NATO

Ein Bündnis, das zählt

Von Norbert Mappes-Niediek · 28.02.2014
Vor 20 Jahren kam es zum ersten militärischen Einsatz in der 45-jährigen Geschichte des transatlantischen Bündnisses: Vier serbische Flugzeuge über Bosnien wurden damals von der NATO zum Abschuss freigegeben.
"This morning near Banja Luka over Bosnia-Herzegovina, two NATO fighters attached to Operation Deny Flight shot down four Galeb fixed-wing aircraft during the Galeb's violation of the United Nations' no-fly zone. The United Nations Security Council Resolution 816 bans unauthorized flights by all fixed wing and rotary wing aircraft in the airspace of the Republic of Bosnia-Herzegovina and it authorizes all necessary measures to ensure compliance with this ban. The NATO aircraft, two US Air Force F-16s, engaged six aircraft at 5:48 GMT. The pilots issued, in accordance with their rules of engagement, two 'land or be engaged' orders to the aircraft, and the aircraft ignored them. The NATO flight falcon F-16s engaged the planes and shot down four of them."
Nicht einmal eine Minute dauerte die offizielle Erklärung der NATO, und ihr Sprecher Jamie Shea gab sich erkennbar Mühe, so beiläufig wie möglich zu klingen. Am frühen Montagmorgen hatten zwei US-amerikanische Bomber nahe Banja Luka in Bosnien sechs serbische Flugzeuge aufgespürt, zur Landung aufgefordert und vier von ihnen, nachdem sie der Aufforderung nicht nachgekommen waren, abgeschossen - im ersten militärischen Einsatz in der 45-jährigen Geschichte des transatlantischen Bündnisses.
Dass der Sprecher das Ereignis so niedrig hängte, lag an Vorbehalten vor allem in Deutschland. Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets seien durch den NATO-Vertrag nicht gedeckt, argumentierten damals große Teile der Opposition aus SPD und Grünen. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl gab sich indes große Mühe, über die sogenannten Out-of-area-Einsätze keine offene Kontroverse aufkommen zu lassen. Außenminister Klaus Kinkel beschwichtigte noch Stunden nach dem Einsatz:
"Das wäre natürlich ein erster Einsatz der NATO, von dem ich nicht glaube, dass er zu Weiterungen führt."
Aber der befürchtete Aufschrei der deutschen Öffentlichkeit blieb aus. Aus der SPD kam sogar Zustimmung:
"Es werden nicht mehr nur Worte gemacht, sondern es wird auch gehandelt, wenn es notwendig ist, und das ist ein Pluspunkt."
So Hans-Ulrich Klose, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Schon wenige Wochen später konnte NATO-Generalsekretär Manfred Wörner, CDU-Politiker und vormaliger Verteidigungsminister, einen wesentlich schärferen Ton anschlagen.
"Halbe Maßnahmen genügen nicht. Die Allianz hat sich zu resolutem Handeln entschieden, wie in den Beschlüssen auf dem NATO-Gipfel vorgesehen. Die Lage erfordert Taten."
Neue Rolle der NATO nach dem Ende des Kalten Krieges
Während des Kalten Krieges hatte es als Daseinszweck der Nato gegolten, eben nicht eingesetzt zu werden. Als dann der Eiserne Vorhang fiel und der Warschauer Pakt, 1991 aufgelöst wurde, musste die NATO eine neue Rolle finden. Im früheren Jugoslawien herrschte gerade Krieg. Die Europäische Gemeinschaft, die sich zunächst zuständig gefühlt hatte, konnte die Kämpfe ebenso wenig beenden wie die Vereinten Nationen. In den USA setzten sich nach dem Wahlsieg des Demokraten Bill Clinton diejenigen durch, die für ein stärkeres Engagement in Europa eintraten. 1993 hatte der UNO-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone über Bosnien-Herzegowina eingerichtet. Die NATO bot sich an, sie zu überwachen. Fortan kreisten ihre Aufklärungsflugzeuge über dem Land, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Truppen der Allianz schießen würden.
Offiziell trat die NATO in Bosnien nur als eine Art bewaffneter Arm der UNO-Mission im Land auf. Generalsekretär Wörner betonte, die UNO noch nie im Stich gelassen zu haben:
"NATO so far never has let down the United Nations."
Einfacher: Tatsächlich aber übernahmen nach dem ersten NATO-Einsatz die USA im früheren Jugoslawien das Gesetz des Handelns: Im Jahr darauf halfen massive Lufteinsätze der NATO, in Bosnien die neuen Demarkationslinien durchzusetzen, auf die sich die Regierungen in Belgrad, Zagreb und Sarajewo unter westlicher Vermittlung im Groben schon geeinigt hatten.
Noch einmal intervenierten Truppen der Allianz im Kosovo, diesmal 78 Tage lang ohne Unterbrechung und ohne Mandat des Sicherheitsrates. Nach Nine-Eleven wurde zwar offiziell erstmals der Bündnisfall erklärt. Aber beim Angriff auf den Irak machten Deutschland und Frankreich nicht mit. Heute gibt die NATO nur im Ausnahmefall den Weltpolizisten, Ansonsten suchen sich die Amerikaner - und in Afrika die Franzosen - für Interventionen heute lieber sogenannte Koalitionen der Willigen.
Mehr zum Thema