Musik in 3D

Konzertsaal im Wohnzimmer

High End Boxen in einer Reihe auf der IFA 2009 in Berlin
HiFi als Raumerlebnis: "Echos zum Teil auch von hinten oben" - eine neue Abspieltechnik macht sie möglich. © Imago / McPHOTO
Von Antje Grajetzky · 01.04.2015
Als säße man in den eigenen vier Wänden in einem Konzertsaal. So hört man mit der Blue-ray-disc "pure Audio". Diese neuen Scheiben können acht Tonspuren speichern. Das heißt: Man hört dreidimensional. Benötigt wird dafür ein Blue-Ray-Disc fähiges Abspielgerät und ein Receiver, der die acht Kanäle auf die Lautsprecher verteilt.
Werner Dabringhaus: "Das ist der Hamburger Michel und zwar gibt es im Hamburger Michel vier Orgeln, die verteilt sind. Es gibt die große Hauptorgel an der Rückwand, es gibt auf der einen Seite eine, die heißt Carl Philip Emmanuel Bach Orgel, dann gibt's auf der Chorempore eine pneumatisch, romantische Orgel, dann gibt es als Besonderheit im Dach oben eine Öffnung, dahinter befindet sich ein Schallkanal und dahinter befindet sich noch eine Fernorgel, also von oben sickern die Töne auf die Zuhörer runter. Das ist natürlich ne spannende Situation für ne 3D-Wiedergabe."
Am Radio können Sie das jetzt nicht hören. Ich stehe mit Werner Dabringhaus im Hörraum des Klassik-Labels Dabringhaus & Grimm in Detmold. Ein vielleicht dreißig Quadratmeter großer Raum, darin vier Lautprecherpaare. Zwei vorne oben und unten und zwei hinten oben und unten. Ich gehe herum, drehe mich um und es hört sich tatsächlich so an, wie es in meiner Vorstellung auch klänge, wenn ich mich in der Kirche von der vorderen Orgel abwenden würde, um nach hinten zu blicken.
"In Wirklichkeit sind die Lautsprecher als Lautsprecher gar nicht mehr vorhanden, sondern man ist in einem natürlichen Klangfeld drin und man kann Lautsprecher als einzelne Lautsprecher gar nicht mehr orten. Und so soll es natürlich sein. Man kann jetzt natürlich auch ne Position wählen. Man kann näher rangehen an die eine Ecke oder in die andere oder sich etwas entfernen. Man kann seinen besten Platz selbst definieren. Man kann vor allen Dingen auch zu mehreren Leuten gleichzeitig hören, wie es im Konzert ja auch der Fall ist."
Mit zwei Stereo-Lautsprechern hören wir die Dimensionen Breite und Tiefe, allerdings auch nur, wenn wir mit den Lautsprechern ein gleichseitiges Dreieck bilden. Rücken wir nach rechts oder links hören wir den jeweiligen Lautsprecher. Wollen wir auch die Höhendimension eines Raumes wahrnehmen benötigen wir als Information für unser Gehör den Klang, der von der Decke reflektiert wird.
"Das bedeutet, wir haben vorne vier Lautsprecher, die normalen Stereolautsprecher plus zwei erhöhte Lautsprecher und haben hinten die normalen, in Anführungsstrichen, Surround-Lautsprecher wie sie identisch sind mit dem 5.1 System."
Man fühlt sich wie Hänsel und Gretel im Wald
Die erhöhten Lautsprecher geben dann die Deckenreflektionen wieder. Seit mehr als zehn Jahren sind solche sechskanaligen Produktionen schon auf DVD-Audio und auf SACD erhältlich.
"Das ist ne Aufnahme aus der Weimar-Halle in Weimar, normaler Konzertsaal, das Orchester ist aufgeteilt auf Podeste, die nach oben führen und man hört jetzt ganz deutlich die Hörner oben spielen, die Holzbläser in der Mitte, jetzt kommen die Streicher, die rechts und links verteilt sind und da heben sich sehr klar die Holzbläser ab".
Mit sechs Kanälen lässt sich schon der Konzertsaal in Wohnzimmer zaubern. Mit acht Kanälen wird es dann richtig aufregend. Das Echo und der Kuckuck in Humperdincks Hänsel und Gretel erklingen dann tatsächlich von oben hinten.
Also das ist etwas, was innerhalb der normalen Musik vorkommt. So kann man es im Raum erleben und man fühlt sich mit Hänsel und Gretel im Wald,
"dass diese Echos zum Teil auch von hinten oben kommen, das ist ein Aspekt, der kann dann nur mit den acht Kanälen entstehen".
Möglich macht das die Blue-Ray-Disc in Kombination mit einem Programmierverfahren das Auro 3D heißt. Zum Hören benötigt man dann ein Blue-Ray-Disc fähiges Abspielgerät und einen Receiver, der die acht Kanäle auf die Lautsprecher verteilt. Außerdem muss die Software des Verstärkers das Auro 3D-Format verarbeiten können. Für einige Geräte ist bereits das nötige Upgrade erhältlich.
2222+ Musikproduktionen sind auch auf der konventionellen Stereoanlage über zwei Lautsprecher zu hören. Damit ist ein System entwickelt worden, das auf- wie abwärtskompatibel ist, langsam in bezahlbare Nähe rückt und unglaublich gut klingt. Und das ist nicht nur ein akustischer Gimmick, sondern setzt die Musik klingend in ihren musikhistorischen Entstehungskontext.
"Der große Vorteil ist, dass wenn wir die 3D-Verfahren anwenden, die Zuschauer mit den Ausführenden in demselben Raum sind, also quasi eine Konzertsituation herstellen können. Und das ist sowas von suggestiv und überzeugend und macht so viel Spaß, dass man also auch die Musik ganz anders rezipieren kann. Und das interessiert mich als Tonmeister natürlich, denn ich möchte Musik größtmöglich zur Wirkung bringen, dass heißt sie muss möglichst ungebremst die Seele des Hörers erreichen, denn da gehört sie ja hin."
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