Münchner Sicherheitskonferenz

Wie Verdurstende in der Wüste

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr US-Amtskollege James Mattis auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr US-Amtskollege James Mattis auf der Münchner Sicherheitskonferenz. © AFP / THOMAS KIENZLE
Von Bettina Klein · 19.02.2017
Die Amerikaner haben den Europäern in München ihre Verbundenheit erklärt. Doch die Unsicherheit über die Pläne von US-Präsident Trump bleibt, kommentiert Bettina Klein: Sprechen Pence und Mattis wirklich für den Präsidenten - und wenn ja, wie lange noch?
"Wir sind heute gekommen, um Ihnen mitzuteilen…" Ganz so dramatisch wie bei Genschers Auftritt in der Prager Botschaft war die Stimmung nicht, aber es zeigt, wo wir inzwischen angekommen sind. Hochrangige Vertreter der Trump-Regierung versicherten den in München versammelten Zuhörern − und damit einem Auditorium in ganz Deutschland und Europa – Selbstverständlichkeiten. Die gemeinsamen Werte, die gemeinsame Geschichte, die transatlantische Verbundenheit. Bei all dem soll es bleiben, und die verunsicherten Europäer insbesondere saugten die Worte auf beinahe wie Verdurstende in der Wüste.
Allein ein Zweifel bleibt. Spricht Vize Mike Pence, spricht Verteidigungsminister Mattis wirklich für den Präsidenten, und wenn ja, wie lange noch? Ist sein Satz "Wir haben Vertrauen in euch − so lange ihr es in uns habt" als ein Hintertürchen gedacht? Wer ist der nächste, der nach den US-Medien vom Präsidenten als Volksfeind beschimpft wird? Legt der angeblich immer noch allerwichtigste Partner am Ende doch selbst die Axt an die demokratischen Strukturen der westlichen Welt?

Hausaufgaben der Europäer

Die Unsicherheit über den Kurs der neuen US-Regierung wurden auch in München zumindest nicht vollständig ausgeräumt. So sehr die Worte von Pence und Mattis und vom Leiter der Kongressdelegation McCain als persönlich glaubwürdig und ermutigend gelten dürfen: Man würde sie gern auch vom Präsidenten selbst hören.
Dass das eines Tages passiert, ist genauso möglich wie ungewiss. Fürs erste bleibt das Bekenntnis zu den gemeinsamen multilateralen Strukturen, in denen man weiter zusammen arbeiten will.
Das gibt Anlass zur Hoffnung und macht zugleich klar, wo auf dieser Seite des Atlantiks der Bedarf an Hausaufgaben besteht. Um ein ganz schwaches Wort zu verwenden. Post-Wahrheit, Post-Westen, Post-Ordnung? So gab der begleitende Bericht zur Sicherheitskonferenz den Roten Faden vor. Und es wurde deutlich: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, in welcher Welt wir leben wollen. Und was uns auch in Europa der Kampf für unsere Ideen wert ist.

Umdenken ist gefragt

Wenn die Menschen finden, dass multinationale Strukturen nicht mehr funktionieren oder nicht mehr ihren Interessen dienen, dann muss man sie eben reformieren, bekundete die Kanzlerin in ihrem schönsten Pragmatismus. Gesunder Menschenverstand als revolutionäres Programm. Beispiel: Nicht alles muss in der EU geregelt werden, und nicht jede dort getroffene Vereinbarung wurde in Granit gemeißelt. Klartext: Um unsere Ideen und Werte zu erhalten, müssen wir nötigenfalls ganz entschieden umdenken. Auch andere Bündnisse müssen offen für Reformen sein.
Ähnlich auch ihr Noch-Vizekanzler von der SPD, gegen den sie demnächst Wahlkampf führen wird. Außenminister Gabriel sprach von europäischem Exzeptionalismus, der dem Amerikanischen kaum nachstehe. "Wir halten unsere Werte für die einzigen und versuchen die Konflikte draußen von uns fern zu halten. Wir haben zu wenig bedacht, dass wir gerade Zeugen einer Neuvermessung der Welt sind." Klartext: Europa muss sich viel mehr als gestaltende Kraft begreifen.
Bei der Frage, wie viel Geld für die Verteidigung wie schnell locker gemacht werden soll, werden die beiden Großkoalitionäre schon bald einander geraten, obwohl diese Regierung gemeinsam vor zwei Jahren das berühmte Zwei-Prozent-Ziel beim NATO-Gipfel in Wales unterschrieben haben. Bei dessen Einhaltung die US-Regierung nun Druck macht. So wichtig diese Frage ist – sie tritt zurück hinter einer größeren, die wir beantworten müssen und die in München sehr klar zu Tage trat.

Post-westliche Ordnung

Der russische Außenminister Lawrow etwa sprach von einer post-westlichen Weltordnung, die es nun geben müsse, 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges. Was meint er damit? Sollten die russischen Standards bei Freiheit, Menschenrechten, Demokratie und Chancen auf Wohlstand überall gelten? So wie es über Jahrzehnte in einem Teil Europas der Fall war? Oder gibt es die Möglichkeit, Russland wieder stärker einzubinden – auf der Basis der westlichen Werte?
Der US-Vizepräsident erwähnte in seiner Rede auch einen Besuch im geteilten Berlin im Jahre 1977 und wie ihm der Grenzübertritt am Checkpoint Charlie deutlich vor Augen führte, vor welcher Wahl die Menschen stehen. Das lässt hoffen, dass auch der neuen amerikanischen Regierung der Unterschied zwischen freiheitlichen und autoritären Strukturen wohl bewusst ist: wo die freie Presse bedroht wird, Informationen "fake news" genannt und "fake news" als Wahrheit ausgeben werden. Jeder Bürger, jede Partei und jeder Staat muss für sich beantworten, in welcher Ordnung wir leben und was wir dafür einsetzen wollen. In einem Wahljahr gab es schon banalere Fragestellungen.
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