Music Academy in Memphis

Blue Notes gegen den Blues

Der mit einem Grammy ausgezeichnete Jazzmusiker Kirk Whalum vor einer Performance mit Schülern der Stax Music Academy, Memphis.
Der mit einem Grammy ausgezeichnete Jazzmusiker Kirk Whalum vor einer Performance mit Schülern der Stax Music Academy, Memphis. © imago/ZUMA Press
Von Michael Groth · 28.10.2015
Ob Soul, Country oder Blues: In Memphis im US-Bundesstaat Tennessee haben Musiker Geschichte geschrieben. Das Erbe soll eine Musikschule bewahren, die Stax Music Academy. Sie bietet Teenagern aus benachteiligten Familien zugleich eine Chance auf ein besseres Leben.
Das Erbe verbindet. Otis Redding, die Staple Singers, Sam & Dave, Booker T. – Namen, die Musikgeschichte schrieben – zugleich Namen, die in einer jungen Generation in Vergessenheit geraten könnten, sogar in ihrer Heimat Memphis.
Wie ließe sich dem besser vorbeugen, als in einer Musikschule? Seit 15 Jahren gibt es die Stax-Academy, die auf ihre Fahnen den Kampf gegen das Vergessen schreibt und zugleich einer neuen, jungen Generation den Weg in eine auch sozial gesicherte Zukunft zeigt. Wobei man den Namen des berühmten Record-Labels praktischerweise gleich übernahm.
Zwischen 1959 und 1975 veröffentlichte Stax über 800 Singles und 300 Alben. Seine Interpreten sammelten acht Grammy-Preise. Von den 237 Singles, die Stax Records in die Hitparaden brachte, erreichten 15 die Nummer eins. An diese Geschichte soll erinnert werden, aber nicht nur. Die Stax-Academy ist eine Musikschule, die pro Jahrgang rund 130 Teenagern im Alter von 12 bis 17 Jahren die Chance auf ein besseres Leben bietet.
Direktor Justin Merrick empfängt in seinem kleinen Büro unmittelbar neben den Klassenzimmern:
"Wir sind Teil des Erbes von Stax-Records. Die Musik vermittelt unseren Schüler Kreativität, und wir hoffen natürlich, dass sie dabei soziale Verantwortung entwickeln und zu engagierten Bürgern werden. Die meisten Schüler, die zu uns kommen, stammen aus unterprivilegierten Familien. Sogenannte 'Risk-Kids'. Die Academy kann Leben retten – das ist keine Übertreibung. Ich nenne das 'Soul Communication'. Die jungen Leute stehen als Team auf der Bühne, ihre Musik erreicht das Publikum – und sie begeistern."
Mit Musik lässt sich vieles verändern
Süd-Memphis gehört zu den ärmsten Gegenden der Stadt. 25 Prozent der "Risiko-Schüler" kommen aus der näheren Umgebung. Neben dem Museum und der Academy betreibt die "Soulsville Foundation" eine Mittelschule. Wenn am frühen Nachmittag der Unterricht in der Academy beginnt, brauchen die Kids dieser Schule nur wenige Meter – schon sind sie dabei.
In Memphis stellen Afroamerikaner mit mehr als 60 Prozent den größten Anteil an der Bevölkerung. Die Zahl der der Alleinerziehenden liegt ebenfalls über 60 Prozent. Mit Hilfe der reichen Musiktradition der Stadt, glaubt Justin Merrick, lässt sich Vieles verändern:
"Wir hoffen, der Soulmusic auch in Zukunft ein Publikum zu erhalten. Memphis ist nach wie vor ein Zentrum der Musik. Egal, wo Du bist, Du findest Musiker an jeder Ecke, in jeder Kirche. Wir sind natürlich froh, von diesem Angebot zu profitieren."
Die Academy veranstaltet Sessions, zu denen sie Musiker einlädt. Gemeinsam mit den Schülern werden Auftritte vorbereitet – Auftritte im Museum nebenan, aber auch Reisen ins Ausland. Diverse Bands der Academy traten in Deutschland, in Italien und in Australien auf.
"Wenn die Schüler die Academy verlassen, dann wissen sie, wie man lernt. Sie haben hier ihre Identität gefunden. Wir haben einen holistischen Anspruch. Es geht um Musikerziehung, aber es geht auch darum, aus den Kids verantwortungsbewusste Bürger zu machen, die wissen, was sie wollen."
Singen und spielen lernen
Auf dem Stundenplan der Academy steht unter anderem Musiktheorie, Ausbildung an Instrumenten oder der Stimme und Komposition. Lernen können die Schüler auch, wie man sich auf einer Bühne präsentiert, wie man an einem Mischpult arbeitet, oder welche urheberrechtlichen Fragen man antworten muss.
Die Academy fördert zudem acht Ensembles – von Klassik und Jazz bis zu Rhythm and Blues. Für die Lehrer der inzwischen mehr als 3.000 Kids, die die Academy seit ihrer Gründung besuchten, ist die Begeisterung, der sie hier jeden Tag begegnen, die größte Motivation, sagt Schulleiter Justin Merrick.
"Es ist die Leidenschaft, die wir hier erleben. Egal, ob Du einen schweren oder einen guten Tag hast – die Schüler ziehen Dich mit. Wenn Du miterlebst, wie sie sich bemühen, wie sie wachsen - das machst uns glücklich."
80 Prozent der Schüler erhalten für den Besuch der Academy Stipendien. Einige von ihnen wählen, wenn sie die Schule verlassen, tatsächlich den Weg in einen Musikberuf. Das Spektrum der Anderen – der Mehrheit – reicht vom Ingenieur über den Lehrer bis zur Krankenschwester. Die Arbeit, so Justin Merrick, ist zu wichtig, um nicht dann und wann auch zu betteln.
Solange die – zum Teil anonymen - privaten Spenden weiter fließen, solange der Bundesstaat Tennessee und die Stadt Memphis ihren geringen Teil beiträgt, solange ist die Arbeit der Academy gesichert. Wenn man einer offiziellen Mitteilung der Stax-Academy Glauben darf, haben die Verantwortlichen viel erreicht: Seit 2008, so heißt es dort, schaffte es jeder Absolvent anschließend aufs College.
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