Multitalent Leonard Bernstein

Oper, Musical und immer wieder Mahler

Leonard Bernstein dirigiert am 25. Dezember 1989 das mit einem internationalen Ensemble besetzte Ost-West-Konzert in Berlin.
Leonard Bernstein dirigiert am 25. Dezember 1989 das mit einem internationalen Ensemble besetzte Ost-West-Konzert in Berlin. © picture-alliance / dpa
Von Wolfgang Schreiber · 14.10.2015
Dirigent, Komponist und Pianist, Pädagoge, Fernsehmoderator und Schriftsteller - Leonard Bernstein hatte mindestens ebenso viele Talente wie Berufe. Er war der erste US-Amerikaner, der auch Spitzenorchester in Europa dirigierte. Bernstein starb heute vor 25 Jahren in New York.
Leonard Bernstein dirigiert Gustav Mahler. Ihm fühlte er sich wahlverwandt. Dreifach heimatlos hat sich Mahler genannt: als Böhme unter Österreichern, als Österreicher unter Deutschen, als Jude in der Welt. Wie Mahler war auch Bernstein ein Zerrissener: Was ihn antrieb, war die verzweifelte Suche nach Identität. Bernstein hörte in Mahlers Musik, bei aller Schönheit, die Wunden, die Abgründe des Lebens. Er war der erste Dirigent, der alle Mahler-Symphonien auf Platten aufnahm, mit den New Yorker Philharmonikern.
Leonard Bernstein wurde am 25. August 1918 in Lawrence, Massachusetts, geboren - als Sohn jüdischer Einwanderer aus der Ukraine. Er studierte an der Harvard University Klavier und Komposition. Europäische Dirigenten wie Sergej Kussewitzky und Fritz Reiner waren die Mentoren des Allround-Künstlers der Neuen Welt: Dirigent, Pianist und Komponist, Fernsehmoderator, Pädagoge, Schriftsteller.
Bernstein war der erste Amerikaner, der in der damals noch von Europäern beherrschten Klassik-Szene der USA zum Stardirigenten aufstieg. Der Durchbruch gelang mit dem legendären Konzert 1943, als der 25-Jährige für den emigrierten deutschen Dirigenten Bruno Walter einsprang und einen Triumph errang.
Beispiellose Karriere
Leonard Bernstein gastierte bald bei den großen Orchestern Amerikas und Europas, 1958 wurde er Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker. Als er in den Sechzigern die Fernsehreihe Young People's Concerts moderierte, wurde er zum Medienstar. Das Charisma des feurigen jungen Mannes hatte sich früh genug gezeigt, wie er sich später erinnerte.
"Dann plötzlich mit dem Erwachsenwerden oder Pubertät oder Sex , was auch immer das ist, wuchs ich einen ganzen Fuß, und ich wurde der größte Junge in der Straße, der schnellste Läufer und der beste Schwimmer, und ich hatte eine Million Freundinnen. Und ich war ein Partyheld, denn - ich spielte Klavier."
Leonard Bernstein – ein Besessener des musikalisch Ernsten und des Unterhaltenden, Erzmusikant des Leichten und des Schweren. Die Dirigentenkarriere verlagerte sich bald nach Europa, in die Landschaften Mozarts, Beethovens und Mahlers. In München und Wien dirigierte Bernstein besonders gern. Im Münchner Herkulessaal gelang ihm eine öffentliche "Tristan"-Plattenproduktion, die Furore machte.
Welterfolg "West Side Story"
Schon 1957 hatte Bernstein als Komponist des Musicals "West Side Story" einen Welterfolg gelandet. Es folgten Symphonien, Opern, Messen, Vokalwerke. Bernstein war ein Genie der Kommunikation, rastlos auf der Suche nach Menschen, nach ihren Gefühlen. Das gelang ihm als Dirigent wie als Komponist, immer mit glühender Emphase.
"Ich glaube, meine Lieblingsbeschäftigung ist Zusammenarbeit auf jedem Gebiet. Darum ist für mich das Komponieren ganz allein sehr leidvoll, sehr einsam. Aber sobald ich damit begonnen habe, fühle ich mich wie im Himmel und ich möchte niemanden sehen. Das kann monatelang so gehen."
Leonard Bernstein war über drei Jahrzehnte mehr als der große Antipode Herbert von Karajans – ein Komponist. Ein schöpferischer Meister, auch ein Showmaster des spontanen, alle Menschen umarmenden Musizierens. Er starb am 14. Oktober 1990 in New York.
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