Musikfest Berlin

Abendrot am Frühlingshügel

Der Dirigent Zubin Mehta
Der Dirigent Zubin Mehta © Marco Brescia/Musikfest Berlin
06.09.2015
Gipfeltreffen der Orchester: Das Musikfest Berlin bringt im September die bedeutendsten Klangkörper in die Hauptstadt. Heute live: Zubin Mehta und das Israel Philharmonic Orchestra aus Tel Aviv beleuchten mit Mahler und Schönberg den Auftakt der Moderne.
Alljährlich werden zum Saisonauftakt in Berlin die orchestralen Kräfte gebündelt: Die Berliner Festspiele und die Berliner Philharmonie richten das Musikfest Berlin aus, das in dieser Form – als Nachfolgerin der Berliner Festwochen – nun zum 11. Mal stattfindet. Hier treffen die Klangkörper der Hauptstadt auf die führenden Orchester der internationalen Szene. Doch geht es nicht in erster Linie um eine sinfonische Leistungsschau, sondern um Konzepte. Im Gegensatz zu vielen anderen Festivals dieser Größenordnung setzt Programmchef Winrich Hopp auf klare dramaturgische Linien, vertritt konsequent das Erbe der Moderne und stellt überraschende Querbezüge her.
In diesem Jahr wird ein nordisches Jubiläum gefeiert: Der 150. Geburtstag des dänischen Komponisten Carl Nielsen prägt Teile des Programms. Die naheliegende Parallele zum Finnen Jean Sibelius, an dessen 150. Geburtstag im Dezember dieses Jahres erinnert wird, verfolgt das Programm jedoch überhaupt nicht. Stattdessen wird Nielsen mit Arnold Schönberg ein etwas jüngerer Zeitgenosse gegenübergestellt – beide Komponisten kannten und schätzten einander. Zugleich verdeutlicht diese Kombination, wie extrem unterschiedlich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, am Ausgang der langen romantischen Epoche, komponiert werden konnte. Eine geradlinige Entwicklung zur Moderne – und damit eine Grundidee der ästhetischen Debatte der Nachkriegszeit – lässt sich umso weniger erkennen, je mehr man die musikalischen Stränge des 20. Jahrhunderts verfolgt. Schönberg wiederum wird im Festivalprogramm eine dritte Persönlichkeit zur Seite gestellt, die seit jeher ein Lieblingskomponist nicht nur des Musikfestes Berlin ist: Gustav Mahler, ein Visionär der musikalischen Moderne.
Als Medienpartner dokumentiert Deutschlandradio Kultur das Musikfest Berlin in lockerer Folge mit der Übertragung von acht Sinfoniekonzerten, vier Kammerkonzerten und dem „Quartett der Kritiker".
Das heutige Konzert des Israel Philharmonic Orchestra, das vor 79 Jahren in Tel Aviv (Hebräisch für Frühlingshügel) gegründet wurde, ist ein Beitrag zur Feier der seit 50 Jahren bestehenden diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Das Orchester ist gerade auf Europa-Tournee, hat zwei Abende beim Enescu-Festival in Bukarest gespielt, jeweils ein Konzert in Jerewan und Bonn gegeben und wird nach seinem Berliner Gastspiel als erstes ausländisches Orchester den Neuen Konzertsaal in Breslau bespielen und außerdem noch in der Mailänder Scala und in Rimini auftreten.
Das Programm beim Musikfest Berlin konfrontiert idealtypisch zwei wesentliche Werke Mahlers und Schönbergs: Von Mahler die Neunte Sinfonie, die wie ein letzter Abschiedsblick auf eine große musikalische Tradition wirkt, die hier mit dem zunächst prächtigen, dann immer fahler anmutenden Abendrot des Final-Adagios verdämmert; von Schönberg die konzise Erste Kammersinfonie, die bereits einige Jahre vor Mahlers Neunter zeigte, dass die musikalische Moderne an der klassischen Tonalität ebensowenig festhalten werde wie an der ausufernd zelebrierten Großform der Sinfonie.
Der indische Dirigent Zubin Mehta ist seit 46 Jahren (!) künstlerischer Leiter dieses israelischen Orchesters, das der polnische Geiger Bronisław Huberman einst mit vielen europäischen Musikern im Mandatsgebiet Palästina gegründet hat.
Musikfest Berlin
Live aus der Philharmonie
Arnold Schönberg
Kammersinfonie für 15 Soloinstrumente Nr. 1 E-Dur op. 9
ca. 20.30 Uhr Konzertpause, darin:
Ruth Jarre im Gespräch mit Winrich Hopp, dem künstlerischen Leiter des Musikfests Berlin
Christian Wagner porträtiert den 90 Jahre alten Geiger und ehemaligen israelischen Konzertmeister Chaim Taub
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 9 D-Dur
The Israel Philharmonic Orchestra
Leitung: Zubin Mehta