Musikfestival Sziget in Budapest

Rihanna, Manu Chao und ein bisschen Politik

Der Sänger und Gitarrist Manu Chao (l.) performt mit geballter Faust auf der Bühne beim 24. Sziget Festival auf Shipyard Island im Norden von Budapest. Aufgenommen am 12. August 2016.
Der Sänger und Gitarrist Manu Chao (l.) performt mit geballter Faust auf der Bühne beim 24. Sziget Festival auf Shipyard Island im Norden von Budapest. © picture alliance / dpa / Balazs Mohai
Von Jörg Taszman · 15.08.2016
Zu den Headlinern beim Sziget in Budapest gehörten in diesem Jahr Rihanna, Muse und Manu Chao. Es ist aber mehr als nur ein Musikfestival und eckte schon oft bei Ungarns Politikern an. Trotzdem haben die Macher Flüchtlinge und Migration als Themenschwerpunkte gewählt.
Zu Beginn gönnte man sich eine Pop-Diva und zahlte ihr eine Gage von einer Million US Dollar. Und Rihanna legte dann auch erst mit einer halben Stunde Verspätung los, gab ein sehr launisches Konzert mit wenigen Höhepunkten, viel Playback und Leerlauf. Nach 70 Minuten war der Auftritt schon wieder vorbei und der zwiespältige Eindruck perfekt, aber mit einem starken Finale, denn bei souligen "Love on the Brain" sang sie mal wirklich richtig gut.
Rihanna auf dem Sziget Festival? Noch vor Jahren wäre das unmöglich gewesen. Aber man passt sich an, wie der Geschäftsführer Tamás Kádár, der teilweise in Frankfurt am Main aufwuchs, in akzentfreiem Deutsch erklärt.
"Das Publikum vom Sziget ist sehr jung. Das Durchschnittsalter ist 23 Jahre. Und da müssen wir schon schauen, was da läuft."
Begeistert von der Anwesenheit Rihannas zeigte sich die US Botschafterin Colin Bell, die einen Tag später auf das Sziget-Gelände kam. Sie unterstützte dort ebenso wie die französische Botschafterin die Vorstellung einer Studie der Stiftung Transparency International, die wie viele Nichtregierungsorganisationen auf der Insel vertreten ist.
Transparency International befragte über 500 junge Ungarn zum Thema Korruption und über 80 Prozent der jungen Ungarn halten ihre Heimat für korrupt. Wie aber reagiert die Regierung auf solche Studien? Der Leiter von Transparency International Hungary József Peter Martin meint dazu.
"Die Kommunikation zwischen uns und der Regierung besteht in erster Linie aus einer Nicht-Kommuniaktion. Manchmal kommt es auch zu sehr konfrontaiven Begegnungen so einmal im Jahr oder alle zwei Jahre. Es kann aber auch einmal zu einer Zusammenarbeit mit der Regierung kommen, aber eher auf einer administrativen Ebene."
Fakt ist, dass Ungarn zu einer lupenreinen Kleptokratie verkommen ist. Um davon abzulenken, lässt Viktor Orbán am 2. Oktober eine Volksabstimmung durchführen, die den Ungarn suggeriert, Brüssel zwinge dem Land illegale und kriminelle Flüchtlinge auf. Überall in Budapest hängen Riesenposter mit polemischen Fragen wie: "Wussten Sie, dass seit dem Beginn der Flüchtlingskrise 300 Menschen bei Terror-Angriffen in Europa getötet wurden?"

Ausstellung über "lost objects” von Flüchtlingen

Schon lange vor dieser Kampagne hatten die Sziget Macher beschlossen das Thema Flüchtlinge und Migration zu thematisieren, betont Tamás Kádár.
"Es ist ein Schwerpunkt in unserem nicht-musikalischen Programm, dass wir uns mit einem Thema beschäftigen. Wir machen keine Politik. Wir sind ein Festival, das 'Island auf Freedom', alle Meinungen sind frei, auch bei uns. Wir wollten nur einen Punkt setzen, das, was in Ungarn passiert, ist nicht unbedingt das, was wir denken. Deshalb dachten wir, es ist wichtig, dass man drüber spricht und eine Ausstellung sieht, ein Theaterstück oder egal was, aber sich mit dem Thema beschäftigt."
Das Ethnographisches Museum Budapest zeigt so zusammen mit dem Museum für Migration in Paris die Ausstellung "Zelt ohne Grenzen" auf dem Festivalgelände. Dort wird sachlich über die Geschichte von Einwanderungswellen in Europa berichtet und speziell in Ungarn eine Ausstellung über "lost objects” also von Flüchtlingen hinterlassenen Fundstücken gemacht. Dem Wissenschaftler Attila Kaszás geht es dabei vor allem um eine Versachlichung.
"Wir helfen hier einander den Kollegen. Es sind Ethnografen hier, Theologen, Pädagogen. Verschiedene Berufe versuchen es hier für die Teilnehmer des Festivals irgendwie wissenschaftlich begründet diese ganze Thematik: Einwanderung Migration herüber zu bringen."
Ebenso wie Tamás Kádár möchte Attila Kasszás zunächst nicht zu politisch werden, gibt aber privat klar zu verstehen, gegen die Haltung der Regierung zu sein. Man ist vorsichtiger geworden in Ungarn, wenn es um öffentliche Kritik geht.

Festival setzt auf Meinungsfreiheit

Sziget bleibt natürlich in erster Linie ein kommerzielles Musikfestival und multikulturelles Event und setzt auf eine liberale Stimmung und auf Meinungsfreiheit. Diese Haltung an sich ist schon Statement genug. Und das Line-up konnte sich dieses Jahr wirklich sehen lassen. Die Rocker von Muse gaben auf der großen Bühne ein sehr eindrucksvolles Konzert.
Zu den Höhepunkten gehörte auch der Auftritt der Berliner Hip-Hopper K.I.Z. Jedes Lied wurde mitgesungen, wild betanzt und die Band einfach nur gefeiert auch dann wenn die Sänger ihr Publikum ironisch beschimpften und die anwesenden Deutschen, Österreicher und Schweizer als reiche Zuschauer aus dem Westen bezeichnete, die in Ungarn für wenig Geld nur Party machen wollen.
Aber auch das gehört zum Sziget. Nationale Bands spielen für ihre eigene Community und erweitern ein wenig die Stammhörerschaft durch internationale Besucher. Das gelang auch den Indierockern von Brunettes Shoot Blondes aus der Ukraine.
Sziget wird einmal mehr den Besucherrekord knacken. Musikalisch und thematisch in den nichtmusikalischen Nebenprogrammen war es ein guter Jahrgang. Auch wenn die Besucher in erster Linie nur Party wollen, ist das auf jeden Fall angenehmer als die EU-feindlichen, nationalistischen Schlagzeilen die sonst in diesem Sommer aus Ungarn kommen. Und wie sagt Tamas Kadar so schön. Sziget bringt Ungarn mehr Touristen und mehr Geld als die Formel 1.
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