlich auch die Internetanbieter selbst, die eben dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Plattformen oder dass ihre Dienste nicht von Rechtsextremen missbraucht werden und dass dort eben nicht es so möglich ist, dass Jugendliche dort auf so was stoßen können. Abgesehen davon gibt es natürlich auch den rechtlichen oder gesetzlichen Rahmen, sowohl seitens strafrechtlicher Möglichkeiten oder eben auch die Jugendschutzgesetze, die in Deutschland ja auch fürs Internet gelten.

Ricke: Gibt es da eine neue Sensibilität, seitdem wir seit einigen Wochen wissen, was in Deutschland über Jahre möglich war?

Schneider: Ich glaube, es gibt ganz allgemein gerade eine ein bisschen höhere Sensibilität, wobei das bei uns ja schon jetzt seit Jahren genau so gefordert wird, diese Sensibilität. Insofern ist das jetzt vielleicht ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit gerückt. Aber an der Sachlage hat sich da eigentlich jetzt nichts verändert.

Ricke: Christiane Schneider von Jugendschutz.net. Sie ist die stellvertretende Leiterin des Arbeitsbereichs Rechtsextremismus. Ich danke Ihnen sehr, Frau Schneider.

Schneider: Danke auch. Schönen Tag.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Link:

Jugendschutz.net: Jugendschutz im Internet - Mehr Rücksicht auf Kinder
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