Münchner Kammerspiele: "Nichts von euch auf Erden"

Leben nach dem Energiekrieg

Reinhard Jirgl
Der Schriftsteller und Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl © dpa / picture alliance / Arne Dedert
Reinhard Jirgl im Gespräch mit Nicole Dittmer und Christian Rabhansl · 15.12.2015
Reinhard Jirgls Roman "Nichts von euch auf Erden" entwirft eine Vision für das 25. Jahrhundert. Während die Tatkräftigen auf den Mars ausgewichen sind, bleibt auf der Erde eine Gesellschaft zurück, die sanft verlöschen möchte. Die Bühnenfassung ist an den Münchner Kammerspielen zu sehen.
Wenn ein Büchner-Preisträger einen Science-Fiction-Roman schreibt, geht es natürlich um mehr als nur darum, grüne Männchen und interstellare Technologien zu präsentieren. Im Fall von Reinhard Jirgls Zukunftsvision für das 25. Jahrhundert "Nichts von euch auf Erden" geht es um ein "Möglichkeitsspiel", wie der Schriftsteller sagt. Wer über die Zukunft nachdenke, müsse auch über die Vergangenheit nachdenken, und daraus entwickele sich dann eine Gegenwartsreflexion "plus den Versuch, im Heute Möglichkeiten zu erkennen, die im Gestern zwar gescheitert sind, aber deswegen nicht unbedingt verworfen werden müssen".
Leben nach dem großen Energiekrieg
Konkret geht es in Jirgls Buch, dessen Bühnenfassung jetzt in den Münchner Kammerspielen läuft, um das Leben nach einem großen Energiekrieg. Während die Tatkräftigen und "Zukunftsstürmer" auf den Mars ausgewichen sind, bleibt auf der Erde eine "detumeszente", also abschwellende Gesellschaft zurück, die sich abschotten und "in einer Art Sanftheit" verlöschen möchte.
"Man lebt in Frieden, man lebt in einer sehr von elektronischen Medien bestimmten Gesellschaft, es gibt die Imagosphäre und da gibt es dann sozusagen auch dreidimensionale Erscheinungen von Menschen, womit man im Grunde genommen die Todesneurose abgeschafft hat. Also, man meint, man stirbt nicht mehr."
Mobilität führt zu Erstarrung
Ihm sei es dabei, so Jirgl, um die Dialektik von Konzeptionen wie Globalisierung und Universalisierung gegangen.
"All diese Riesenmodelle, denen man nachstrebt, die tragen im Kern (...) eigentlich immer auch als Oppositionssystem das Gegenteil in sich."
Zum Beispiel führe gesteigerte Mobilität zur Erstarrung. Genauso trage die "Weltumarmung der Globalisierung" immer das Moment der Separation in sich.
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