Mumiensärge, Königsstatuen, Sphinxfiguren

Von Susanne Lettenbauer · 06.06.2011
Im Münchner Kunstareal wird mit dem Neubau für das Ägyptische Museum eine wichtige historische Lücke geschlossen. Direkt gegenüber der Alten Pinakothek und in Sichtweite der Pinakothek der Moderne können sich Besucher nun auf die Spuren der Pharaonen begeben.
An die Treppen hinunter ins neue Ägyptische Museum von München muss man sich erst gewöhnen. Lange schmale Stufen mit winzigen Absätzen lassen den Besucher auf der breiten Freitreppe unwillkürlich den Schritt verlangsamen. Das wuchtige, 20 Meter hohe Eingangsportal mit der schmalen Tür wirkt wie ein altägyptisches Tempel-Entrée. Eine Begrüßungszeremonie, die hineinführt in ein Labyrinth an kleinen und großen Sälen. Ein "Hinuntersteigen zum Licht" nennt die Museumsleiterin Sylvia Schoske diese Inszenierung nach pharaonischer Tradition. Womit nicht nur die Ausstrahlung der weltweit bekannten Münchner Sammlung gemeint ist.

An die Eingangshalle schließt sich eine Treppe zum vier Meter tiefer gelegenen Lichthof an, gerahmt von zwei weitläufigen Skulpturensälen. Das, was in den früheren Räumen des Ägyptischen Museums nie möglich war, wird hier auf beeindruckende Weise Realität: Ähnlich wie in der benachbarten Glyptothek können hier die Kunstwerke, die die Münchner Sammlung weltweit auszeichnen, endlich im Raum präsentiert werden: die Doppelstatue des Königs Niuserre, die Sphinxfigur Sesostris' III., die Sargmaske der Königin Sat-djehutj. Geschützt durch Nischen, die von dreieckigen, 1,60 Meter breiten Stützen gehalten werden. Lange habe er in seinem Büro an der unterirdischen Skulpturenhalle getüftelt, sagt Architekt Peter Böhm. Auf die massiven und dennoch zart wirkenden Dreieckssäulen sei er besonders stolz:

"Das ist etwas, was ich in Ägypten gelernt habe. Da gibt es ja auch diese gewaltigen, massiven Bauteile, Wände und Säulen, aber dann gibt es das feine Relief darauf, und das verwandelt die Monumentalität plötzlich in etwas ganz Anderes."

1800 Quadratmeter reine Ausstellungsfläche bietet das neue Gebäude. Dreimal soviel wie in den früheren Räumen am Odeonsplatz. Flankiert von den zentralen Skulpturensälen schließen sich offene Kabinetträume an, die immer wieder Durchblicke zulassen. Richtung Lichthof, Richtung Eingangstreppe und auch in Richtung einer modernen Lichtskulptur von Maurizio Nanuchi.

In wandhohen Nischen sollen später Vitrinen bis zu einer Länge von 14 Metern verbaut werden. Den Abschluss des Rundgangs bildet der große Saal, in dem die Mumiensärge gezeigt werden sollen. Und der den Ägyptenkenner einmal mehr an die Sarghallen der pharaonischen Gräber denken lässt.

An altägyptische Baukunst soll sein Haus eigentlich nicht erinnern, sagt Architekt Peter Böhm unisono mit Museumsleiterin Sylvia Schoske. Sie will die Besucher in dem Kabinettparcour vor allem zum Entdecken verführen:

"Das ist eigentlich das Raffinierte: Das Spielen, einerseits mit diesen vordergründigen Erwartungshaltungen, die aber dann sofort aufgelöst und in etwas ganz anderes überführt werden. Das ist eben nicht plumpes Ägyptisieren."

Anders als die bekannten ägyptischen Sammlungen in New York, London, Hildesheim oder Berlin will Schoske ihre Sammlung nicht chronologisch darstellen, sondern thematisch, gegliedert nach den Schwerpunkten Königtum, Jenseits, Religion, Schrift und Sprache. Geht es nach Sylvia Schoske, sollen in den neuen Räumen die weltweit wichtigsten Museen mit ägyptischen Sammlungen eingeladen werden, ihre Highlights in München zu präsentieren:

"Ein langer Traum von mir ist eine Skulpturenausstellung mit dem Thema Giacometti zu machen, Kooperationen zum Beispiel auch mit den Kollegen vom Völkerkundemuseum zum afrikanischen Anteil am alten Ägypten, der viele Jahrzehnte vernachlässigt wurde."

Mit dem Neubau für das ägyptische Museum wird im Münchner Kunstareal eine wichtige historische Lücke geschlossen. Der riegelförmige Bau schließt auch die Querverbindung von den Pinakotheken zum Königsplatz und seinen römisch-griechischen Sammlungen. Gerade die Zusammenarbeit mit den unmittelbar anschließenden Pinakotheken könnte völlig unerwartete Kunstachsen präsentieren, sagt Sylvia Schoske. Genau das ist seit Jahren das Ziel der Stiftung Pinakothek der Moderne. Markus Michalke, Vorsitzender des Stiftungsrates, sieht sich mit dem neuen ägyptischen Museum und dem angedachten Umbau der jetzigen Uni-Mensa zum Infozentrum seinem Traum vom geschlossenen Museumsquartier einen großen Schritt näher:

"Erst mal spannt es den Bogen, den man ursprünglich hatte, von der griechischen Zeit bis zur Neuzeit, das heißt von der Glyptothek bis zu den Pinakotheken und erweitert den in die Hochkultur der Ägypter. Was ich faszinierend finde, ist, dass sich tatsächlich in einem Umkreis von ein paar hundert Metern jetzt die Kultur des Mittelmeerkreises ganz einfach erschließen kann."

Schließlich sei, so ergänzt Michalke, die bauliche Einheit des neuen ägyptischen Museums mit der Hochschule für Fernsehen und Film eine weitere kunsthistorische Ergänzung des Münchner Kunstareals: Künftig wird Film, die Kunst des 21. Jahrhunderts, auf den Artefakten der altägyptischen Kultur entstehen. Ein Rundgang durch 6000 Jahre Kunstgeschichte.

Museum ägyptischer Kunst München