Nach der Schule wird gesungen

Von Georg Gruber · 27.09.2013
Im oberbayerischen Sachsenkam kennt man keine gesanglichen Nachwuchssorgen. Das 1200-Einwohner-Dorf hat einen Frauenchor, einen Männerchor und einen Kirchenchor - außerdem noch einen Kinder- und Jugendchor, der wegen seiner Musical-Projekte regen Zulauf hat.
"Sachsenkam, glaub ich, ist so das Dorf der Vereine. Wir haben 23 Vereine im Dorf und alle relativ aktiv. Und ich denk mir immer Sachsenkam gehört eigentlich nirgends dazu, Sachsenkam ist so alleine von der Lage, wir haben außen rum nur Wald, sind Landkreisgrenze, also müssen wir einfach selber schauen, dass wir selber aktiv sind und durch das glaube ich kommt das, dass die Vereine soviel Zulauf haben."

Maria Huß hat vor 15 Jahren den Kinder- und Jugendchor Sachsenkam gegründet, mit sieben Kindern. Heute sind es rund 50 verteilt auf drei Altersgruppen. Donnerstagnachmittag treffen sich zuerst die Kleinen, die Spatzen.

"Wenn ich aus der Schule komm', ist es ein ganz schönes Gefühl, wenn man dann zum Chor geht und singt."

"Mir gefällt am Chor, dass wir immer so coole Liedeln singen, ein Lieblingslied hab ich nicht, mir gefallen eigentlich fast alle gut"

Das Repertoire ist breit gefächert:

"Ist jetzt ein großes Konzert, wie das Frühjahrskonzert vom Männerchor, dann sucht man eher klassische Chorliteratur aus, wo auch etwas Können gefragt ist, wo man ein bisschen gefordert ist. Singt man in der Kirche, macht man geistliche Literatur, Gospel, die Spatzen haben jetzt mal gesungen auf der Jahreshauptversammlung von der Verkehrswacht Bayern mit Innenminister Hermann haben die singen dürfen, die singen dann bayerische Willkommenslieder oder Schulweglieder, je nachdem was gefragt ist."

Nach den Kleinen kommen die ganz großen, der Jugendchor, ab der 6. Klasse. Einige der Mädchen sind in Tracht, weil sie nach der Chorprobe zur Plattlerprobe gehen, zum Volkstanz. Die meisten sind schon lange dabei:

"Ich bin da, weil es einfach Spaß macht in der Gemeinschaft zu singen und die Musicals und Chorwochen, das macht einfach immer viel Spaß."

"Vor allem die Musicals, wenn man davor in den Umkleiden sich fertig macht, und die Aufregung, wenn man dann auf die Bühne geht, es macht einfach Spaß."

"Das ist eigentlich voll lustig, weil alle beieinander sind und wenn man dann zusammen singt und dann alle klatschen am Schluss, das ist dann ein schönes Gefühl."

Die Musical-Aufführungen – auch deshalb hat der Chor keine Nachwuchssorgen. Maria Huß hat im Laufe der Jahre schon fünf verschiedene einstudiert, die ersten noch ohne größeren Aufwand auf einer kleinen Bühne, drei mal fünf Meter groß. Das ändert sich beim dritten Stück, 2005, bei den Proben zu "Peter Pan":

"Dann haben wir Generalprobe gehabt, in der Turnhalle, auf so einer kleinen Bühne wieder und dann haben die Eltern zugeschaut, und dann war so ein Raunen: Boah, was machen die da!? Und dann sind unsere Eltern aktiv geworden, dann haben wir bis zum ersten Auftritt eine Lichtanlage bekommen, die haben die dann gleich organisiert, paar Väter, wir sind zuerst auf Tournee gegangen, nach Otterfing, dann haben wir es in Irschenberg gespielt, und dann sind wir wieder zurück nach Sachsenkam gekommen, und in diesen zwei Wochen, wo wir unterwegs waren, haben wir eine komplett neue Riesenbühne bekommen, mit Vorhang, Lichtanlage, Tontechnik, das war irre. Und so war das Projekt Musical im Chor da, das war einfach da."

Die Aufführungen werden ein großer Erfolg, 1000 Leute sehen das Stück. Drei mal ausverkauft. Dann zwei Jahre später das nächste Musical:

"Viermal ausverkauft. Irre, das war unbeschreiblich, was da abgegangen ist, das Ganze im Hintergrund, die Eltern sind aktiv, wir haben Arbeitsgruppen, mit Kostümen, mit Maske, das ist absolut professionell, vom ganzen Ablauf her, und da muss ich meinen Eltern sehr danken."

Maria Huß scheint Energie im Überfluss zu haben. Die 39-Jährige ist Mutter von fünf Kindern und betreibt mit ihrer Familie das älteste Wirtshaus im Ort, mit eigener Landwirtschaft.

"Der Chor und die Musik ist auch mein Ventil, um dann daheim wieder meinen Mann zu stehen und alles zu managen. Das ist einfach meine Kraftquelle, andere gehen auf den Berg, ich mach Chorprobe."

Beim Singen geht es ihr nicht um Perfektion, um den letzten Schliff, die Kinder brauchen zu Hause auch nicht zu üben.

"Bei uns ist einfach: Kommen, singen, Spaß haben, Freude haben und wieder heimgehen."

Maria Huß hat so schon viele kleine Sängerinnen und Sänger ein Stück Weges begleitet:

"Man freut sich mit ihnen, man trauert mit ihnen, man leidet mit ihnen, man kriegt sehr viel mit wie sie ihren Lebensalltag meistern müssen oft auch, mit Schule, und ja, aber es ist ein freundschaftliches Verhältnis, möchte ich jetzt mal sagen. Mein Ziel ist es, den Kindern einfach Spaß an der Musik mitzugeben auf den Weg, dass sie später, wenn sie mal was brauchen, was suchen, irgendein Schlupfloch, dass sie sagen: Singen war schön, Musik war toll - das will ich wieder machen."

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