Münzenberg

Die Stimme der Arbeiter

Eine Titelseite der Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) aus dem Jahr 1934.
Münzenberg war unter anderem Herausgeber der in Berlin und und im Prager Exil wöchentlich erscheinenden Zeitschrift "Arbeiter Illustrierte Zeitung" (AIZ). © picture alliance / dpa / Foto: Oliver Berg
Von Jochen Stöckmann · 14.08.2014
In der Weimarer Republik gab Willi Münzenberg wichtige Arbeiterzeitungen heraus. Der Kommunist war nach dem Urteil eines Zeitgenossen "ein feuriger, demagogischer und unwiderstehlicher Redner, ein geborener Menschenführer".
"Hallo, hallo, hier spricht Willi Münzenberg, ein Vertreter der Internationalen Arbeiterhilfe."
Zehntausende waren in den Berliner Sportpalast gekommen, als Willi Münzenberg im Herbst 1931 das zehnjährige Jubiläum der Internationalen Arbeiterhilfe feierte. Die Stimme des ungelernten Arbeiters, der sich zum Zeitungsredakteur hocharbeitete, hatte unter Linken Gewicht. Als kommunistischer Parteiorganisator hatte sich der am 14. August 1889 in Erfurt geborene Sohn eines Schankwirts hervorgetan.
Münzenberg wurde 1919 Vorsitzender der Kommunistischen Jugendinternationale, war Reichstagsabgeordneter, Verleger und Herausgeber auflagenstarker Blätter wie "Welt am Abend", "Berlin am Morgen" und vor allem der "AIZ", der "Arbeiter Illustrierte Zeitung". Vor allem hatte er die Internationale Arbeiterhilfe aufgebaut und die Sowjetunion unterstützt:
"Die IAH hat 1921 die Hilfsaktion für Sowjetrussland organisiert und auf 40 Schiffen über 40.000 Tonnen Lebensmittel nach der Wolga geschickt."
Den Auftrag für diese tatkräftige Propaganda hatte Lenin persönlich erteilt. Er hatte Münzenberg im Exil in Zürich kennengelernt, wo während des Ersten Weltkriegs Linke und Pazifisten Zuflucht fanden.
"Eine große Schere in der rechten und einen Pinsel mit Klebstoff in der linken Hand, fabrizierte er sein Blättchen, das als erstes zum Aufstand gegen den Krieg rief. Als Lenin zur Macht kam, war Münzenberg der gegebene Mann für die bolschewistische Weltpropaganda. Da Münzenberg in Zürich als Redakteur, Propagandist, Verleger, Organisator, Verschwörer, Expedient und Kassierer in einer Person gewaltet hatte, um wie viel mehr würde er nun, mit reichen Mitteln dotiert, erreichen können."
Valeriu Marcu, bis Mitte der 20er-Jahre ein enger Weggefährte, kritisierte Münzenbergs Abhängigkeit von der Sowjetunion. Bei all seinen chronisch defizitären, durch Parteigelder finanzierten Presseunternehmungen musste er die kommunistische Parteilinie einhalten.
Selbstbewusst und umtriebig
Nach außen hin aber trat der Verleger als selbstbewusster Konkurrent des nationalkonservativen Pressezaren Alfred Hugenberg auf, legte sich sogar eine große Lincoln-Limousine mit Chauffeur zu. Grundlage seines Presse-Imperiums aber war Münzenbergs Talent, unabhängige Geister in vielerlei Propagandaaktionen einzubinden:
"In der IAH sind neben Millionen parteiloser, kommunistischer und sozialistischer Arbeiter zahlreiche Wissenschaftler und Künstler vereint. Fridtjof Nansen, Professor Einstein, Heinrich Mann, Henri Barbusse, Käthe Kollwitz und viele andere haben die IAH nach Kräften gefördert."
Viele dieser Sympathisanten scharte Münzenberg nach 1933 im französischen Exil um sich. 1938 gründete er die antifaschistische Zeitschrift "Die Zukunft", zusammen mit Arthur Koestler. Dieser Schriftsteller hatte bereits begonnen, sich vom Kommunismus abzuwenden, hielt aber Münzenbergs Talente im Kampf gegen die Nazis für unverzichtbar:
"Ein feuriger, demagogischer und unwiderstehlicher Redner und ein geborener Menschenführer."
Mord oder Selbstmord?
Derart beseelt von der kommunistischen Sache, erfuhr Münzenberg 1939 vom Hitler-Stalin-Pakt. Sowjetische Truppen waren zusammen mit der deutschen Wehrmacht in Polen eingefallen. Daraufhin verfluchte er Stalin öffentlich als "Verräter". Als Exilant auf der Flucht durch Südfrankreich musste er fortan nicht nur die Gestapo, sondern auch den russischen Geheimdienst fürchten.
Als am 17. Oktober 1940 in der Nähe von Grenoble Münzenbergs Leiche mit einem Strick um den Hals gefunden wurde, ging die Gendarmerie von Selbstmord aus. Aber bis heute wollen Mordvorwürfe gegen seine einstigen Genossen nicht verstummen. In der DDR wurden seine Verdienste verschwiegen, etwa der Aufbau der Produktions- und Vertriebsgesellschaft Prometheus-Film, die junge Regisseure wie Slatan Dudow mit seinem Film "Kuhle Wampe" förderte.
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