Muskelmann made in Japan

Von Sarah Zerback · 16.04.2012
Musiker, Visual Jockey, Journalist, Kameramann und Regisseur - mehr Berufe kann man wohl gleichzeitig kaum ausüben. Der Mann, der das schafft, heißt Kosei Takasaki. In der Visual-Szene hat sich der "japanische Schwabe" Ende der 90er als "Kokomono" einen Namen gemacht.
Zwischen Verstärkern, Laptops und Lautsprechern hockt Kosei Takasaki vor dem Mischpult. Der winzige Proberaum ist komplett mit blauem Teppich verkleidet. Nebenan spielt eine Punkband. Hier, mitten im Berliner Stadtteil Friedrichshain, trifft er sich einmal pro Woche mit zwei Bandkollegen. Zusammen sind sie das Elektro-Kollektiv "He Man Trust On Power Dust."

Es ist keine reine Elektro-Band. Jeder spielt mindestens ein Instrument. So wollen sie den Club-Sound mit dem Live-Charakter einer Band verbinden.

"Wir spielen Instrumente live ein. Zum Beispiel Bass, Gitarre, dann über die Keyboards, die Tastatur, kannst du ja auch elektronische Instrumente einspielen. Und das machen wir sowohl bei der Musikproduktion als aber auch live."

Passend zu den Beats, zuckt ein Video über einen der vielen Bildschirme im Raum. Neonfarbene Blitze, Gesichter und Szenen aus dem Alltag – all das vermengt sich zu einer rhythmischen Bilderflut. Die einzelnen Video-Elemente werden beim so genannten VJing über die Knöpfe und Regler am Mischpult abgespielt und an eine Leinwand hinter dem DJ projiziert. Eine Kombination aus Improvisation und festem Plan.

"Dadurch, dass sie live gemischt werden, entsteht ja immer was Neues. Es ist ja nicht so, dass du einen Knopf drückst und dann läuft das Ding ab und ich gehe mal an die Bar und hole mir einen Drink. So funktioniert das ja nicht! Du bist ja immer im Live-Mix und dadurch sieht das immer anders aus. Und beim Live-Mixen gehst du halt immer mit dem Beat mit."

In der Band ist der 33-Jährige hauptsächlich für den musikalischen Part zuständig. Neuland für den Vollblut-VJ, der jahrelang Videos zur Musik anderer Künstler gemischt hat. Dabei verwendet er weniger grafische Elemente als viele seiner Kollegen, sondern will vor allem Geschichten erzählen. Meist sind das ganz persönliche Dinge aus seinem Leben. Wie seine "Reise ins Ich" – ein VJ-Set, das er bei einem Festival in Bochum aufgelegt hat.

"In der Zeit war ich zum Beispiel viel in Tokio. Also habe ich da viele Bilder aus Tokio, diese Landschaft, dieser Betondschungel, aber auch Leute, die einem da begegnen oder so kleine Situationen, gemischt mit einem Kurzfilm, den ich mit einem Freund gemacht hatte und habe sozusagen versucht, diese zwei Erfahrungen zu mischen zu so einer Art Reise."

In der Szene ist der Halbjapaner seit Ende der Neunziger unter dem Namen "Kokomono" bekannt. Mono, weil er seit einer Mumps-Erkrankung auf dem linken Ohr taub ist. Koko ist Japanisch für "Die Dinge" und außerdem sein Spitzname aus Kindertagen.

"Ich sag immer: Ich bin made in Japan, aber geboren in Deutschland.

Mein Vater ist ja Japaner und meine Mutter kommt aus Schwaben, also bin ich der schwäbische Japaner oder der japanische Schwabe, wie auch immer."

Aufgewachsen ist er in Deutschland. Nach der Trennung der Eltern, ging sein Vater zurück nach Tokio. Seine Mutter stirbt, als er zehn Jahre alt ist.

Der Wahl-Berliner ist mit einer Japanerin verheiratet und hat zwei kleine Töchter. Tagsüber arbeitet er als Video-Journalist und Kameramann. Denn vom VJing allein könne man nicht leben. Die deutsche Visual-Szene ist eher überschaubar. Und der VJ an sich, wird oft nicht mal als eigenständiger Künstler wahrgenommen.

"Dann ist es in der Regel so, dass mindestens ein Mal, wenn nicht zwanzig Mal, an einem Abend jemand kommt und fragt: Sag mal, kannst du nicht irgendwas anderes auflegen und haste nicht gesehen. Also die Leute erkennen einen nicht als einen, der die Visuals macht, sondern sie gehen immer davon aus, dass man die Musik macht, lustigerweise."

Ganz anders in Japan. Dort hat er Internationale Politik, Japanisch und Geschichte studiert und sich langsam von der Haus-Party zum großen Club hochgespielt.

"Man kann schon sagen, dass in Japan die Visuals viel mehr respektiert wurden, werden. Also die Leute sind zu mir gekommen und haben gefragt, kannst du den Videoclip sogar spielen. Und das ist mir halt noch nie passiert."

Asiatische Einflüsse sind bei Stücken wie diesem unüberhörbar. Für "Dude Lee" verwendet das VJ-Kollektiv um Takasaki zum Beispiel Ausschnitte aus Kung-Fu-Filmen der Siebziger Jahre.

Exotisch ist auch die Bühnenperformance. Alle drei Bandmitglieder schlüpfen für ihre Auftritte in Rollen. Takasakis Charakter ist der Kinniko-Mann – japanisch für Muskelmann. Bekleidet mit einer Maske, die der eines Wrestlers ähnelt, transportiert der kräftige Ein-Meter-Neunzig-Mann viel Energie auf die Bühne.

"Wenn ich da rausgehe, versuche ich eben auch dieses Krasse, das Körperliche mit reinzubringen. Ohne jetzt irgendwie den Muskelmann zu spielen."

Er bezeichnet sich selbst als "Rampensau" der Band. Schreit auch hin und wieder aus Leibeskräften ins Mikro. Durch die Maske fällt ihm das leichter. Denn so viel Aufmerksamkeit ist er als VJ nicht gewohnt.

Die Band ist sein momentanes Herzensprojekt, in das er viel Energie steckt. Ausgelastet, ist das Multitalent damit aber noch lange nicht.

Was mich eigentlich immer beschäftigt hat, ist der Begriff des Nichts. Dass es ein Wort für etwas gibt, das es nicht gibt, fand ich schon immer interessant. Und die Idee dahinter, die beschäftigt mich schon ziemlich stark.