Musikpionier Jaco Pastorius

Ein Ass am Bass

Ein weißer E-Bass (Model Fender Jazz Bass) steht neben einem Effektgerät auf einem Teppich in einem Proberaum.
Am E-Bass beherrschte Jaco Pastorius fast alle Stile, sogar karibische Musik. © picture alliance / ZB / Alex Ehlers
Von Michael Kuhlmann · 03.02.2016
"Wir stehen alle auf Jacos Schultern", sagt Popstar Sting über den weniger bekannten, aber umso einflussreicheren Bassisten Jaco Pastorius. Eine Doku erinnert an den Ausnahmemusiker, dem schwierige Lebensumstände und eine psychische Erkrankung zum Verhängnis wurden.
Es war an einem Sommertag 1975 am Strand von Florida. Bobby Colomby erblickte eine von Kopf bis Fuß betörende Blondine und nahm Anlauf zu einer vollendeten Balz-Attacke. Doch die Dame parierte sofort: Sie sei schon vergeben, und zwar an den besten Bassisten der Welt.
Bobby Colomby dachte sich, es könne immerhin ein schöner Spaß werden, sich über diesen Hochstapler kaputtzulachen, und so leierte er für den nächsten Tag ein kleines Vorspiel an. Dort allerdings blieb ihm die Spucke weg. Für diesen Jaco Pastorius organisierte Colomby schon bald eine Aufnahmesession.
"So was kann man nicht lernen"
Schlicht Jaco Pastorius hieß die Debüt-LP, und sie glich einer Musikrevolution. Flea, der Bassist der Red Hot Chili Peppers, bringt Jacos Bedeutung auf den Punkt:
"Alles änderte sich mit ihm. Er zerfetzte, was vorher gewesen war. Er hat einfach die Regeln dessen verändert, was auf dem Baß möglich ist."
Zwei Stunden lang erzählt der neue Dokumentarfilm von diesem Ausnahmemusiker. Mit einer Fülle historischer Bilder und auch privater Filmausschnitte. Nur ein kleiner Teil des Materials war zuvor bekannt – etwa Ausschnitte aus einem Lehrvideo, das Jaco Pastorius Mitte der 80er Jahre produzierte. Interviewt hat ihn dort sein Kollege Jerry Jemmott – selbst Bassist bei Aretha Franklin. Jemmott drückt nun auf seine Art aus, was das Besondere an Jaco war, daß bei ihm jeder einzelne Ton Seele hatte.
"Das waren keine einfachen Töne. Sie hatten Gefühl, sie hatten Bedeutung, und sie hatten Charakter. So was kann man nicht lernen – Jaco konnte einfach das spielen, was er im Herzen hatte."
In seiner Jugend in Florida hatte Pastorius viele unterschiedliche Stile gespielt. Von R&B über Country bis hin zu karibischen Klängen. Das verhalf ihm zu einem weiten Horizont. Den Sprung ins Rampenlicht schaffte er 1976: er wurde Bassist der damals brillanten Fusion-Band Weather Report. Deren Kopf Joe Zawinul erinnerte sich an folgende Situation im Studio, als er der Band ein neues Stück mitbrachte:
"Da gab's dies kleine Thema am Anfang, für das mir Jacos Ton ideal schien. Wir nahmen das Stück auf, und anfangs spielte er viel zuviel. Da ließ ich die Bänder stoppen und sagte zu ihm: 'Wir wissen alle, daß Du spielen kannst. Vergiß das alles – Du hast einen wunderschönen Ton – nutz diesen Ton!' – und was dabei rauskam, ist auf der Platte."
Hochambitionierte Projekte
Der Ruhm allerdings war ein zweischneidiges Schwert. Denn Jaco fühlte sich unter Druck gesetzt. Rückblickend wurde festgestellt, daß Pastorius an einer manisch depressiven Erkrankung litt. Ihn packte zum Beispiel die Angst, daß die vielen Baßkollegen, die versuchten, seinen Stil zu imitieren, ihn in den Schatten stellen könnten. Dazu kamen Schuldgefühle, weil zwei Ehen gescheitert waren. Und Jaco trauerte: darüber, daß er seine Kinder kaum zu Gesicht bekam. Weather-Report-Schlagzeuger Peter Erskine erinnert sich.
"Ich weiß noch, wie viele Postkarten er John und Mary von unseren Tourneen schickte. Jedesmal schilderte er ein historisches Ereignis oder stellte eine Frage, um die Kinder zum Nachdenken anzuregen. Fast jeden Morgen zogen wir los, um Postkarten zu finden, und Briefmarken."
Einsamkeit und künstlerischer Druck bewirkten, daß der einstige entschiedene Abstinenzler Jaco Pastorius irgendwann zu trinken begann. Kokain kam dazu. Jaco stieg bei Weather Report aus, stellte eigene hochambitionierte Projekte auf die Beine. Pastorius-Biograph Bill Milkowski lobt mit einem typischen Superlativ:
"That fuckin' music was on the highest level."
Die Plattenindustrie allerdings winkte ab. Und das taten auch immer mehr Kollegen, weil Jaco unzuverlässig wurde. Seine Krankheit nahm selbstzerstörerische Züge an. Zuletzt lebte er obdachlos auf der Straße. Im September 1987 starb Pastorius, keine 36 Jahre alt, nach einer Schlägerei mit einem Nachtclub-Türsteher. Da hatten selbst viele Instrumentalkollegen ihn schon vergessen. Aber das hat sich inzwischen geändert. Der Sänger und Bassist Sting zum Beispiel sagt bewundernd:
"Wir stehen alle auf Jacos Schultern. Keiner kann ohne diesen Teil der DNA existieren. Wir brauchten Jaco, um dorthin zu kommen, wo wir heute stehen."