Nahost-Experte sieht in Wasserfrage einen Grund für Ausbruch des Syrien-Krieges

Michael Lüders im Gespräch mit Marietta Schwarz · 09.09.2013
Nach Ansicht des Nahost-Experten Michael Lüders hat das Assad-Regime den Bürgerkrieg in Syrien auch duch seine Ignoranz in der Wasserfrage ausgelöst. Die zur Verfügung stehenden Wassermengen in Syrien, aber auch in der Türkei und im Irak, seien in den vergangenen zehn Jahren dramatisch zurückgegangen.
Marietta Schwarz: Immer mehr Konflikte werden in Zukunft um Wasser und Nahrungsmittel geführt werden, davor hat Klaus Töpfer in seiner Funktion als Chef des UN-Umweltprogramms UNEP schon vor vielen Jahren gewarnt. Umweltveränderungen führen zu mehr Überschwemmungen auf der einen und Wasserknappheit auf der anderen Seite.

Es verschwinden Anbauflächen, der Grundwasserspiegel sinkt – Letzteres trifft übrigens wie auf viele Länder im Nahen Osten auch auf das Bürgerkriegsland Syrien zu, wo die Landbevölkerung 2011 von einer der schwersten Dürren seit 100 Jahren betroffen war.

Es gibt Forscher, die sagen, der Bürgerkrieg ist auch ein Kampf um Ressourcen wie Wasser. Am Telefon ist der Nahostexperte Michael Lüders. Guten Morgen!

Michael Lüders: Schönen guten Morgen, Frau Schwarz, hallo!

Schwarz: Herr Lüders, die These, dass Wassermangel und die große Dürre den Bürgerkrieg in Syrien mit ausgelöst haben, die taucht ja immer mal wieder auf. Was halten Sie davon?

Lüders: Ich glaube, wenn man es verengt auf die Wasserfrage, dann würde man die Ursachen des Bürgerkrieges zu verkürzt darstellen. Aber sicherlich hat der Wassermangel insoweit eine Rolle gespielt, der Wassermangel in Syrien, als ja die Erhebung gegen Baschar al-Assad ursprünglich begann als eine Erhebung ärmerer, sunnitischer Teile der Bevölkerung, und diese Sunniten waren vielfach kleinere Händler in den Städten oder aber Bauern.

"Wassermangel "das größte Problem" im Norden des Landes"
Und insbesondere im Norden des Landes, wo die Rebellion mit ihre größten Erfolge gesehen hat, wenn man es so bezeichnen will, ist auch der Wassermangel das größte Problem gewesen. Insoweit spielt es eine Rolle, aber es ist keineswegs der ausschlaggebende Grund für den Bürgerkrieg.

Schwarz: Wie funktioniert denn die Wasserversorgung in Syrien?

Lüders: Im Grunde genommen sehr schlecht. Zunächst einmal muss man sagen, dass es in Syrien wie auch in anderen Ländern in der Region in den vergangenen Jahren immer wieder zu Regenausfällen gekommen ist, zu verheerenden Dürren, Sie haben es erwähnt. Am schlimmsten war es vor zwei Jahren.

Hinzu kommt, dass die Türkei in den 1990er-Jahren einen riesigen Staudamm gebaut hat auf ihrem Gebiet und damit die Wasserzufuhr des Euphrat in Richtung Syrien und Irak erheblich reduziert hat. Das hat die Wasserzufuhr in Richtung Syrien erneut reduziert. Dieser Bau in der Türkei des Staudamms hat übrigens dazu geführt, dass in den 1990er-Jahren der damalige Machthaber in Syrien, Hafiz al-Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten die PKK unter Abdullah Özalan massiv unterstützt hat und ihm in Syrien Asyl gewährt hat, als Bestrafung dafür, dass die Türkei es nicht für nötig befand, mit Syrien oder dem Irak Verhandlungen zu führen über die Wasseraufteilung.

Und erst, nachdem die Türkei bereit war, diese Verhandlungen mit der syrischen Regierung zu führen, hat Syrien damals, 1999, die Unterstützung von Abdallah Özalan bleiben lassen und ihn fallen gelassen. Dann wurde er von den Türken verhaftet und sitzt seither im Gefängnis.

Schwarz: Also schon ein Dauerproblem. Was hat denn der amtierende Präsident Assad gegen die Probleme, die durch die Dürren und die Wasserknappheit ausgelöst wurden, getan?

Lüders: Relativ wenig. Denn nicht nur die syrische Regierung, die Regierungen insgesamt in der Region, messen der Wasserfrage nicht genügend Bedeutung bei. Es gibt ein Bewusstsein darüber, dass Wasser ein Problem ist im Nahen Osten, da ist es ganz massiv.

Nur mal, um die Zahlen zu veranschaulichen: Die Wassermengen, die in der Türkei, in Syrien und im Irak zur Verfügung stehen, haben sich in den letzten zehn Jahren so dramatisch verkürzt, dass das fehlende Wasser der Fläche des Toten Meeres entspricht. Und die Hauptleidtragenden dieser Entwicklung sind Syrien und Irak.

Syrischer Soldat in einem Vorort von Damaskus: Heute beginnen UNO-Inspekteure ihre Untersuchungen zur den Giftgas-Vorwürfen
Syrischer Soldat in einem Vorort von Damaskus: Heute beginnen UNO-Inspekteure ihre Untersuchungen zur den Giftgas-Vorwürfen© picture alliance / dpa / Str
"Man müsste Bewässerungssysteme einrichten"
Aber der syrische Staat, unabhängig jetzt einmal vom Bürgerkrieg, hat eigentlich nie diese Strukturprobleme wirklich angegangen. Das hängt auch damit zusammen, dass das Land vielfach in den Händen von Großgrundbesitzern ist, die einfach illegal Grundwasser abpumpen und damit zur Krise zusätzlich beitragen.

Aber wenn man eine gerechte Wasserpolitik in Syrien oder im Irak betreiben wollte, dann müsste man natürlich auch die Kleinbauern einbeziehen. Man müsste Bewässerungssysteme einrichten. Das alles kostet sehr viel Geld, und man muss dann auch die Interessen der Feudalherren ignorieren. Man muss sie einbinden in eine entsprechende Regierungspolitik, und dazu war man unter der Regierung Baschar al-Assad nicht bereit, weil diese Feudalherren eben gleichzeitig auch wichtige Unterstützer waren der Politik von Baschar al-Assad.

Schwarz: Wassermangel, Sie haben es angedeutet, Herr Lüders, ist ein Dauerproblem im Nahen Osten, ja auch zum Beispiel im Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. Warum redet eigentlich kaum noch jemand darüber?

Lüders: Das Problem wird ein bisschen unter den Teppich gekehrt, weil es auf den ersten Blick kein großes Problem zu sein scheint. Die wenigsten sind sich darüber bewusst, dass Wasser ein so elementares Grundbedürfnis und Problem ist in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Für alle Staaten der Region. Im Jemen ist die Dürre mittlerweile so fortgeschritten, dass große Städte, darunter Taes, 200 Kilometer südlich von der Hauptstadt Sanaa gelegen, nicht mehr bewohnt werden kann. Es gibt dort keine Wasserversorgung mehr außer mit Wasser-Lkws.
Und deren Transport ist auf Dauer zu teuer.

Und im Falle Israel, Jordanien und den Palästinensern kommt natürlich hinzu, dass es politische Streitigkeiten gibt. Wasser ist ein eminent politisches Problem. So haben die Palästinenser im Westjordanland lediglich das Recht, 57 Kubikmeter pro Person im Jahr zu nutzen. Das ist viel zu wenig, um damit etwa Landwirtschaft zu betreiben. Die israelischen Siedler haben fünfmal so viel Wasser zur Verfügung. Und das Ergebnis ist der fast vollständige Ruin der palästinensischen Landwirtschaft.

Die Palästinenser dürfen im Westjordanland keinen einzigen Brunnen bauen ohne Genehmigung der israelischen Behörden, und diese Genehmigung bekommen sie in der Regel nicht. Also, Wasser wird hier zu einem Mittel des politischen Kampfes und führt natürlich zu gravierenden politischen Problemen. Und Jordanien beispielsweise weigert sich mittlerweile, mit der israelischen Seite in Wasserfragen zusammenzuarbeiten, solange die Palästinenser-Thematik so verfahren bleibt.

Schwarz: Der Nahostexperte Michael Lüders zur Wasserknappheit in Syrien und in der Region des Nahen Ostens. Herr Lüders, danke für das Gespräch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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