Naturschutz

Bayern sucht die Super-Alm

Wolken ziehen über eine Alm bei Oberstaufen im Allgaeu in Bayern.
Almwirtschaft und Umweltschutz müssen Kein Gegensatz sein. © picture alliance / Julian Stratenschulte
Von Bettina Weiz · 29.09.2014
Kühe nur auf die Weide treiben, melken und irgendwann schlachten, das war einmal. In Zeiten von Umweltverschmutzung und Klimaveränderung sollen die Höfe auch noch artenreich, ökologisch und traditionell bewirtschaftet werden. Ein Wettbewerb soll dabei helfen.
Anna Gruber: "Komm, jetzt geh weiter, Schatzi, geh zu!"
Sie ist ein Schwergewicht, hat spitze Hörner und unendlich viel Zeit: Eine Kuh steht mitten auf dem Weg. Das Team der Almmeisterschaft kommt nicht an ihr vorbei. Die drei Naturschützerinnen im Allradauto sind an diesem verregneten Sommertag unterwegs zur Königsbachalm hinter Berchtesgaden.
Evi Köstler: "Die da hinten schaut mich schon so gefährlich an! Was machen wir jetzt? Zurückfahren. Wirst Du ein Stück zurückfahren, dann treib ich sie runter."
Anna: "Ja, treib sie mal zu der anderen. Ja."
Kim: "Jetzt hab ich den Foto nicht da."
Die Biologin Evelin Köstler von der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege ist die treibende Kraft hinter der Idee, die schönste Alm zu küren.
Evi Köstler: "Geh! Ausm Weg! Geh zur andern! Da rüber! Geh noch n Stück, komm geh. Brave, jetzt ist’s gut."
Eigentlich mögen Naturschützer keine Almstraßen. Die durschneiden so hässlich die schönsten Bergwälder. Und sie sind riesige Erosionsrinnen. Aber bei der Almmeisterschaft sind sie doch froh, dass es sie gibt.
Gruber: "Wir müssten sonst überallhin zu Fuß hingehen. Das würde viel zu lange dauern."
Auf den Almen angelangt werden sie sowieso noch viel wandern und alles genau ansehen.
Gruber: "Bei den ersten Almen, da hat ein bisschen Unsicherheit geherrscht, was wir da machen, ob wir da was kontrollieren, ob wir irgendwie was Schlechtes wollen, oder ob es irgendwelche Nachteile gibt, wenn man da mitmacht, weil natürlich die Almwirtschafter teils Berührungsängste haben, wenn das Wort 'Naturschutz' fällt."
Mit Dünger und großen Maschinen gegen die Artenvielfalt
Naturschützer – für viele Landwirte sind das die, die sich ihnen in den Weg stellen, mit Auflagen und Einschränkungen. Umgekehrt halten viele Naturschützer die Landwirtschaft mit ihren Giften, Düngern und großen Maschinen für die Hauptvernichterin von Vielfalt.
Auf einer Schweizer Alm steht eine Kuh mit einer Kuhglocke um den Hals und trotzt dem schlechten Wetter.  
Auf einer Alm steht eine Kuh mit einer Kuhglocke um den Hals.© picture alliance / dpa / Eddy Risch
Martin Springl: "Griaßt Euch"
Alle: "Griaß Di! /Servus! /bin die Evi. /Anna."
Evi: "Das ist aber schee, dass du Zeit hast!"
Martin: "Ja, es hilft eigentlich nix!"
Evi: "Ach so!"
Martin: "Aber bei dem Wetter ist eigentlich wurscht."
Landwirtschaft und Naturschutz: Bei der Almmeisterschaft treffen sie zusammen. Vom Chiemgau bis zum Salzburger Land machen 75 Almen mit. Zum Beispiel die Königsbachalm von Martin Springl.
Springl: "I hab gesagt, a mei, wemmer net... Da kannste eigentlich nichts verkehrt machen, ne. Denk mir."
Evi: "Man kann ja auch was Gutes gewinnen."
In verschiedenen Sparten gibt es je 1.500 und 1.000 Euro und Brotzeitkörbe.
Springl: "Ja, wegen dem Gewinnen... Aber i denk mir, unser Alm ist bestimmt genauso schön als wie die österreichischen oder wie die andern, warum soll man die net a bissl darstellen. Glaub, mir brauchen uns vor keinem verstecken. Sowieso net."
Evi: "Guter Beweggrund"
Martin: "Ja, weil man möcht ja aa – weil die Gotzn ist ja glaub i auch dabei, oder?"
Die Gotzenalm ist die Nachbaralm. Nicht dass die noch zur schönsten Alm erkoren wird, und nicht seine Alm!
Acht Seiten langer Fragebogen
Aber was macht eigentlich die Schönheit einer Alm aus?
Ein Wanderer:"Kein Kommerz."
...sagt der Wanderer. Dabei hat er sich gerade etwas zu trinken gekauft. Ist ja eigentlich auch kommerziell.
Wanderer: "Ach, det bisschen Milch, bisschen Käse! Das gehört dazu."
Anderer: "Paar Kühe, die Milch geben. Vielleicht noch ne nette Sennerin. Bisschen rustikal. So ländlich."
Anderer: "Im Wald gehört sie nicht rein, so ne Alm. Ne Alm gehört auf ne Wiese. Wie hier."
Kind: "Mama, Du bist diejenige, die immer in die Berge will."
Mutter: "Der schöne Weg. Grüne Wiesen, Blumen, Blick auf die Berge, vielleicht noch n See, ja."
Kind: "Ich interessier mich nicht für solche Sachen."
Anderes Kind: "Wenn da schöne Aussicht ist."
Mutter: "Margeriten ham wir gesehen, Klee haben wir gesehe."
Kind: "Ich habe auch Birken gesehen."
Anderes Kind: "Butterblumen."
Vater: "Ja, n anständiger Biergarten ist auch mit dabei lacht. Also die Bewirtschaftung muss auch zu dem ganzen stimmen. Das sollte natürlich ur-bayerisch sein. Ja, viel mit Holz, weißem Verputz, viele Pflanzen dabei.
Kind: "Und Licht auf der Toilette. Ich finde es schön, wenn es bisschen älter aussieht. Also schon was älter, aber noch in gutem Zustand."
Anderes Kind: "Also ich mag Tiere. Tiere sind immer eine gute Idee. Kühe."
Kind: "Aber meine Lieblingstiere sind trotzdem Pferde."
Dass die Almhütte eine traditionelle Fassade hat, dass Tiere auf der Alm weiden, und dass alm-eigene Produkte verkauft werden – dafür gibt auch das Gutachterteam der Almmeisterschaft Pluspunkte. Acht Seiten lang ist der Fragebogen für den Bewirtschafter.
Anna Gruber: "Und zwar was wir noch ankreuzen müssen, ob Du a Handwerk hier oben noch ausführst, was weiß ich, an Zaun selber baust oder Holzschindeln aufm Dach."
Martin: "Holzschindeln machen wir keine."
Anna: "Na, oder hast Du irgendeine Steinmauer, die hergerichtet werden muss."
Martin: "Naa, den Zaun halt umma."
Selbstgemachte Holzzäune waren einst eine aus der Not geborene Lösung. Die Arbeitszeit war billig, das Metall teuer. Heute ist es umgekehrt.
Gruber: "Ihr habt …"
Martin: "Stacheldraht hauptsächlich, ja, also die Abgrenzung von Alm zu Alm."
Anna:"Magst jetzt eigentlich mitgehen, wenn wir die Pflanzen anschaun?"
Blumen und Kräuter
Am meisten Zeit nehmen sich die Gutachterinnen der Almmeisterschaft für die Blumen und Kräuter. Eine schreibt die in Hüttennähe auf. Eine andere lässt sich vom Bewirtschafter die vielfältigsten Weidegründe zeigen und notiert dort.
Die Sennerin Lisa Schlagbauer mit ihren Kühen auf einem Bergkamm auf der Rampoldalm in Oberbayern am 15.07.2004.
Eine Sennerin mit ihren Kühen auf einem Bergkamm in Oberbayern.© picture alliance / dpa / Matthias Schrader
Gruber: "Die Standardarten sind die Braunelle, der Klappertopf, dann haben wir dieses stachelblättrige Labkraut, viel Kammgras ist hier, Rotschwingel, Strausgras, also Rotschwingel-Strausgras-Rasen ist eine typische Almweidegesellschaft, dann hier das Zittergras, es geht so weiter."
Sie stapft den Steilhang entlang. Ihr Blick geht konzentriert zum Boden.
Gruber: "Ah, und hier seh ich was Neues, das hatt ich bisher gar nicht, das ist die Fiederzwenke. Ein Trockenzeiger. Artipodium Pinatum auf lateinisch. Ich schreibe immer die lateinischen Namen auf, weil die deutschen Namen – es ist sehr variabel."
Sie richtet sich auf und hält ein Blättchen gegen den trüben Himmel. Ist es das gefleckte oder das perforierte Johanniskraut?
Gruber: "Hier ist es jetzt der Eisenhut, nur welcher, Plastiktüte raschelt, dann die Silberdistel wächst hier auch sehr viel, die ist verwandt mit der Artischocke und heißt auch ´Hirtenbrot`. Da hat man das innere, den Blütenboden eigentlich, auf dem die Blüten sitzen, gegessen. Weil das stärkehaltig ist denk ich und nahrhaft. Ah, da ist das Ruchgras, das riecht ganz stark nach Waldmeister, nach Kumarin, kann man für die Waldmeisterbowle auch..."
Als sie zwanzig Minuten lang kein neues Kraut mehr findet, steigt sie durch die nasse Weide wieder ab.
Gruber: "Hü! Jetzt hab ich mich auf den Hosenboden gesetzt – ja."
Die Gutachterin richtet sich wieder auf, schlüpft unter einem Zaun hindurch und schlägt sich durch struppigen, steilen Wald.
Gruber: "So! Hier ist noch die Graslilie, aha, jetzt befinden wir uns auf einmal in einem Niedermoor, erkennbar am Wollgras, das gibt Punkte, Niedermoore sind – oder überhaupt Moore – Biotope, die durch Entwässerung oder Trockenlegung selten geworden sind."
Ein paar Schritte, prompt sind Untergrund, Licht und Schatten sehr anders. Auch der Wind bläst nicht mehr so. Ein Bach plätschert daher. Eine Mure hat klobige Steinbrocken auf der Weide hinterlassen. Almen sind Mosaike aus Mini-Landschaften. Überall wachsen jeweils andere Blumen und Kräuter.
Gruber: "Kohldistel. Jetzt ist bald mein Zettel zu Ende von den ganzen Pflanzenarten. Ist mir auch noch."
Es geht um Anerkennung
Evi: "Intensiviert werden die Almen auch, in manchen Bereichen, dass man dann halt nicht mehr die alten, leichten Tierrassen rauf treibt, dass man nimmer traditionell bewirtschaftet, sondern dann halt auch mit Maschinen wirtschaftet, teilweise Dünger einsetzt und sich so die Almen teilweise auch irgendwohin entwickeln, wo sie jetzt diesen Wert sowohl für das Landschaftsbild, also für die schöne Heimat, als auch für die Artenvielfalt nimmer haben. Und mit diesem Wettbewerb geht es ja wirklich drum, dass man halt eine Anerkennung schafft. Für die, die das noch auf sich nehmen, traditionell zu bewirtschaften."
Was zum Beispiel Dünger auf der Alm bewirkt, zeigt sich in der Nähe der Hütte. Hier haben die Kühe offenbar ausgiebiger geweidet.
Gruber: "Hier schau, Kuhfladen, Kuhfladen, Kuhfladen."
Die Folge:
Gruber: "Hier, das sind halt jetzt echt so Allerweltsarten, Frauenmantel-Intensivweide."
Einheitsgrün. Fehlanzeige bei bunten Blüten, gar bei Orchideen, wie sie oben am Hang noch üppig wuchsen.
Köstler: "Die sind ja angepasst an die Bedingungen hier. Nährstoffarmut, Kalk, Wind, an den Boden auch, und wenn dann mehr Dünger da ist, dann wachsen natürlich diejenigen schneller, die einfach mehr Dünger brauchen, die mehr Nährstoffe brauchen, die decken dann die anderen zu, die sind dann hochwüchsig, höherwüchsig, und die beschatten die anderen, da sind einfach die Lichtverhältnisse anders, da können einfach diese vielen, schönen Almpflanzen überhaupt nimmer wachsen. Die können sich dann überhaupt nimmer durchsetzen."
Aktiv gedüngt wird auf bayerischen Almen aber selten. Das Problem ist, dass zuwenige Tiere das aufkommende Grün zu ungleichmäßig abweiden. Während Almen in den Zentralalpen oft über der Baumgrenze liegen und von Natur aus licht und bunt sind, waren bayerische Almen immer schon Menschenwerk. Hirtenkunst. Oft aus der Not geboren. Wie zur Zeit des Großvaters von Martin Springl. Da waren viel mehr Kühe auf der Königsbachalm als heute, außerdem noch 500 Schafe von Bauern aus dem Alpenvorland.
Springl: "Die hamse überall umanandtrieben, das kann man sich gar nicht vorstellen, wo die überall die Viehcher hintrieben ham. Wenn da jetzt ein Steig ist, dann ist für den Fußgänger ein Seil, und da hamse früher die Küh rauftrieben. Weil da jedes Fleckerl genutzt worden ist, weil die Leut ja so arm waren, die haben wirklich, wenn sie eine Kuh mehra ham durchfüttern können, hamse leichter überleben können. Das waren ja früher die ärmsten Teufel. Das ist ja erst durch den Fremdenverkehr, dass der Ferrari kommen ist. Früher waren sie froh, wenn sie a Zugkuh gehabt ham."
Seit 40 Sommern arbeitet Martin Springl auf der Königsbachalm. Sein Bruder ist der Bauer, er der Senn, vor allem aber der Wirt auf der Almhütte. Nächstes Jahr wird er 60.
Springl: "Ob da einer mit der Wirtschaft einer weitermacht oder mit der Alm, das weiß ich nicht. Keine Ahnung. Paar Jahr mach’s jetzt i noch, und dann muss man schauen. Mein Traum war, dass ich noch einen einarbeiten könnte, wer jetzt das auch immer ist."
Seine Tochter ist Krankenschwester und Heilpraktikerin in München. In der Stadt ist mehr verdient als auf der Alm, und zwar das ganze Jahr über. Kaum ein Bauer heute findet so beständiges Almpersonal wie noch damals, als Martin jung war – oder gar wie zur Zeit seines Großvaters.
Springl: "Die Leut ham auch kein Geld gehabt, und jetzt ist praktisch jeder übersättigt mehr oder weniger."
Die Armut hat die Almen in Bayern geprägt. In der Überflussgesellschaft bräuchte man sie nicht mehr. Fehlendes Futter könnte er leicht zukaufen, erklärt Stefan Baumgartner. Den hochgewachsenen Bauern mit dem Sträußchen erlesener Blumen am Strohhut trifft das Team der Alm-Meisterschaft am Geigelstein. Des Landwirts Gruß ist die Klage.
Baumgartner: "Es ist schwierig in der heutigen Zeit, das zu bewirtschaften. Die Arbeit, wo da drahängt. Das is a Haufe Arbeit, und die Rentabilität ist da fast nimmer gegeben."
Stefan Baumgartner deutet rund um seine propere Almhütte. Die Weiden sind steil und erstecken sich bis weit hinter den ersten sichtbaren Bergkamm.
Baumgartner: "Wie weit das auffi geht, wie viel Zaun da is, Wasserversorgung, Hüttenerhaltung, Wegeerhaltung, die Viehcher da rumtreiben, das ist a mords Arbeit. Wenn i mir Bauern anguck, die ihr Tiere ganzjährig im Stall halten, das ist viel billiger."
Das Geld kommt aus Brüssel
Tatsächlich werden auf immer weniger Almen in den Bayerischen Alpen Tiere aufgetrieben. Die Hauptprodukte der Almbauern von heute sind nicht mehr Käse und Butter, sondern schöne Landschaft und Artenvielfalt. Das Geld dafür kommt aus München beziehungsweise Brüssel.
Baumgartner: "Du kriegst auf der Alm dei Flächenförderung, und die Förderung ist wichtig, dass die noch bleiben."
Es fließen gut 600 Euro für jeden Hektar Alm über 1000 Meter Seehöhe inklusive Sennerin. Bei größeren Almen macht das unter dem Strich Zehntausende im Jahr. Stefan Baumgartners Berufskollege Josef Springl bringt es auf den Punkt:
Josef Springl: "Das ist eigentlich der Gewinn, was die Bauern haben."
Zum wirtschaftlichen Gewinn kommt der fürs Gemüt.
Stefan Baumgartner: "Bei uns ist so: die Alm ist immer schon beim Hof dabei, und wir halt die. Die Alm ist seit 500 Jahr bewirtschaftet, und i hoff, dass auch noch weiterhin bleibt."
Außerdem gibt es da die Romantiker aus dem Tiefland: Engagierte Naturschützer helfen unentgeltlich beim Schwenden, roden also in Gemeinschaftsaktionen hohes Gras und aufkommende Grünerlen und räumen sie weg. Und Stefan Baumgartner deutet zu Maria Schechner. Die hat er als Sennerin angestellt. Gerade treibt sie seine Rinder zur Tränke.
Baumgartner: "Die muss i zahlen, ja. Aber die ist – wegen am Geld muss es keiner machen auf der Alm."
Person: "Was kriegt sie?"
Baumgartner: "Das sag i jetzt net, aber viel net. Das sant Idealisten. Das san Idealisten. Vor 20 Jahren hättst no a Problem ghabt, jemanden zum Finden für a Alm. Aber heut san ja da viel da, vom Abiturienten bis zum Lehrer, die das amal machen möchten."
Maria, 24 Jahre, stammt aus dem Alpenvorland und hat ihren ersten Sommer auf der Alm verbracht.
Schechner: "Einfach als Erfahrung, wie das ist, wenn man mal ohne die ganze Zivila- Zivilisation da eigentlich leben muss. Also ohne Strom, mal ganz abgeschottet von dem ganzen Stress, den man da unten hat, wie die früher gelebt ham. Das hat mi einfach interessiert mal. Träumt hab ich schon lang davo, und von die Freundinne, i hab’s schon mitkriegt a bissl und gedacht, das war’s scho, es ist was, man macht’s nur, wenn man jung ist."
Sie strahlt im Sommersonnenschein.
Schechner: "Ja, scho. Mir gefällt’s auch gut. Das ist scho irgendwie was anders. Also mal total die Kehrseite was man halt unten hat. Und es san nur a paar Höhenmeter, was man da hat, aber trotzdem macht’s viel aus."
Im normalen Leben im Tal ist sie ständig auf Achse. Sie ist Besamungstechnikerin. Pro Tag besucht sie 20 bis 25 Höfe, befruchtet brünstige Kühe und verbringt dazwischen viel Zeit im Auto. Unter Termindruck. Mit Stress. Auf der Alm ist sie tagein, tagaus am selben Platz, hat aber auch mit Kühen zu tun.
Schechner: "Genau. Und i besam’s auch net lacht laut. Also das fallt jetzt da komplett wegat halt, weil in dem Gäu da Saisonabkalbung ist, und im Sommer wird halt einfach net besamt, wobei der Drang ab und zu dann da ist – wenn man dann sieht: O, die stiert, und ja – Samen her, Handschuh, und dann war’s glei erledigt. Das ist halt da dann neda. Aber man lebt ganz gut damit. – Molli, kimm!"
Sie mahnt Molli, die immer als letzte in der Herde ankommt und ruft die zaudernde Klara zur Ordnung. Liebevoll blickt sie Melka nach.
Schechner: "Das ist schon ein kleiner Liebling, sag i jetzat mal. Lacht. Na komm! Und man kennt sie irgendwann, man weiß, wie welche ticken und wie man sie treiben kann. War auch harte Arbeit. Ja, man muss sich dann schon durchsetzen."
Das Beste draus machen
Maria ist ein Glücksfall für ihren Bauern. Nicht alle Sennerinnen aus dem Tiefland schaffen es, den Kühen zu zeigen, wo es langgeht. Häufig sind die Almen deshalb ungleich abgefressen: zu sehr rund um die Hütte, und die ferneren Weidegründe wuchern zu. Wenn zwischendurch Zeit ist, holt Maria die Sense und mäht den Ampfer im Almgrund. Im 16. Jahrhundert weideten 200 Rinder und Schafe auf der Haidenholzalm, dazu noch Pferde auf der Rossalm oberhalb. Heute beaufsichtigt Maria Schechner kaum 30 Jungrinder. Die können die Alm nicht alleine freihalten. Also mäht Maria. Und macht das Beste draus.
Schechner: "Man kimmt scho zum Nachdenken. Also i weiß nit über was dass ich scho alles nachdenkt hab während der Arbeit, aber es ist scho, auf alle Fälle, und wenn i dabei noch was ausrichte, ist immer gut."
Sie ist den ganzen Almsommer oben geblieben – nur an einem Tag ist sie ins Tal hinuntergegangen: zu ihrer Hochzeit.
Schechner: "Jeder zeigt mir an Vogel, wenn i sag ´I geh zum Heiraten mal runter`."
In den Wochen vor der Hochzeit hat ihr Mann sie sonntags auf der Alm besucht.
Schechner: "Wir ham ja selber a Landwirtschaft aa, und so schön wie die Landwirtschaft ist, man ist, der Arbeitsplatz ist immer daheim, und da ist man immer tendenziell, dass man schnell sagt: `Ach, das macht man noch schnell.` Und heroben – ja, da muss er halt einfach – ja, da muss er a Ruh geben. Na, und er genießt es aa, und i genieß es aa, und es wird a mal ganz gut, wenn man einfach wieder mal den Alltag aussiblast. Und der wird da total aussiblasn. Von daher, es schweißt zusammen."
In Königssee trifft die Naturschützerin Evelin Köstler den Almbauern Josef Springl. Über dem achtseitigen Kriterienkatalog der Almmeisterschaft kommen die beiden ins Gespräch. Es geht auch wieder mal um Almstraßen. Die Naturschützerin kommt dem Bauern entgegen.
Köstler: "Es ist wichtig, dass die Almen weiter bewirtschaftet werden, und oftmals machen das die Bauern nimmer, wenn sie einfach keinen Weg dahin haben."
Und der Bauer kommt der Naturschützerin entgegen.
Josef Springl: "Naa, nicht ganz teeren, nur die Fahrflächen, wo man also fährt. Das ist zweimal a halber Meter, das würde reichen."
Evi: "Ich find, da muss man immer auch an Kompromiss finden."
Bauer: "Genau!"
Evi: "Manchmal ist es so, dass Naturschutzdinge im Vordergrund stehen, in anderen Bereichen stehen dann Bewirtschaftungsdinge im Vordergrund."
Inzwischen haben die Gutachterinnen der Alm-Meisterschaft alle Almen besucht und bewertet. Morgen entscheidet die Jury, welche die Sieger-Almen sind. Gewonnen haben werden am Ende alle, wenn Landwirtschaft und Naturschutz sich nicht gegenseitig im Weg stehen.