Museum der Woche

Von Susanne Arlt · 25.05.2007
Der Pingelhof in Alt Damerow in der Nähe von Parchim ist einer der ältesten Bauernhöfe Mecklenburgs. Neun Generationen der Familie Pingel haben darin gewohnt, bis sie in den 80ern Haus und Hof der Gemeinde vermachten. Heute ist der Pingelhof ein Freilicht-Museum und gibt Auskunft darüber, wie die Menschen hier vor 200 Jahren lebten.
"Darf ich rauskommen? Weil das so eng ist da, wegen meinem Nacken."

Rolf Gressner steht geduckt in der vier Quadratmeter winzigen Schlafstube, schaut verdrießlich zur Decke. Die misst einen Meter achtzig, Rolf Gressner knapp einen Meter neunzig. Die Wände der Kammer sind weiß getüncht, zwei schmale Fenster lassen nur wenig Licht herein, unter den Füßen, dunkler Lehmfußboden.

"Ich kann mir vorstellen, wenn ich einen Meter kleiner wäre, würde ich mit Sicherheit da reingepasst haben. Was ich mir allerdings nicht vorstellen kann, ist, dass die Leute so ohne Heizung und bei diesen Temperaturen gelebt haben können."

Rolf Holst schmunzelt. Der Pingelhof hat seinen Zweck erfüllt. Das Museum soll Besuchern eine Vorstellung davon geben, wie man vor zwei Jahrhunderten in Mecklenburg lebte, erklärt der langjährige Museumsmitarbeiter. Bauern, Mägde und Knechte teilten sich damals die Wohnstube noch mit dem Vieh. Die Tiere gaben nämlich eine wohlige Wärme ab.

"Bis 1850 haben hier zwei Mägde in diesem großen Bett geschlafen, auf dieser Pritsche. Es schliefen immer zwei Personen, weil man sich gegenseitig gewärmt hat. Es gab keine Heizung, die Wärme kam von den Tieren, die hier gleich daneben campiert haben, die Pferde, die Kühe."

Heute erinnern nur noch die leeren Ställe an die Tiere von damals. Von der dunklen Diele zweigen drei Zimmer ab. Links neben den Mägden schliefen die Bauersleute mit ihren Kindern, rechts die Knechte mit den Pferden. Die Kammern sind eingerichtet wie vor 200 Jahren. Ein schmales Holzbett mit Pritsche, ein Waschzuber auf einem runden Holztisch, ein Schrank. Ein karges Leben. Privatsphäre gab es damals noch keine. In der Mitte des Bauernhauses befindet sich noch heute die 30 Quadratmeter große Diele. Sie war damals sozusagen die Wohnstube. Auf der oberen Etage lagerten die Bauern Getreide und Stroh. Im Winter spannen die Frauen Wolle, die Männer flochten Körbe. Und von Zeit zu Zeit feierte man Feste.

Hus un Hoff, wie man auf Plattdeutsch sagt, sind in Alt Damerow noch original erhalten. Der Pingelhof gehört zu den ältesten und wohl schönsten bäuerlichen Anlagen Mecklenburgs. Große Eichen, Kastanien und Birken säumen heute das Grundstück am Rande des Dorfes. Rolf Holst kann sich nicht satt sehen.

"Das ist 400 Jahre alt, das kriegt man nicht wieder zu sehen. Das ist ein Stück Geschichte, was meinen Sie wohl wie viel Tränen in diesem Hause vergossen wurden? Um alles zu erhalten, um das Haus in die nächste Generation zu übergeben. Das ist Geschichte."

Seinen Namen hat das Freilichtmuseum Joachim Pingel zu verdanken. Der Bauer übernahm das Gehöft Mitte des 17. Jahrhunderts und ließ es nach seinen Vorstellungen umbauen. Ein imposantes Reetdach schmückt noch heute das niederdeutsche Hallenhaus aus rotem Fachwerk und Lehm. 250 Quadratmeter Wohnfläche teilten sich damals Menschen und Tiere.

Acht Generationen traten in die Fußstapfen des Erbauers, bis den Erben das Leben dort zu unwirtlich wurde. 1984 vermachten sie den heruntergekommen Pingelhof der Gemeinde. Die baute ihn mit Hilfe der LPG wieder auf und eröffnete noch vor der Wende das Agrarmuseum.

Am Ende der großen Diele steht ein funktionsfähiger Schwibbogenherd und erinnert an vergangene Kochvergnügen. Die Feuerstelle des gemauerten Wandherdes lag in bequemerer Arbeitshöhe. Der Rundbogen darüber diente als Funkenschutz, und durch die Zuglöcher zog der Rauch in den Raum ab. Fritz-Herbert Pingel, 47 Jahre alt, als Kfz-Mechaniker aus der Art geschlagen, kennt den Herd noch aus seiner Kindheit:

"Das war romantisch, ich kannte das noch als Kind, wie die Oma gewohnt hat und so. Da sind wir hier rum gelaufen. Es war ja kein Licht hier drinne, es wurde ja mit Kerze, wurd da hingestellt und wurd hier auch gekocht, also Selbstgeschlachtetes."

Die Küche war zugleich das Rauchhaus. Unter der sieben Meter hohen Decke baumelten früher Schinken und Speck. Das Balkenwerk ist heute mit rabenschwarzen Blasen übersät. Holzwürmer hatten in dem Gebälk keine Chance.

"Die Bauersfrau stand nur im Qualm beim Kochen und der Rauch hat gleichzeitig die Wurst mitgeräuchert. Das war nicht gesund und die Lebenserwartung war ja auch nicht so wie heute, also vor 200 Jahren 45 bis 50 Jahre war ein alter Mensch und die Kindersterblichkeit 50 Prozent."

Es war kein einfaches Leben damals vor 200 Jahren auf dem Pingelhof in Alt Damerow. Aber der Museumsbesuch in die Vergangenheit lohnt sich.