Musikunterricht

Loops, Beats und Apps

Von Andrej Tschitschil  · 15.01.2014
Die Blockflöte hat wohl bald ausgedient. Elektronische Geräte und Software drängen in die Musikschulen. Sie ermöglichen einen intuitiven Zugang zu Rhythmus und Melodie - und vielen verschiedenen Instrumenten.
"Ich bin JJ, ist mein Künstlername, wir haben hier das Projekt Touching Music, wir arbeiten hier mit iPads an Apps, zum Beispiel Figure, da versuchen wir unsere eigene Musik zu machen."
Touching Music ist ein Projekt der Berliner Musikerin Stefanie Hartwig. Ein Jahr lang begleitet sie Schüler an verschiedenen Berliner Grundschulen und unterrichtet einmal wöchentlich parallel zum Musikunterricht. Im Gepäck hat sie acht iPads, ein portables Mischpult, ein Mikrofon und viele Kabel. Das Ganze passt in einen Reisekoffer.
Stefanie Hartwig: "Die Kinder motiviert vor allem, dass sie sofort ihre Songs umsetzen können. Sofort Ergebnisse erzielen und sich auch im Internet zum Beispiel sehen, das finden sie super und sie haben einfach Spaß daran, immer wieder einen neuen Track zu machen. Immer wieder den zu zeigen, den vorzuführen. Sie fühlen sich dann einfach, ja, besser, als wenn sie jetzt an einem Instrument sitzen, das ewig üben. Das ist ja ein ganz langer Prozess und so haben wir einfach einen kurzen Prozess der einfach viele Vorteile bietet, für die Persönlichkeitsentwicklung, für das Sozialverhalten vor allem."
Spielen mit den Apps
In kleinen Teams von sechs bis acht Schülern lernen die Kinder spielerisch verschiedene Anwendungen kennen. Jedes Kind musiziert dabei auf einem iPad, das über ein Mischpult mit den anderen verbunden ist. Das Tablet wird dabei zu einem vollwertigen Instrument und kann verschiedene Instrumente simulieren. Die Ergebnisse stellt Stefanie Hartwig auf ihre Internetseite. So können die Kids ihre Ergebnisse anhören, bewerten und verbreiten. Klicks und "Likes" sind dabei genauso wichtig, wie das Musizieren an dem Tablet. Ziel des Projekts ist es, zeitgemäße Musikproduktion zu lehren und Tablets kreativ zu nutzen.
Mit der Nutzung von softwarebasierten Instrumenten in der Musikproduktion verändert sich auch der kreative Prozess des Musizierens. Native Instruments aus Berlin ist Marktführer im Bereich der Softwareinstrumente. Neben virtuellen Instrumenten, die am Computer den Klang von klassischen Instrumenten simulieren, veröffentlichte die Berliner Firma Ende 2013 die dritte Generation eines neuartigen Musikinstruments, der Maschine. Das Gerät ist so groß wie ein Schallplattenspieler. Der Nutzer kann 16 verschiedene Knöpfe, sogenannte Drumpads mit Sounds belegen und mit ihnen jeden Takt bis zum fertigen Song programmieren.
Tobias Thon von Native Instruments:
"Je nachdem in welchem Genre ich Musik machen möchte, suche ich mir dann die passenden Sounds zusammen und spiele dann ein. Das heißt, ich kann Keyboardlinien spielen, ich kann Schlagzeugspuren einspielen, Flächen, Klänge, Orchesterklänge, Naturinstrumente, abgefahrene synthetische Sounds."
Kreativ sein ohne Grundausbildung
Das Prinzip des Geräts erfreut sich großer Beliebtheit bei der Produktion von populären Musikstilen, wie Hip-Hop oder Techno. Hier stehen wiederholende Elemente, die Loops, treibende Bässe und das Arrangement im Vordergrund. Viele Jugendliche üben sich im Programmieren von Beats ohne musikalische Grundausbildung und langwidrigem Instrumentalunterricht - das Kerngeschäft in der Musikschule.
Tobias Thon: "Typischerweise geht es in der Musikschule ja um das Erlernen eines Instruments. Und ein System wie Maschine eröffnet da natürlich ganz neue Möglichkeiten, denn hierbei geht es ja um Musikproduktion. Das heißt, ich spiele nicht einfach irgendetwas nach, was irgendjemand mal komponiert hat. Sondern ich mach meine ganz eigene Musik. Ich bin gleichzeitig der Komponist, ich bin der Arrangeur, ich bin der Produzent, ich misch das Ganze ab, ich verfeinere den Klang. Das heißt, das Ganze ist ein viel universelleres kreatives Prinzip.
Ich denke das ist natürlich auch eine Herausforderung für die klassische Musikschule. Aber gerade für junge Leute, die ihre ganz eigenen musikalischen Vorstellungen haben, auch ein total spannendes, kreatives Betätigungsfeld."
Mit den neuen digitalen Produktionsmöglichkeiten stehen die Musikschulen und auch der Musikschulunterricht vor neuen Herausforderungen. Es fehlen pädagogische Konzepte, Erfahrungswerte bzw. die Ausbildung des Personals. Gleichzeitig nimmt die Zahl der jungen Erwachsenen, die semiprofessionell oder in ihrer Freizeit Musik machen wollen zu. Die Geräte sind erschwinglich.
Diesen Trend hat auch die Noisy Music World in Berlin Friedrichshain erkannt. Mit der Noisy Academy orientiert sie sich an den aktuellen Produktions- und Arbeitsweisen im Musikbusiness. Die Schule bietet Schulungen für Musiksoftware, Musikwissen, Musikbusiness an.
Robert Witoschek ist Leiter der Academy. Er ist überzeugt von den neuen Möglichkeiten, die diese Produktionsmittel bieten:
"Für viele Leute, die vielleicht Berührungsängste haben, was Notenschrift betrifft, was klassische Musikausbildung betrifft, sind diese technischen, sehr intuitiv und selbst erklärenden Hilfsmittel ein super Einstieg. Um dann doch irgendwann dabei zu landen, sich auch wirklich mit der großen Kunst der Komposition und des Arrangierens von Musik auseinander zu setzen."
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