Musikfest Berlin

Tobende Ordnung

Der Komponist Wolfgang Rihm, aufgenommen am 11.08.2011 in Karlsruhe.
Der Komponist Wolfgang Rihm. © picture alliance / Bernhard Schmitt
03.09.2016
Gipfeltreffen der Orchester: Das Musikfest Berlin bringt im September die bedeutendsten Klangkörper in die Hauptstadt. Heute: Das Eröffnungskonzert, live mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Alljährlich werden zum Saisonauftakt in Berlin die orchestralen Kräfte gebündelt: Die Berliner Festspiele richten in Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern das Musikfest Berlin aus.
Früher unter dem Namen "Berliner Festwochen" eine Institution der westdeutschen Nachkriegskultur, findet das Festival in dieser Form nun zum zwölften Mal statt.
Hier treffen die Klangkörper der vereinigten Hauptstadt auf die großen Orchester der Republik und der internationalen Szene. Doch geht es nicht in erster Linie um eine sinfonische Leistungsschau, sondern um Konzepte. Im Gegensatz zu vielen anderen Festivals dieser Größenordnung setzt Programmchef Winrich Hopp auf klare dramaturgische Linien, vertritt konsequent das Erbe der Moderne und stellt überraschende Querbezüge her.
In diesem Jahr richtet sich der Blick nach Amerika: Das Festivalprogramm streift mit San Francisco (John Adams) und Los Angeles (Filmmusik) die Musikmetropolen der US-Westküste und erobert dank des Pionierwerks "Déserts" von Edgard Varèse die Wüste New Mexicos. Von Varèse (1883-1965) sind insgesamt nur 16 Stücke überliefert, sein Gesamtwerk passt auf zwei CDs, und dennoch ist er einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts – ein Visionär, der viele jüngere Musiker anregte.
Beim diesjährigen Musikfest wird Varèse nicht nur gespielt, er steht auch wie eine graue Eminenz hinter den Programmen: Mit Ferruccio Busoni kommt ein früher Mentor Varèses zu seinem Recht, auch er ein Vordenker der Moderne. Varèse seinerseits beeinflusste Pierre Boulez und den angehenden Rockmusiker Frank Zappa, deren Werke ebenfalls auf dem Musikfestprogramm zu finden sind. Varèse und Boulez wiederum veranlassten den jungen Wolfgang Rihm dazu, sich mit Antonin Artauds Begriff einer "tobenden Ordnung" zu befassen und mit "Tutuguri" ein imaginäres mexikanisches Indianer-Ritual zu komponieren.
Gustavo Dudamel und sein venezolanisches Jugendorchester fügen diesem mittelamerikanischen Teil noch ein südamerikanisches Element hinzu.
Außerdem widmet sich dieser Festival-Jahrgang der Perkussionsmusik sowie dem Andenken des vor zehn Jahren verstorbenen Komponisten György Ligeti. Als Medienpartner dokumentiert Deutschlandradio Kultur das Musikfest Berlin in lockerer Folge mit der Übertragung von acht Sinfoniekonzerten, drei Kammerkonzerten und dem "Quartett der Kritiker".
Das heutige Eröffnungskonzert bringt mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Daniel Harding "Tutuguri" von Wolfgang Rihm zu Gehör. Der junge Rihm schrieb diese gewaltige Artaud-Hommage einst als Tanzwerk für die Deutsche Oper Berlin; Aufführungen sind wegen des großen Aufwandes selten – in der Philharmonie werden sechs Schlagzeuger im Raum verteilt, die zunächst mit dem (oder gegen das) Orchester spielen, ehe sie sich am Ende eine regelrechte " Drum Battle" liefern.
Musikfest Berlin
Live aus der Philharmonie Berlin
Wolfgang Rihm
"Tutuguri"
Poème dansé in vier Bildern nach dem Gedicht "Tutuguri" von Antonin Artaud für großes Orchester, Schlagzeug, Chor vom Tonband und Sprecher
ca. 20.30 Konzertpause

Graham Forbes Valentine, Sprecher
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Daniel Harding