Nachholbedarf bei Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse

Malu Dreyer im Gespräch mit Gabi Wuttke · 17.02.2011
Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) warnt davor, die Finanzierung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse weiter ungeklärt zu lassen. Die Vorsitzende der in Mainz tagenden Integrationsministerkonferenz sagte, die Frage nach dem Geld sei bisher völlig offen.
Gabi Wuttke: Der iranische Arzt, der in Deutschland Taxi fährt, polnische Krankenschwestern, die in München, Köln oder Rostock putzen gehen – diesen Hunderttausenden das Leben zu erleichtern, darüber beraten derzeit die Integrationsminister der Länder, denn uns fehlen Fachkräfte. Im Deutschlandradio Kultur begrüße ich um 7.51 Uhr die Vorsitzende der Konferenz Malu Dreyer, Sozialdemokratin aus Rheinland-Pfalz. Guten Morgen, Frau Dreyer!

Malu Dreyer: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Wie lange könnten Sie es mit Ihrem persönlichen Stolz vereinbaren, wenn man Ihnen in einem anderen Land die Qualifikation Ihres erlernten Berufs absprechen würde?

Dreyer: Na ja, es ist ganz schwer, also das tut mir auch wahnsinnig leid. Also die Menschen haben es wirklich verdient, dass sie ihrer Berufsqualifikation entsprechend wirklich auch hier arbeiten können, und es ist sicherlich eines der großen Defizite und wo wir auch den großen Nachholbedarf haben, das endlich zu ermöglichen.

Wuttke: Warum wurden denn auch die ausländischen Fachkräfte von der Politik bislang immer als Problem und nicht als Potenzial gesehen?

Dreyer: Ich habe das nie so getan, das ist ja unterschiedlich von der Einschätzung her. Wir setzen hier in Rheinland-Pfalz sowieso eher auf die Potenziale und die Ressourcen als auf die Defizite, weil wir sagen, es ist eine Bereicherung für uns, und nicht erst, seit wir nach Fachkräften streben, sondern es ist tatsächlich so, dass wir eigentlich froh sein sollten über die guten Qualifikationen. Deutschlandweit, sagt man, warten 300.000 Menschen darauf, auf so eine Anerkennung, und das wird wirklich höchste Zeit, dass man etwas tut.

Wuttke: Wenn ich jetzt mal auf die Bundesebene gehe, dann hat aber auch Ihre Partei, die SPD, sich bei diesem Thema durchaus einen schlanken Fuß gemacht.

Dreyer: Ja, kann man wahrscheinlich so sagen, aber es war schon so, dass es in der letzten Legislatur auch in der Großen Koalition ja deutlich gemacht worden ist, man muss weiterkommen, was das Thema Anerkennung betrifft, und auch in der rot-grünen Regierung ist das durchaus ein Thema gewesen. Es ist ein kompliziertes Thema und wir sind wirklich sehr froh darüber, dass jetzt die Bundesregierung signalisiert hat, dass der Gesetzentwurf demnächst dann eben auch kommt. Es gibt einen Referentenentwurf dazu, und ich bin froh, dass wir jetzt endlich diese ersten Schritte auch tun.

Wuttke: Was könnte sich denn in Zukunft konkret ändern?

Dreyer: Ja, die Bundesregierung sieht ja vor in ihrem Gesetz, dass es tatsächlich einen Rechtsanspruch geben soll auf diese Gleichwertigkeitsprüfung beziehungsweise Anerkennung. Er sieht auch vor, dass das für Drittstaatler gilt, und das halte ich eben für extrem wichtig, dass es nicht nur für EU-Bürger gilt, denn da ist ja schon vieles angeglichen und angepasst worden, und auch, dass Teilanerkennungen möglich sein sollen.

Das heißt, dass bei einer Gleichwertigkeitsprüfung wirklich geschaut wird: Welche Module oder Teile der Ausbildung sind hier anzuerkennen und welche müssen nachqualifiziert werden? Es ist auch die Absicht, dass dann eben nicht die gesamte Ausbildung nachgeholt werden soll, sondern wirklich auch nur in diesen Teilbereichen, und das halte ich für einen ganz, ganz wichtigen Schritt.

Wuttke: Dabei ist es aber auch wichtig, dass die Länder Hand in Hand arbeiten?

Dreyer: Das ist in der Tat so, darüber ist auch gestern schon gesprochen worden. Wenn der Bund jetzt diese Rahmen konkretisiert hat, müssen wir eben auch auf der Landes- oder Länderebene wirklich miteinander in eine starke Abstimmung kommen. Es gibt ja eine Bund-Arbeits-Ländergruppe bei der KMK, und da werden wir auch noch mal vorstellig werden, denn es kann nicht Sinn und Zweck sein, dass jetzt jedes einzelne Bundesland mit der Handwerkskammer, mit der Ärztekammer überprüft, was ist denn eigentlich jetzt wirklich anzuerkennen, was ist gleichwertig, sondern wir müssen schon einen Weg finden, gemeinsam zu agieren und uns auch das Leben an dieser Stelle etwas leichter zu machen, aber vor allem den Migranten, dass die dann auch die Sicherheit haben, wenn sie eine Anerkennung in einem Bundesland haben, dass die dann auch wirklich gilt.

Wuttke: Sicherheit bei diesem Thema ist ja für Sie wahrscheinlich oder zumindest für diese Hunderttausende von Fachkräften gar nicht vorstellbar, denn die haben sich ja als ungeheuer flexibel erwiesen – in diesen Jahren, in denen sie in Deutschland leben –, mit Verhältnissen umzugehen, die ihrer Qualifikation überhaupt nicht entsprechen. Ist das jetzt nicht ein bisschen wohlfeil, diese Bewegung im Thema dann auch noch als Integration zu verkaufen?

Dreyer: Nein, das ist nicht wohlfeil. Man muss nicht beschönigen, dass wir da einen absoluten Nachholbedarf haben, tut auch keiner aus meiner Sicht. Trotzdem muss man sagen: Lange haben wir jetzt gewartet darauf, dass es ein Bundesgesetz gibt, ein Rahmengesetz gibt, und es wird Zeit, dass wir das tun, was wirklich auch angesagt ist in der Integration, nämlich den Menschen auch ein Stück weit die Möglichkeit aber auch die Würde zurückzugeben, in ihrem Beruf zu arbeiten.

Und wenn man deutschlandweit so intensiv über Integration debattiert und vor allen Dingen Integrationsverweigerer in den Mittelpunkt stellt, dann erst recht, denke ich, muss man den Menschen gerecht werden, die ja gerne täten, aber sich mit ganz anderen Dingen eben auch abfinden müssen, weil wir es nicht schaffen, in Deutschland die Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten.

Wuttke: Auch in Rheinland-Pfalz stehen demnächst Landtagswahlen an und für die Integrationspolitik wird es weniger Geld geben. Ist das auch bei diesem Thema Qualifikationsanerkennung ein "Casus knaxus"?

Dreyer: Das Geld ist im Moment sowieso eine ganz ungeklärte Frage. Es ist nicht vorgegeben in dem Entwurf, der uns jetzt vorliegt, wer eigentlich die Kosten trägt in Zukunft zum Beispiel für die nachholende Qualifizierung, für die Gleichwertigkeitsprüfungen, für die Feststellungen. Darüber wird zu sprechen sein zwischen dem Bund und Ländern, sicherlich hat jeder da auch seinen Beitrag zu leisten.

Wuttke: Deutschland und die Integration ausländischer Fachkräfte, dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur die Vorsitzende der Integrationsministerkonferenz Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz. Ich danke Ihnen, Frau Dreyer, schönen Tag!

Dreyer: Danke, Frau Wuttke, ebenfalls, tschüss
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