Musik der Jewish Monkeys

Alle bekommen ihr Fett weg

Jewish Monkeys
Jewish Monkeys © Arne Reimer
Von Luigi Lauer · 19.12.2014
Ihre Texte sind satirisch und politisch absolut inkorrekt: Die Jewish Monkeys gründeten sich in Tel Aviv und mischen Pop, Rock und Klezmer. Eine Klezmer-Band wollen sie aber trotzdem nicht sein.
Ronni Boiko, Veterinärmediziner, und Jossi Reich, Unternehmer, kennen sich seit ihrer Kindheit in den 70er Jahren aus dem Knabenchor der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Zwei beruflich erfolgreiche Männer, Mitte 30 und in Frankfurt – da schien erst einmal alles nach Plan zu verlaufen. Gleichwohl gingen die beiden, unabhängig voneinander, Ende der 90er nach Tel Aviv – und blieben. Es habe ein ganzes Bündel aus Gründen gegeben, Deutschland zu verlassen, sagt Jossi Reich.
"Es hat schon auch was zu tun mit Mentalität. Also erst mal die mediterrane Mentalität – es ist gar nicht so wichtig, ob es Italien, Griechenland, Spanien oder Israel ist – und es hat glaube ich jeden auf seine Weise angezogen. Es hat mir schon gefallen, mit 35 Jahren etwas anderes auszuprobieren und auch, nicht mehr in Deutschland zu sein. Es war immer in Deutschland ein beklemmendes Gefühl da irgendwo, das dann in Israel nicht mehr da war, was viel mit Mentalität und auch der engen Gemeinde zu tun hatte und natürlich auch mit der Vergangenheit."
Ein diffuses Gefühl des Unbehagens ist wohl geblieben. Ronni Boiko hat das ähnlich empfunden; doch so richtig angekommen ist er auch in Tel Aviv nicht.
Musikalische Extravaganz, die ihresgleichen sucht
"Die Wahrheit ist, dass ich mich auch hier fast als Außenseiter fühle. Das hat wahrscheinlich was mit mir zu tun."
Aber was macht ihn zum Fremden in Tel Aviv?
"Weil ich hier Deutscher bin. In Deutschland war ich Jude, in der jüdischen Gemeinde war ich Israeli, und in Israel bin ich Deutscher."
In Tel Aviv holen Ronni Boiko und Jossi Reich einen dritten Sänger ins Boot, die Instrumentalisten werden erst einmal von der Band Boom Pam ausgeliehen, die hier ebenfalls ansässig ist. Zusammen kreieren sie eine musikalische Extravaganz, die ihresgleichen sucht. Das gilt auch für die Texte, die Ronni Boiko schreibt. Es sind durchweg respektlose, anarchische, skurrile und satirisch-böse Geschichten, die das Album "Mania Regressia" erzählt. Für humorbefreite Vertreter politischer Korrektheit muss so der Vorhof zur Hölle klingen.
"Ja, wir sind auch welchen begegnet. Wir waren im Jahr 2012 auf dem sogenannten Internationalen jüdischen Musikfestival eingeladen, in Amsterdam, und obwohl die eigentlich unsere Texte hätten kennen müssen, weil die ja bereits unsere Videos gesehen haben und uns auch deswegen eingeladen haben, haben die sich da sehr beschwert."
Sie machen aber auch vor nichts Halt, die Jewish Monkeys: Ob Araber, Juden, die heuchlerische westliche Zivilisation oder menschliche Gier – alle bekommen ihr Fett weg. Manchmal passt das alles sogar in ein einziges Lied, etwa, wenn Harry Belafontes "Banana Boat" mit dem berühmten israelischen Volkslied "Hava Nagila" zwangsverheiratet wird.
"Das hat sehr viel mit dem Schmelztiegel Tel Aviv zu tun"
Die musikalische Sozialisation der Jewish Monkeys liegt zwischen westlicher Pop- und Rockmusik und den Einflüssen der Lieder aus der Synagoge. Dass die Band trotzdem erst in Tel Aviv entstand, als Ronni Boiko und Jossi Reich schon auf die 40 zugingen, erklärt Reich so:
"Das wäre in Deutschland nicht passiert. Das hat sehr viel mit diesem Schmelztiegel Tel Aviv zu tun, dass wir dann halt angefangen haben, so jüdische Sachen zu machen, mit englischen Texten, mit Humor, mit lustigen, satirischen, politisch absolut inkorrekten Texten. Das konnte so nur, mit uns beiden, in Israel passieren. Als Jewish Monkeys, die Idee, dass wir das dann so nennen, und die ganzen Lieder, das konnte dann wiederum nur so von zwei ein bisschen verrückten deutschen Juden wie mir und dem Ronni, die sich auch noch lange lange davor als Kinder und Jugendliche bereits gekannt haben. Das ist dieser schöne, interessante Hintergrund bei den Jewish Monkeys."
Die Scharfsichtigkeit eines Woody Allen, die Anarchie der Marx Brothers, die Skurrilität eines Emir Kusturica – das alles gut geschüttelt, und herausgekommen ist so etwas wie Monty Python als Musical-Version. Was die Jewish Monkeys da genau fabrizieren, wissen sie selber nicht. Nur, was sie nicht wollen.
"Es ist auch für uns wichtig, dass wir keine Klezmer-Band sind und sein wollen. Es gibt sehr sehr viel Klezmer-Material. Klezmer-Musik ist in den meisten Fällen eigentlich etwas, das alt ist, also es sind alte Materialien, die neu gespielt werden. Uns ist es wichtig, dass wir versuchen, eine neue Variante zeitgenössischer jüdischer Musik zu produzieren. Die beeinflusst ist von vielen anderen Musikrichtungen, unter anderem natürlich auch von Klezmer. Aber das ist keine Klezmermusik."
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