Musikalischer Wanderer

Von Burkhard Birke · 14.12.2009
Schon als Kind war Charlie Winston mit einem Zirkus quer über die britische Insel unterwegs, sein größter Hit war "Like a Hobo". Doch der unstete Musiker hat sich momentan in Paris festgesetzt. Zum Durchbruch verhalf ihm kein geringerer als Peter Gabriel, bei dem er Babysitter war.
Zehn-Tage-Bart, vergammelter Schlapphut: Like a Hobo – irgendwie sieht Charlie Winston schon wie ein Landstreicher aus. Markenzeichen? Mittel der Imagepflege nach hunderttausenden verkaufter Alben und wochenlanger Nummer eins in den französischen Charts? Den Eindruck erweckt der unkompliziert und sympathisch wirkende Engländer aus Paris eigentlich nicht: Charlie Winston hat hart für diesen Erfolg gearbeitet.

Die Bodenhaftung hat er nicht verloren, ist sich selbst treu geblieben: Als Kind schleppten ihn seine Eltern mit einem Zirkus quer über die britische Insel, fahrendes Volk – hobos? Irgendwie schon meint er, aber:

"Hobo – Landstreicher: Das ist mehr ein Symbol. Es bedeutet, mit Deiner Einsamkeit fertig zu werden, mit Deinem Leben, Deinen Weg zu gehen, ohne dass Dich jemand von Deinem Weg abbringt. Diese Idee setzte sich immer mehr in meiner Welt fest, je öfter ich das Lied sang und es wurde so etwas wie ein Mantra."

Musik: "Like a hobo"

Mit "Like a hobo" singt sich Charlie Winston frei. Sein Mantra? Er ist kein Buddhist – dennoch hat die Musik für ihn natürlich etwas Spirituelles. Seine Eltern waren Folksänger, sein Bruder, seine Schwester: Alle musizieren, geprägt hat vor allem die Kindheit in einem Hotel in Suffolk, wo Musik allgegenwärtig war. Schlagzeug, Gitarre und Klavier, Charlies Instrument zum Komponieren:

Jedes Instrument entwickelt seine eigene Persönlichkeit, wie die Lieder, meint der vorübergehend in Paris sesshaft gewordene Hobo, für den natürlich seine Stimme das Wichtigste Instrument bleibt.

Er hat nicht nur viel Liebe auf der Zungenspitze, sondern auch eine große Varietät an Stilrichtungen: Mit 17 ging er an eine Musikhochschule nach London, studierte u.a. Jazzklavier, schrieb Musik für Tanzensembles und spielte mit seinem Bruder Tom auch in einer Reggaeband. Der Durchbruch freilich kam als Charlie Winston Baxter, so der vollständige Name, beim berühmten Peter Gabriel, den er eher zufällig über dessen Tochter kennengelernt hatte, Baby sittete. Er gab ihm Probeaufnahmen und der mit Genesis berühmt gewordene Gabriel Charlie eine Chance. "Make Way" hieß sein Debütalbum, das ihn auch nach Frankreich, zu einem kleinen Plattenlabel und letztlich nach Paris führte.
"Paris gilt als die romantischste Stadt der Welt und das macht Spaß hier zu leben. Das hat mich hierhergezogen. Ich liebe auch diese Cafékultur – das kennen wir in England nicht!"

Und das fördert die Kreativität.

"Ein Gedicht von T.S. Elliott hat mich inspiriert. Er schrieb in drei verschiedenen Sprachen. Meine Kenntnisse von drei Sprachen sind nicht Mal halb so gut wie seine, aber es war für mich eine Herausforderung, ein Lied in drei verschiedenen Sprachen zu schreiben. Ich dachte nicht, dass ich das schaffen würde, aber es ist mir gelungen und ich war zufrieden mit mir selbst."

Das darf Charlie Winston auch: Denn in Zeiten des Internets und der Musikpiraterie zum Kassenschlager zu werden, verdient Beachtung. Längst schreibt er Musik, Text und Arrangements für neue Songs. Deren Veröffentlichung wird aber noch etwas auf sich warten lassen, denn zunächst will der Hobo auch in anderen Ländern die Erfolgswelle reiten. Und vielleicht wechselt der unstete Geist auch noch einmal den Wohnort. Außer Paris gebe es für ihn eigentlich nur New York oder Berlin, wo er leben könnte, gesteht er.

"Ich liebe Berlin wegen der Mischung aus Ruhe und Entspannung – für mich jedenfalls – und wegen dieser Kreativität ..."