Nachtwei: Karsai ist "ziemlich hängen gelassen worden" in den ersten Jahren

16.05.2012
Der grüne Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei warnt im Umgang mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai vor westlicher Überheblichkeit.
Der frühere Bundestagsabgeordnete sagte im Deutschlandradio Kultur, Karsai sei in den ersten Jahren von der internationalen Gemeinschaft hängen gelassen worden. Deshalb sei es naheliegend, dass er sich auf landesübliche Herrschaftsmethoden und Machtsicherungsmethoden rückbesonnen habe.

Nachtwei sagte weiter, es gebe da außerdem ein "Schwarzer-Peter-Spiel", bei dem an allen Problemen angeblich immer die Afghanen schuld seien und sich die internationale Gemeinschaft reinzuwaschen versuche.

Die deutsche Rolle in Afghanistan bewertete Nachtwei sehr unterschiedlich: "In den Anfangsjahren bei der Internationalen Unterstützungstruppe ISAF eine ganz erhebliche und führende Rolle", sagte er. "Das ist mit der Zeit immer mehr zurückgegangen."

Mit dem Botschafter Michael Koch als Vorsitzendem der Internationalen Kontaktgruppe spiele die Bundesrepublik politisch weiter eine führende Rolle. Im ISAF-Hauptquartier in Kabul sei die Rolle dagegen sehr nachrangig. Im Norden Afghanistans und in den Augen der afghanischen Bevölkerung komme Deutschland wiederum eine viel wichtigere Rolle zu, so der Grünen-Politiker.

Nachtwei wies darauf hin, dass Gespräche mit den Taliban unumgänglich seien und lange dauerten. "Und das liegt auch daran, dass auch die Aufständischen keine geschlossene Organisation sind, mit widersprüchlichen Interessen." Dabei seien einige radikaler und andere eher pragmatisch orientiert. "Das ist auch Ausdruck einer internen Auseinandersetzung", so der Verteidigungsexperte.

Gespräch mit Winfried Nachtwei als MP3-Audio