Naturschutz in Schottland

Landschaft als Kapital

Blick auf die Ruine des Urquhart Castle am Loch Ness in den Schottischen Highlands gelegen, Blickrichtung Osten vom Highway A62 aus gesehen. Aufgenommen am 13.08.2010
Natur - das wichtigste Kapital in Schottland. © picture alliance / Daniel Gammert
Von Gábor Paál  · 06.07.2016
80 Prozent der berühmten Moore Schottlands haben durch Entwässerung und Torfabbau gelitten. Nun werden die kahlgeschlagenen Highlands wieder aufgeforstet. Die Schotten haben gelernt: Natur ist ihr wichtigstes Kapital.
Im Herbst entfaltet Schottland einen ganz eigenen Reiz. Die Urlaubssaison ist vorbei, die Highlands, in kraftvolle Farben getaucht, strahlen eine majestätische Ruhe aus. Die Mücken haben sich verzogen. Die Tage werden rasch kürzer, die Pubs schließen früh. So war es Ende der 80er-Jahre auch, als ich ein Jahr zum Studium hier war.
Seitdem hat sich die Landschaft ein wenig verändert. Vor der Küste und zwischen den Inseln tummeln sich Lachsfarmen, und in den Bergen wachsen mehr Wälder als früher. Wie verändert sich Schottlands Natur durch Globalisierung einerseits und Umweltschutz andererseits? Mit diesen Fragen im Kopf reise ich nun erneut durchs Land und widme mich Lachsen, Mooren, Whisky und Wäldern.

"Trees for Life" will den Wald in den Highlands erneuern

Dundreggan, ein kleiner Ort in den Highlands westlich von Loch Ness, ist so etwas wie das Mekka der Aufforstungsbewegung. Aufforstung ist eigentlich das falsche Wort. Denn kein Forst, kein Nutzwald soll hier entstehen. Vielmehr soll der ursprüngliche Naturwald, der einst weite Teile der Highlands bedeckte, erneuert werden. Ein Wald, der hauptsächlich aus Laubbäumen bestand, aber schon früh gerodet wurde, um Platz zu schaffen für Landwirtschaft und vor allem für die Schafe.
Nun pflanzen ein knappes Dutzend freiwilliger Helfer neue Bäume, ziehen Samen, stecken junge Setzlinge in ein Beet.
Alan Watson Featherstone, der Gründer der Initiative "Trees for Life", graue Haare, Pferdeschwanz:
"Ich habe 'Trees for Life' 1986 gegründet mit dem Ziel, den kaledonischen Wald in den Highlands zu erneuern."
Caledonia, der alte römische Name für Schottland
"Ich fühlte mich kalt in dieser kahlen Landschaft. Die letzten paar Bäume rangen ums Überleben und fielen ihrem Alter zum Opfer. Der Wald erinnerte mich an eine Geriatrie – und mir wurde klar: wenn nichts geschieht, sind in 50 Jahren alle Bäume weg. Ich dachte, irgendwer sollte etwas dagegen unternehmen. Und mir dämmerte, dieser irgendwer könnte ja ich sein."
Das Projektgebiet ist 50 Kilometer lang und 50 Kilometer breit. Es reicht von diesem Tal – Glenmoriston – über knapp 1000 Meter hohe Bergzüge bis ins nördliche Paralleltal – Glen Affric. Featherstone hat sich das Gebiet ausgesucht, weil es hier noch ein paar Überreste des kaledonischen Waldes gibt. Und weil es zwar von Straßen begrenzt wird, aber keine Straßen hindurchführen. Es ist wirtschaftlich kaum erschlossen und soll, so die Vision, in 250 Jahren wieder bewaldet sein.
Blick ins Tal Glen Coe in den schottischen Highlands (Großbritannien), aufgenommen am 23.09.2014. Foto: Kathrin Deckart/dpa
Blick ins Tal Glen Coe in den schottischen Highlands© picture alliance / dpa / Kathrin Deckart
Manche Hänge sind zwar schon bewaldet, aber mit kommerziellem Nutzwald, Fichten und Douglasien, in Reih und Glied gepflanzt, in monotonem Dunkelgrün. Genau das, was Featherstone nicht will. Er will den ursprünglichen, kaledonischen Wald mit seinen vielen Nuancen von hellem Grün im Sommer und bunt-leuchtendem Laub im Herbst. Wo der einzige Nadelbaum die "Scots Pine", die hier heimische Waldkiefer ist, ansonsten lauter Laubbäume: Birken, Eschen, Ebereschen, Eichen, Eiben, Wacholder – und ein Baum, der Featherstone besonders am Herzen liegt: die Espe, auch als Zitterpappel bekannt.

Die Freiwilligen kommen aus aller Welt

Featherstones Initiative "Trees for Life" genießt in Großbritannien einen guten Ruf. An freiwilligen Helfern mangelt es nicht. Manche kommen für einen Tag, manche für eine Woche, manche, wie Emily, auch für zwei Monate.
"Heute ist Baumschul-Tag. Wir werden diese Birkensetzlinge zum Überwintern hier ins Beet setzen, so dass wir sie nächstes Frühjahr ins Gelände pflanzen können. Ich mag diese praktische Arbeit, und die Landschaft ist toll."
Die Helfer kommen aus ganz Großbritannien und es sind die unterschiedlichsten Nationalitäten dabei. Der 48-jährige Abiu zum Beispiel stammt ursprünglich aus Hongkong.
- "Ich lebe seit zwei Jahren in Schottland. Im Moment arbeite ich in einem chinesischen Schnellimbiss in Inverness. Ich war neugierig, was die hier machen – mit Bäumen kenne ich mich nicht aus. In Hongkong habe ich im Export gearbeitet, Natur ist für mich etwas Neues. Ich habe hier schon nette Leute getroffen und Unkraut aus den Beeten entfernt."
- "Ich bin ursprünglich aus Australien. Meine Mutter ist Schottin, und ich wollte das Land meiner Vorfahren kennenlernen. Und als ich hier war, war mir klar: ich will in der Natur arbeiten. Das ist es, was ich hier am meisten mag – genau wie die gälische Sprache. Es gibt einen schönen Satz: Die Rettung der gälischen Sprache ist so ähnlich wie die Rettung der schottischen Wälder."
Die von "Trees for Life" bepflanzten Flächen heben sich deutlich ab von den kahlen Hügeln der Umgebung, die Großgrundbesitzern gehören. Die Hälfte von Schottland, sagt Featherstone, ist in der Hand von nur 80 Personen.
"Unser Nachbar im Osten ist ein Däne, der nur zwei, drei Wochen im Jahr zur Jagd hierher kommt. Und er bewirtschaftet sein Land so, dass er viel zu schießen hat. Im nördlichen Paralleltal besitzt ein Araber etwa 25.000 Hektar, der auch nur ab und an einfliegt, um zu jagen."

Vorzeigeprojekt "The Great Trossachs Forest"

Als Featherstone Mitte der 80er-Jahre mit seiner Arbeit begann, war er ein Einzelkämpfer, halt so ein Ökofuzzi von der berühmten alternativen Findhorn-Gemeinschaft. Das hat sich grundlegend gewandelt. Seine Stiftung führt er zwar in Eigenregie, aber das Ziel – die Wiederbewaldung Schottlands – hat sich auch die staatliche Forstbehörde längst auf die Fahnen geschrieben.
Deren Vorzeigeprojekt liegt zwei Fahrtstunden weiter südlich. The Great Trossachs Forest, im Herzen des Nationalparks "Loch Lomond and The Trossachs". Das Projektgebiet liegt entlang des romantischen Loch Katrine, ein langgezogener von Bergen flankierter See, in dessen stillem Wasser sich die bewaldeten Hänge in herbstlichen Farben spiegeln.
Das Bild, das wir von Schottland im Kopf haben, hat hier seinen Ursprung, erklärt die junge Projektmanagerin Sue Morris und führt mich zu einer kleinen Schautafel am Rande des Sees, wo auf Knopfdruck ein Gedicht ertönt.
"Es begann mit diesem Gedicht von Sir Walter Scott, 'Lady of the Lake'. Mit Lake – also dem See – war Loch Katrine gemeint. Dieses Gedicht lockte Leute nach Schottland. Vorher galten die Highlands einfach als Land von Wilden. Walter Scott schuf das romantische Schottlandbild, das wir bis heute kennen: mit den schönen Lochs und dem herrlichen Bergland. Aber schon damals wurde hier intensive Schafwirtschaft betrieben. Die Schafe haben die Berge kahl geweidet. Insofern entspricht unser romantisches Schottlandbild nicht dem natürlichen Zustand der Highlands . Ja, wenn wir die Gegend wieder bewalden, könnte das die Erwartung mancher Reisender enttäuschen. Aber ich glaube nicht, dass es sie vergraulen wird."
Auch Jo O’Hara, die Leiterin der Staatlichen Forstbehörde in Edinburgh ist zuversichtlich:
"Wir haben Landschaftsarchitekten, die darauf achten, dass die Wälder mit der Landschaft im Einklang stehen. Der Wald soll sich in die Landschaft einfügen."
(Sue Morris:) "In Schottland mit seinen harten Wintern wachsen Bäume langsam. Die Früchte unserer Arbeit sehen wir erst in 20, 30 Jahren. Aber ich finde es fantastisch. Ich sage immer, wenn ich 80 oder 90 bin, will ich mit dem Rollstuhl hier herumgefahren werden und sehen, wie die Bäume, die wir heute pflanzen, aussehen. Unsere Kinder und Enkel werden über unsere Arbeit noch sprechen, wenn wir nicht mehr da sind."
Wanderer, die hierher kommen, werden auch in Zukunft gute Aussichtspunkte finden. Die natürliche Baumgrenze verläuft in Schottland derzeit in einer Höhe von 600 bis 800 Metern. Oberhalb davon dominieren Moor- und Heideflächen die Bergkuppen. Der Wald wird infolge der Klimaerwärmung noch weiter nach oben klettern, doch die höchsten Gipfel wird er nicht erreichen.
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Blick vom Ben Nevis hinunter über den Lochean Meall An T-suidhe in Richtung Norden in den Highlands von Schottland 26.05.2012© picture alliance / zb / Daniel Gammert
Schottlands höchster Berg, der Ben Nevis, ist 1345 Meter hoch. Zu seinen Füßen liegt die Stadt Fort William. Zeit für einen Whisky in der "Ben Nevis Distillery".
Sie hat 2015 1,2 Millionen Liter produziert. Günstigen Whisky vor allem für den Massenmarkt. Die Destillerie kann mit der weltweit wachsenden Nachfrage nach Scotch kaum Schritt halten. "Ben Nevis Distillery": Der Name suggeriert Tradition und lokale Verwurzelung. Ja, es gab sie schon im 19. Jahrhundert und das Wasser für den Whisky stammt tatsächlich von Schottlands höchstem Berg. Doch im 20. Jahrhundert lag die Produktion lange brach, bis 1989 die japanische Firma Nika die Destillerie übernahm und die Marke neu einführte. Doch der Geschäftsführer ist der alte geblieben: Colin Ross, gemütliches Naturell, Vollbart, er kennt sich aus in der Whisky-Landschaft. Früher hat er auch Verkostungen durchgeführt, im berühmten Jacobite-Steam-Train – dem Dampf-Zug, der von Fort William in das Hafenstädtchen Mallaig fährt und in den Harry-Potter-Filmen als Hogwarts-Express unterwegs ist.
"Früher war Scotch der Whisky schlechthin. Jetzt, bei internationalen Wettbewerben, gehen auch schon mal japanische Whiskies als Sieger hervor. Wir müssen uns anstrengen, damit schottischer Whisky seinen Ruf behält."
Ein großer Teil der schottischen Destillerien ist heute in der Hand internationaler Getränke-Konzerne wie Pernot-Ricard oder Diageo. Und ein großer Teil der Produktion geht nach China und Japan. Kleine Familienbetriebe gibt es auch noch, vor allem auf den Inseln. Aber die Whiskyindustrie ist im Wandel. Gerade auch die Nachfrage nach "peated" Whisky – dem getorften Whisky mit seinem rauchigen Geschmack. Auch die Japaner mögen ihn, sagt Colin Ross.
"Ja, das tun sie! Bisher haben wir im Jahr etwa eine LKW-Ladung, also 28 Tonnen torfgedarrtes Malz verarbeitet. Aber am Ende dieses Jahres wird es wohl schon das Dreifache sein."
Dieses Malz besteht aus Gerste, die nach dem Keimen über schwelendem, feuchtem Torf gedarrt wird, erklärt der junge Mitarbeiter Ian Fife. Je feuchter der Torf, desto rauchiger werde das Malz. Doch was sagen Naturschützer dazu, dass in Schottlands Mooren ökologisch wertvoller Torf für die Whiskyindustrie abgebaut wird? Für diese Fragen ist die Destillerie die falschen Adresse, denn sie produziert ihr Malz nicht selbst. Sie beziehe es, sagt Ian, aus einer Mälzerei in der Nähe von Inverness.

160.000 Tonnen Lachs pro Jahr

Bevor ich mich auf den Weg weiter gen Norden Richtung Inverness mache, bleibe ich noch ein wenig an der Westküste. Denn auch hier hat sich etwas verändert. Millionen von Lachsen tummeln sich in Aquakulturen, sehr zum Ärger vieler Küstenbewohner. Inzwischen ist Lachs Schottlands drittwichtigstes Exportprodukt - nach Nordsee-Erdöl und Whisky. Nahe der Ben-Nevis-Distillery befindet sich die schottische Niederlassung der norwegischen Firma "Marine Harvest" mit dem Büro ihres Managers Steve Bracken.
"1971 hat Schottland gerade mal 14 Tonnen Lachs produziert. Heute sind es 160.000 Tonnen. Wir haben 47 Lachsfarmen und wollen immer noch expandieren, genauso wie unsere Konkurrenz."
Zur nächstgelegenen Lachsfarm von Marine Harvest musss Bracken nicht weit fahren. Eine knappe halbe Stunde mit dem Auto und dann noch mit der Fähre ans andere Ufer des malerischen Loch Linnhe.
Ein "Loch" bezeichnet im schottischen Gälisch beides: sowohl die langgezogenen Binnenseen, die die von eiszeitlichen Gletschern ausgeschabten Täler füllen – wie das berühmte Loch Ness – als auch die fjordähnlichen und ebenso langgezogenen Meeresbuchten und Meeresarme. Manche Lochs enthalten also Süßwasser, andere Salzwasser. Und an der zerklüfteten schottischen Westküste liegen beide nah beieinander. Dadurch eignen sie sich für die Lachszucht besonders gut. Denn Lachse leben sowohl im Salz- als auch im Süßwasser, je nach Entwicklungsstadium.
"Im Süßwasser ziehen wir die jungen Lachse, die Salmlinge, auf. Nach einem Jahr bringen wir sie dann auf die Farm im Salzwasserloch. Und nach einem weiteren Jahr "ernten" wir die Fische. Es folgt dann eine Brachperiode – wie es sie im Ackerbau auch gibt: eine Phase, in der die Farm ruht. Die Zeit nutzen wir, um die Geräte und die Anlage zu reinigen, um dann wieder von vorne anzufangen."
Starke Schlauchleitungen führen vom Ufer zur Zuchtstation. Sie transportieren das Futter zu den Lachsen. Menge und Zusammensetzung werden von Mitarbeiter Chris Ryan genau eingestellt.
Das Futter bestehe aus Fischmehl und Fischöl. Aber auch aus Pflanzeneiweiß und pflanzlichem Öl. Außerdem sind Vitamine und Mineralien beigemischt, ergänzt Steve Bracken – und ein Pigment, das die rosa Farbe vom Lachs erzeugt. Das Futter müsse auch gewährleisten, dass die langkettigen Omega-3-Fettsäuren und damit der hohe Nährwert vom Lachs erhalten bleiben.

Widerstand gegen die Lachsfarmen

Eileen Armstrong kann sich für den hohen Nährwert des Lachses wenig begeistern. Sie betreibt ein Gästehaus auf der Urlaubs-Insel Skye, ziemlich abgelegen, zweihundert Meter von einem kleinen Strand entfernt – in einem winzigen Ort namens Ord. Von ihrem Wohnzimmer aus hat man einen herrlichen Blick auf die Bucht von Loch Eishort. Auch da soll eine Lachsfarm hin, noch viel größer als die im Loch Linnhe. Geplant von der – auch hier wieder: norwegischen – Firma Grieg Seafood Hjaltland.
"Loch Eishort ist einer der friedlichsten Orte, die ich kenne. Besucher lieben diese Gegend, sie schätzen die Spaziergänge in dieser schönen Natur und die Stille. Sie baden an unserem Sandstrand und fahren Kajak. Mit einer Fischfarm in der Bucht wäre der Erholungswert dahin und unsere Gäste würden nicht mehr kommen."
Eileen Armstrong hat sich deshalb mit Umweltschützern in der Region zusammengetan, die noch ganz andere Argumente gegen Lachsfarmen haben. Der Biologe James Merryweather kann lange Vorträge halten über die biologische Vielfalt in den schottischen Lochs, die Langustinen, die korallenähnlichen Seefedern, das Seegras. Der Meeresboden eines Lochs sei ein ganz besonderes Habitat:
"Das Habitat von Loch Eishort würde sehr empfindlich reagieren. Eine industrielle Lachsfarm produziert Massen an Fischexkrementen. Die Firma selbst beziffert sie auf acht- bis neunhundert Tonnen pro Jahr. Eine enorme Menge. Sie werden sich nicht nur als Dreckschicht auf dem Meeresboden ablagern, was den Tod vieler Tiere und Pflanzen bedeuten würde. Gelöste Stoffe werden auch zu einer Eutrophierung beitragen, zu einer Anreicherung von Nährstoffen."
Roger Cottis hat sich ebenfalls dem Widerstand gegen die Lachsfarm angeschlossen. Auch er ein Biologe, Spezialgebiet Meeressäugetiere. Er sieht eines der Hauptprobleme der Lachszucht in den Krankheiten, die dort unfreiwillig gezüchtet werden:
"Diese Farmen sind eine Brutstätte für Seeläuse, die die Lachse befallen. Und wenn kranke Lachse von einer Lachsfarm entkommen, tragen sie die Seeläuse ins offene Meer und übertragen sie auf die wilden Lachse, aber auch auf Meerforellen. Die Lachsfarmen wiederum bekämpfen den Seelausbefall mit Chemikalien. Die landen aber dann auch im Meer und schädigen die Krustentiere."
(Chris Ryan): "If you get close enough with the camera, you can see the sea lice."
Im Büro von Lachsfarmmanager Chris Ryan stehen mehrere Monitore. Auf ihnen beobachtet er das Geschehen in den schwimmenden Netzgehegen, verfolgt, ob die Lachse das Futter akzeptieren, wie sie sich verhalten. Ob sie von Seeläusen befallen sind. Im Moment seien aber keine zu sehen.
"You see nothing.”
Steve Bracken führt das auf die neue Methode zurück, mit der Marine Harvest seit wenigen Jahren experimentiert. Statt mit Chemikalien werden die Seeläuse mit Hilfe ihres natürlichen Feindes bekämpft: Dem Lippfisch.
"Es stimmt, Seeläuse sind unsere größte Herausforderung. Wir setzen nun in jedes Netz, in dem die Lachse schwimmen, einen Lippfisch dazu. Wenn Seeläuse einen Lachs befallen, frisst der Lippfisch sie ihnen von den Schuppen. So konnten wir hier im letzten Produktionszyklus komplett auf Medikamente oder Chemikalien verzichten."

Der Großteil des Lachses geht nach Asien

Die wenigen bisherigen Versuche reichen allerdings nicht, um die Gegner der Lachsfarmen von der Lippfisch-Methode zu überzeugen. Mit Steve Bracken von Marine Harvest fahre ich noch im Boot zu einer der schwimmenden Inseln im Loch Linnhe und besichtige die Zuchtstation mit den Lachsen. Immer wieder springt einer aus dem Wasser. Doch dann:
"Was Sie da hören, ist ein Ton, der Seehunde fernhalten soll, die sich sonst durchs Netz beißen würden. Dieses Fiepen ertönt öfter, als es vermutlich nötig wäre – einfach um sicher zu gehen."
Diese Praxis nährt wiederum die Argumente der Lachsfarmgegner.
(Roger Cottis:) "Diese Töne schädigen das Gehör der Seehunde. Aber sie irritieren auch Schweinswale und Delfine. Diese Tiere verwenden akustische Signale zur Ortung und Kommunikation. Wenn sie diesen Tönen ausgesetzt sind, kann das dazu führen, dass sie stranden. Wir sehen tatsächlich strandende Wale rund um Skye – das ist ein echtes Problem."
Die Lachsfarm-Gegner auf Skye sind optimistisch, dass sie die vor ihrer Küste geplante Lachsfarm noch verhindern können – die Behörden haben Umweltargumente in jüngerer Zeit stärker berücksichtigt und Anträge auf eine Lachsfarm abgelehnt.
Der Boom der schottischen Lachsfarmen hängt auch mit politischen Verwicklungen zusammen: Schottland hat seine Lachs-Exporte nach China verdoppelt, seit Peking den norwegischen Lachs boykottiert – als Revanche dafür, dass das norwegische Nobelpreiskomitee dem chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo 2010 den Friedensnobelpreis verliehen hat. Also produzieren die norwegischen Aquakulturfirmen ihren Lachs nun verstärkt in Schottland und exportieren ihn von dort nach China – in solchen Mengen, dass Schottland seinerseits Lachs aus Norwegen importieren muss. Mit dem schottischen Lachs ist es so wie mit dem Whisky: Das meiste geht nach Asien.

Wie umweltverträglich ist getorfter Whisky?

Apropos Whisky. Da war ja noch eine Frage offen: Wo kommt der Torf her, mit dem die Destillerien dem Nationalgetränk seinen rauchigen Geschmack verleihen? Ist getorfter Whisky umweltverträglich? Während die meisten schottischen Destillerien ein beliebter Anlaufpunkt von Touristen sind, verirren sich nur wenige Schottlandurlauber in eine Mälzerei – dabei sind die viel größer und liefern das Ausgangsprodukt, das in den Destillerien schließlich veredelt wird.
Ich bin in Muir of Ord ankommen, einer Ortschaft westlich von Inverness. Strenger Malzgeruch liegt in der Luft. Im Hof der Mälzerei Glenord liegt eine LKW-Ladung von frischem dunklen Torf praktisch auf dem Boden herum.
Etwa 10 Prozent der Malzproduktion sei torfgedarrt, erläutert Betriebsleiter Alister MacKenzie.
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Eine Hand umfasst einen Torfklumpen© picture-alliance / Robert B. Fishman ecomedia
Der Torf kommt ganz am Schluss ins Spiel, nachdem die Gerste entstaubt, fast eine Woche lang in großen Trommeln immer wieder gewässert und auf diese Weise zum Keimen gebracht wurde. Doch vorher wird die Keimung gestoppt, indem das Malz über einem engmaschigen Gitterboden mit Hilfe warmer Luft getrocknet wird. Und manchmal wird diesem warmen Luftzug der Rauch schwelenden Torfes beigemischt. Dazu gibt es in Glenord einen etwa zwei Meter breiten, mit Ziegeln ausgekleideten Ofen, unterhalb der Trommel mit dem Malz. Alister MacKenzie zeigt auf einen flachen Haufen Asche – die Überreste des letzten Torffeuers.
"Früher gingen die Leute raus und haben hier in der Gegend Torf gestochen. Das war in der Zeit, als Torf auch noch als Brennstoff verwendet wurde. Heute beziehen wir unseren Torf von weiter her, aus dem Norden Schottlands."
MacKenzies Kollegin Clair Frazer versucht mir klar zu machen, dass die Malz- und Whiskyindustrie so geringe Mengen Torf benötige, dass die wertvollen Moorbiotope darunter jedenfalls nicht litten.
"Der Torf dient bei uns nicht der Erzeugung von Wärme. Uns kommt es auf den Rauch an, wir brauchen keine Flammen. Deshalb halten wir ihn feucht, so dass er so langsam wie möglich herunter schwelt. Je langsamer der Torf verbrennt, desto mehr Rauch."

Die Whisky-Herstellung schützt die Moore

Doch halten Naturschützer die Whisky-Industrie auch für unbedenklich? In Edinburgh treffe ich Clifton Bain von der internationalen Naturschutzorganisation IUCN. Er leitet ein internationales Programm zum Schutz der Moore.
"20 Prozent der Fläche Schottlands besteht aus Moorgebieten. 80 Prozent davon sind geschädigt. Ein Moor wächst so langsam – nur ein Millimeter pro Jahr. Torfabbau ist grundsätzlich nicht nachhaltig. In den Torfmooren ist auch eine Menge Kohlenstoff gespeichert, der als CO2 in die Atmosphäre geht, wenn ein Moor entwässert oder der Torf verbrannt wird. Die geschädigten Torfmoore in Großbritannien setzen so viel Treibhausgase frei wie die Städte Edinburgh, Leeds und Cardiff zusammen."
Doch die größten Sünden liegen in der Vergangenheit, als Torf zum Heizen abgestochen wurde und Landwirte die Moore entwässerten, um Weide- oder Ackerland zu gewinnen.
"Das Hauptproblem heute ist der Torfabbau durch die Gartenbauindustrie. Und die Windräder – Windräder stellt man gerne auf Bergkuppen oder in Talmulden, wo der Wind weht. Genau dort sind aber auch am ehesten Moore anzufinden, so dass die Turbinen samt den Zufahrtswege in Moore gelegt werden."
Und was ist jetzt mit dem Whisky?, will ich wissen.
"Naja, wenn man die Mengen betrachtet – das geht schon. Die Whiskyindustrie macht um den Torf so einen Zauber, deshalb denken viele, es gehe da um große Mengen, aber tatsächlich verwenden sie nur sehr wenig. Die Whiskyindustrie alleine wäre keine Gefahr für die Moore. Sie setzt sich im Gegenzug sogar für die Restaurierung von Mooren ein und schützt auf diese Weise die Moore mehr, als dass sie sie schädigt. Auch deshalb, weil Moore das Regenwasser filtern – und auch die Whiskyindustrie ist auf sauberes Wasser angewiesen."
Clifton Bains Meinung deckt sich mit der Position anderer schottischer Naturschutzverbände. Sie alle lassen auf die Whiskyindustrie nichts kommen. Aus Überzeugung? Oder vielleicht doch, weil es unpopulär wäre, sich mit dieser Branche anzulegen? Clifton Bain lacht:
"Jeder Schotte mag Whisky. Und wer ihn nicht mag, sagt es nicht."
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