Naturschutz trifft Technik

Von Stephanie Kowalewski · 09.05.2011
Bei Tierbeobachtungen setzen Naturfreunde in Rheinland-Pfalz heute auf modernste Handytechnik, zum Beispiel auf den "Artenfinder": Mit dieser App fürs Smartphone lässt sich per Knopfdruck in kürzester Zeit festhalten, wo Mäusebussard, Libelle und Co. gesichtet wurden.
Bei seinem Spaziergang am Rande des kleinen Wäldchens beobachtet Rolf Walter, was da so kreucht und fleucht. Immer wieder schweift sein Blick dabei nach oben in die Bäume.

"Da ist ein Mäusebussard. Ich hol mal mein Handy raus."

Solch eine Tierbeobachtung haben Naturschützer bislang mit Stift und Notizblock festgehalten. Heute geht das auch mit einem Smartphone, einem Handy, mit dem man weit mehr kann als nur telefonieren. Ein Smartphone ist wie ein kleiner Computer.

"Das besondere am Smartphone ist, dass die GPS-Funktion im Telefon eingebaut ist und das Telefon immer weiß, wo es ist. Und dadurch, dass es das weiß, kann man Informationen, die sich auf den Standort beziehen, erfassen - auf Knopfdruck. Und wir sorgen mit der App dafür, dass sie übermittelt werden."

Tim Ontrup ist einer der Entwickler des Handy-Softwareprogramms "Artenfinder". Artenfinder ist eine so genannte App, also eine Applikation, die sich Naturliebhaber kostenlos auf ihr Mobiltelefon laden können, um damit den Standort von Tieren und Pflanzen bestimmen und festhalten zu können. Und zwar ohne, dass technisches Know How nötig ist.

"Sie müssen ein Programm entwickeln, dass auf Anhieb zu verstehen ist. Selbst wenn Sie das Telefon bisher nur zum Telefonieren genutzt haben. Wir als Entwickler müssen eine Oberfläche bieten, die so klar und durchschaubar ist, dass Sie sehen, ich muss zwei Knöpfe drücken und habe dem Naturschutz in meinem Land geholfen."

Rolf Walter, der die App mit entwickelt hat, demonstriert, wie er mit Hilfe des Artenfinders festhält, wo er den Mäusebussard gesehen hat.

"So, ich rufe jetzt mal den Artenfinder auf und sehe da als erstes die Artengruppen. Ist das ein Vogel, ein Säugetier, ist das ein Schmetterling."

Ein Fingertip auf dem Touchscreen des Mobiltelefons reicht, um in der Gruppe der Vögel eine neue Liste zu öffnen.

"Oh Mensch, das sind aber viele. Aber hier gibt es einen Suchmechanismus. Da kann ich eingeben 'Mäusebussard' und schon hab ich meinen Mäusebussard hier."

Momentan stehen dem Nutzer des Artenfinders mehr als 5200 unterschiedliche Arten zur Auswahl bereit. Darunter Würmer, Käfer, Libellen, Heuschrecken, Vögel sowie Pilze, Flechten und Moose. Der Naturbeobachter hat dann die Qual der Wahl, bestätigt Tim Ontrup.

"Das einzige, was das Smartphone nicht kann, ist zu entscheiden, was haben sie gesehen."

Deshalb muss sich, wer den Artenfinder nutzt, in Flora und Fauna auskennen, ergänzt Rolf Walter.

"Das Ganze ist eben im Moment noch nicht für Bernhard den Bürger, sondern eher für jemanden der ehrenamtlich oder als Hobbybiologe dazu beitragen will, die Arten zu schützen.

Jetzt kann ich ein Bild machen. /Klick/ Gut. Das hänge ich jetzt an den Datensatz an und kann es übertragen, mir heute abend zu Hause angucken oder eben an die Landesbehörden übertragen."

Rolf Walter kann seine Beobachtungen später am Computer auf dem dazugehörigen Internetportal auf einer Karte visualisieren, ergänzen und seine eigene Datenbank anlegen. Und er kann das alles den Behörden zur Verfügung stellen. Da aber nur seriöse Daten dem Artenschutz tatsächlich helfen, werden die mit dem Smartphone-App erfassten Daten von ehrenamtlichen Naturschützern geprüft.

"Es gibt eine Gruppe von Menschen, Experten für verschieden Tiere, die sich zusammengeschlossen haben, die diese Meldungen noch einmal begutachten und damit dafür sorgen, dass die Verwaltung nur Meldungen bekommt, die halbwegs gesichert sind."

Sie prüfen unter anderem die Plausibilität der Beobachtung, fragen, ob es tatsächlich sein kann, dass jenes Tier zu dieser Jahreszeit an der Stelle lebt. Erst dann werden die Meldungen in die amtlichen Datenbanken der rheinlad-pfälzischen Behörden aufgenommen und der Beobachter erhält eine Rückmeldung.

Die Idee sei hervorragend, urteilen Naturschützer in anderen Bundesländern, wo der Artenfinder eventuell auch zum Einsatz kommen soll. Doch sie sagen auch, dass Hobbyornithologen oder Naturliebhaber wenig Wert auf neueste Technik legen und nur selten ein teures Smartphone haben, auf das sie sich die Applikation herunterladen können.

Auch Tim Ontrup geht davon aus, dass es etwas dauern wird, bis sich die Öko-Apps durchsetzten werden, aber er ist sicher, dass es irgendwann so weit sein wird.

"Es spricht eine Generation an, die im Naturschutz erst noch wächst. Die Smartphones werden sich zuerst im jugendlichen Bereich durchsetzten und dann erst so langsam in die ältere Generation durchdringen. Wir glauben, es ist eine Chance, um Nachwuchs im Naturschutz zu rekrutieren, denn es bringt Technik und Naturschutz zusammen."

Und das könnte eine Kombination sein, meinen die Softwareentwickler, die bald ihre Fans finden wird. In Rheinland-Pfalz rechnen die Beteilgten jedenfalls mit 600 engagierten Nutzern, sagt Rolf Walter.

"Finde ich eine prima Zahl. Das sind 600 Leute, die bisher möglicherweise die Dinge in ihr kleines Notzibüchlein geschrieben haben, die eine Menge Informationen sammeln, die bisher im Verborgenen geblieben sind und die jetzt hilfreich sind, um Planungs- und Verwaltungsaufgaben zu erledigen."

Das System mit den Smartphone-Apps funktioniert aber auch umgekehrt, sagt Rolf Walter. Statt Artenschutz kann die mobile Nutzung von Geodaten auch helfen, schädlich Pflanzen aufzuspüren.

"Im Umweltminsterium Brandenburg gab es die Anfrage, ob man nicht eine vergleichbare App nutzen kann, um Pflanzen, die für Allergiker bedrohlich sind, die sich ausbreiten in Deutschland - dass man die mit so einer App meldet und dann gemeinschaftlich dafür sorgt, dass die entfernt werden."

Rolf Walter ist zuversichtlich, dass die entsprechende Applikation für das Handy gegen Bärenklau, Ambrosia und Co. in den kommenden Monaten zur Verfügung stehen wird.
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