Nachruf auf Christine Kaufmann

"Berühmt und unberühmt, geliebt und verachtet"

Christine Kaufmann am 24. April 2014 bei der Premiere des Fernsehfilms "Kommissar Dupin - Bretonische Verhältnisse" in München
Christine Kaufmann am 24. April 2014 bei der Premiere des Fernsehfilms "Kommissar Dupin - Bretonische Verhältnisse" in München © dpa / picture alliance / Ursula Düren
Von Peter Claus · 28.03.2017
Christine Kaufmann ist 72-jährig gestorben. Sie war mit Hollywood-Star Tony Curtis verheiratet, hatte Pech mit späteren Filmrollen und versuchte sich als Teleshopping-Moderatorin. An die Schauspielerin Kaufmann erinnert sich kaum jemand − zu Unrecht, meint Peter Claus.
Die bundesdeutschen bunten Blätter der 1950-er und frühen 60er-Jahre haben Christine Kaufmann geliebt − als eine der schönsten Schauspielerinnen des deutschsprachigen Raums. Und sie war nicht nur schön, sie konnte auch was. Das hat sie schon als Acht-/Neunjährige mit der Titelrolle im Schmachtfetzen "Rosen-Resli" bewiesen. Kaufmann brachte der bundesdeutschen Filmindustrie damit als herziges Waisenmädchen und auch mit x zweitklassigen Filmen danach Riesenprofite, etwa als Partnerin von Peter Krauss im Schlagerfilm "Alle lieben Peter":
"Au!" – "Schlimm?" – "Naja, es geht. "Die Zehen sind noch dran."
In späteren Jahren hat sie sich überaus kritisch an ihre Zeit als Kinderstar erinnert:
"Mir ist richtig schlecht geworden. Ich hab geglaubt, ich muss mich übergeben."
Die in Österreich geborene Tochter einer französischen Maskenbildnerin und eines deutschen Soldaten hat sich aus der Qual des frühen Ruhms herausgearbeitet – zu noch mehr Ruhm, in Hollywood.
Verholfen hat ihr dazu 1961, Kaufmann war 16, die noch heute beeindruckende Darstellung eines vergewaltigten Mädchens in der amerikanisch-schweizer Koproduktion "Stadt ohne Mitleid" an der Seite von Kirk Douglas. Christine Kaufmann gewann dafür den Golden Globe, in den USA die wichtigste Auszeichnung nach dem "Oscar", als beste Nachwuchsdarstellerin. Dann folgte, in Hollywood, "Taras Bulba":
"Ich liebe dich, Andrej, Ich werde dich immer lieben. Das weißt du doch."
Andrej – das war Tony Curtis. Die Filmküsse, die Christine Kaufmann mit ihm ausgetauscht hat, waren wohl von echter Leidenschaft – die zwei wurden ein Paar, heirateten 1963, bekamen zwei Töchter, und ließen sich nach fünf Jahren scheiden.
Christine Kaufmann mit dem amerikanischen Schauspieler Tony Curtis auf einer undatierten Aufnahme
Christine Kaufmann mit dem amerikanischen Schauspieler Tony Curtis auf einer undatierten Aufnahme© dpa / picture alliance

Pech mit den späteren Rollen

Christine Kaufmann hatte nicht nur Pech mit der Wahl ihres ersten Ehemanns, auch die Rollen, die sie sich in dieser Zeit ausgesucht hat, haben ihr kein Glück gebracht: Die Filme, die sie damals gedreht hat, sind heute zu Recht vergessen.
Zurück in Deutschland, Ende der 1960er-Jahre, wollte niemand mehr etwas von ihr wissen, weder das Publikum noch die Regisseure. Was sich Christine Kaufmann selbst mit ihrem Schauspiel-Stil erklärt hat:
"Wie ich spiele, das findet man in Amerika und England sehr gut, aber in Deutschland nicht, weil es gibt einen Standard – in Deutschland will man immer, dass man weiß, dass die Leute spielen. Das heißt, dass dieses Unechte immer mit dabei sein muss. Das Echte, das Authentische, das Gefühlte wird ein bisschen verachtet."
Die zickige Olga im skurril-komischen "Monaco Franze", der 1982/83 überaus erfolgreichen TV-Serie um einen Münchner Polizeikommissar mit Hang zu Höherem, brachte ein Mini-Comeback:
"Oga, sag mal was." – "Ja, also ich finde es wahnsinnig schade, dass der Sigfried heute Abend nicht dabei sein konnte, das finde ich wahnsinnig schade." – "Weil’s so schön war, Olga, gell?!" – "Ja!" – "Aha!"
Dann kam Fassbinder. Er besetzte Christine Kaufmann zwei Mal in kleinen, feinen Rollen, aus denen sie mit Präsenz und Können Kabinettstückchen gemacht hat, etwa als Nutte in "Lola":
"Gezählt hat keiner von denen." – "Aber gezahlt haben doch alle! Oder?"

Steile Karriere mit nachhaltigem Knick

Doch der ganz große Erfolg, die Anerkennung als Schauspielerin – das kam nie. Christine Kaufmann blieb präsent – 1999, mit Mitte 50, noch mal als Aktmodell im "Playboy", als esoterisch angehauchte Schönheitsberaterin in x TV-Kommerzshows, als Buchautorin, als Selbstvermarkterin. Anlässlich ihres 70. Geburtstags meinte sie resümierend:
"Ich bin einen ganz tollen Weg gegangen. Ich bin jetzt so lange berühmt gewesen und unberühmt, und verachtet und geliebt, dass ich, in der Zwischenzeit treff‘ ich Leute auf der Straße, die mich umarmen, weil ich bin wie eine Tante, die sie nicht persönlich kennengelernt haben, ein Schwester, eine Tante. Aber man muss sehr viel überleben, um in diesen Zustand zu kommen. Weil man für Menschen eine Bedeutung hat, die nichts mit dem zu tun hat, was man für sich selber empfindet."
Christine Kaufmanns Weg als Schauspielerin, das war eine kurze, eine steile Karriere mit nachhaltigem Knick. Ihre Ausstrahlung – stark, obwohl grazil, selbstironisch und sentimental zugleich – war bereits von Audrey Hepburn besetzt worden. Hollywood brauchte Christine Kaufmann nicht. Die Westdeutschen wollten Christine Kaufmann nicht mehr, nachdem es in Übersee nicht geklappt hatte.
Anders als Romy Schneider gelang es ihr nicht, sich als Charakterdarstellerin zu etablieren. Der so genannte Junge Deutsche Film hat ihr dazu auch nie die Chance gegeben. Einer der vielen Fehler, der das westdeutsche Kino, von wenigen Ausnahmen abgesehen, international ins Abseits katapultiert hat.
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