Naumann: Insolvenz für Suhrkamp positiv

Michael Naumann im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 07.08.2013
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnte der Suhrkamp-Verlag bald wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangen - dieser Meinung ist der frühere Kulturstaatsminister und Ex-Verleger Michael Naumann. Die Position von Minderheitsgesellschafter Hans Barlach sieht Naumann geschwächt.
Matthias Hanselmann: Das Wort vom Insolvenzverfahren hat schon eine gute Weile die Runde gemacht im Tauziehen um die Zukunft des Suhrkamp-Verlages. Jetzt ist der Fall eingetreten, über den bisher eher gemunkelt wurde: Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat das Insolvenzverfahren eröffnet. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind festgestellt worden, das sagte die zuständige Richterin am Amtsgericht Mechthild Wenzel.

Was bedeutet das konkret, und welche Auswirkungen hat das für den Fortbestand des Traditionsverlages? Das ist jetzt unser Thema mit dem früheren Kulturstaatsminister, Publizisten und ehemaligen Verleger der Rowohlt-Verlage Michael Naumann. Schönen guten Tag, Herr Naumann!

Michael Naumann: Ja, guten Tag!

Hanselmann: Als das Wort von der Insolvenz im Zusammenhang mit Suhrkamp vor einiger Zeit die Runde gemacht hat, da war die Rede von einem taktischen Manöver. Jetzt hat die Richterin als Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung angegeben. Wie ernst ist denn die Lage aus Ihrer Sicht?

Naumann: Es handelt sich hier krass gesagt um ein formaljuristisch korrektes Verfahren. Man muss unterscheiden: Da gibt es auf einer Seite die Familienstiftung, und dieser Familienstiftung gehört zu einem Anteil von, glaube ich, 51 Prozent der Suhrkamp-Verlag und der Insel-Verlag und die angeschlossenen Unternehmen, also zum Beispiel die Taschenbuch-Verlage und so weiter. In wenigen Worten: Dieser Zustand ist hergestellt worden durch den Minderheitsgesellschafter Hans Barlach, der auf einer Auszahlung von sogenannten Windfall Profits, nämlich dem Verkauf von Grundstücken in Frankfurt, bestand, und das hat er auch juristisch durchgesetzt – er wollte zwei Millionen, glaube ich, haben, Euro.

Auf der gleichen Rechtsgrundlage hat dann die Familienstiftung die ihr zustehenden Anteile, das waren beträchtliche höhere Summen, ebenfalls formaljuristisch bestanden, und damit war juristisch gesehen der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit des Verlages, der Verlage hergestellt.

Nun ist das Insolvenzrecht – in Deutschland übrigens reformiert worden unter der rot-grünen Regierung – eben kein Totschlagrecht mehr, sondern es erlaubt nun einem Insolvenzverwalter, einem Sachwalter gewissermaßen, den Verlag von innen heraus zu sanieren. Und diese Möglichkeiten zur Sanierung sind mannigfaltig. Zum Beispiel kann man die bestehende Rechtsform der Firma verwandeln in diesem Falle, und das ist auch klar angegeben vom Suhrkamp-Verlag, in eine Aktiengesellschaft.

Das bedeutet nun keineswegs, dass der Minderheitsgesellschafter Hans Barlach seine Anteile verliert, indes kann es durch eine Kapitalerhöhung dazu führen, wenn er nicht mitziehen kann und nicht seinen eigenen Anteil an der Kapitalgesellschaft, an der AG gewissermaßen, erhöht, dass seine Anteile, die, glaube ich, bei 49 Prozent liegen, plötzlich nur noch 20 Prozent betragen. Das ist alles rechtens, und auf diese Art und Weise ist er meines Erachtens dann auch nicht mehr in der Lage, was er in der Vergangenheit getan hat, mit Prozessen den Verlag zu drangsalieren, weil er darauf besteht, dass die größtmögliche Rendite auch an ihn ausgezahlt wird.

Das hört sich alles kompliziert an, ist aber in Wirklichkeit juristisch und auch aktienrechtlich und gesellschaftsrechtlich völlig erlaubt und normal. Und auf diese Art und Weise könnten wir alle, alle endlich dieses Kapitel, diesen Fortsetzungsroman der Rechtsstreitigkeiten zwischen der Mehrheitsgesellschafterin Ulla Unseld auf der einen Seite und Hans Barlach als dem Minderheitsgesellschafter ad acta legen. Ich glaube, das Feuilleton wäre dann durchaus zufrieden, und der Verlag wäre wieder in ruhigen Fahrwassern.

Hanselmann: Was glauben Sie denn, wie Herr Barlach reagieren würde, wenn tatsächlich eine Aktiengesellschaft entstünde?

Naumann: Ja, dann müsste er, um seine … die Aktiengesellschaft selber kann er nicht verhindern. Die Frage ist nur, ob er bei einer dann möglichen Kapitalerhöhung in der Lage ist mitzuziehen, oder ob seine Anteile verwässert werden. Und das weiß ich nicht, ich kann mir vorstellen, dass er selber ja durchaus aufgrund der zahlreichen Anwaltskosten, die er öffentlich beklagt hat, auf sein Geld etwas genauer schauen muss.

Hanselmann: Hat Barlach denn überhaupt die Möglichkeit, aktiv auf diesen Schritt zu reagieren, auf diese Einleitung des Insolvenzverfahrens?

Naumann: Also wenn ich mir die einstweiligen Verfügungen und Rechtsprozesse und rechtlichen Schritte anschaue, die er so im Laufe der Jahre unternommen hat – genauer gesagt, seine Kanzlei In Hamburg, dann bin ich mir sicher, dass er alsbald mit einer neuen Klage ankommt, aber in der Zwischenzeit läuft erst mal das Insolvenzverfahren.

Hanselmann: Vielleicht noch ein Satz, Herr Naumann: Der Insolvenzplan soll vorsehen, dass der Insel-Verlag, der ja bisher operativ vom Suhrkamp-Verlag abhängig ist, Tochtergesellschaft des Verlages werden soll.

Naumann: Das ist eine rein … wenn ich mir das anschaue, und auch die Operationsweise des Verlages – die sitzen ja alle unter einem Dach, einem gesellschaftsrechtlichen Dach, das macht keinen Unterschied, nicht wahr, das halte ich also für noch nicht einmal einen Nebenkriegsschauplatz, sondern einfach nur eine rein juristische gesellschaftsrechtliche Veränderung. Das ändert nichts an der Existenz dieses Verlages.

Hanselmann: Michael Naumann, ich bedanke mich ganz herzlich für diese ersten Einschätzungen zum Thema Insolvenz des Suhrkamp-Verlages. Schönen Dank und schönen Tag noch Ihnen!

Naumann: Ja, danke auch, Wiederhören!


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