Münchner Ausstellung "Kunst nach 1945"

Ein Kunstkitschladen mitten im Lenbachhaus

Eine Kamera in Camouflage - Kunst von Hans Peter Feldmann
Eine Kamera in Camouflage - Kunst von Hans Peter Feldmann © picture alliance / dpa / Malte Christians
Von Susanne Lettenbauer · 18.05.2015
Seit den 70er-Jahren betrieb Hans-Peter Feldmann einen Laden mit Kunst, Kitsch und Kunstgewerbe - die Grenzen waren fließend. Jetzt stellt der Künstler dieses Sammelsurium im Münchner Lenbachhaus aus, inklusive Merkel-Zitruspresse und asiatischen Winkekatzen.
Noch ein letztes Mal kümmerte sich Hans-Peter Feldmann in den vergangenen Tagen um seinen Laden. Packte Umzugskartons aus, stellte sorgfältig gut 1000 kleinere und größere Artikel in die dicht gedrängt stehenden Regale und Vitrinen. Hinter den Original-Glasscheiben ist die Kasse zu sehen. Alles hat er mitgenommen aus Düsseldorf, dort wo der Laden 40 Jahre lang auf zehn mal fünf Meter Mittelpunkt eines Künstlerlebens war. Ausdruck der Feldmannschen Verkaufskultur, Anziehungspunkt für Filmemacher, Künstler und Sammler. Genau das steht jetzt im Lenbachhaus München in der neugestalteten Abteilung "Kunst nach 1945":
"Ja, komplett, mit allem drum und dran, mit Scheiben und Regalen und Papierabroller und Kasse, nur die Wände halt sind vom Lenbachhaus, nicht aus Düsseldorf, ansonsten ist alles original, das Format, die Größe, auch die Lampen aus den 80ern, die wollten den Laden eins zu eins hierhin bringen."
Ab Mitte der 1970er-Jahre stand Feldmann genau in diesem Laden, verkaufte Kitsch und Kunst, traf Künstler, verlieh Artikel als Deko für Filme und Videos statt sie zu verkaufen. Zehn Jahre zuvor hatte der gebürtige Düsseldorfer in Linz Malerei studiert, wenig später reizte ihn mehr der Konzeptionismus, er knipste Fotos und stellte sie in Serien zusammen. Etwa 35 kleine Bilderhefte entstanden, Fotos von Alltäglichem, die Kunst des Gewöhnlichen, sein Markenzeichen. 1974 kam der "Drei Möwen"-Verlag dazu. Wirklich Geld verdiente der damals 34-jährige Feldmann erst mit dem Laden ab 1975. Ein gewöhnlicher Laden – anfangs – dann mehr und mehr eine Kunstaktion, ein sorgfältig zusammengestelltes Sammelsurium aus Kunst und Kitsch, nicht immer klar abgrenzbar:
"In dem Laden gibt es Kitsch, Kunstgewerbe und Kunst und die Grenze zwischen den drei Bereichen ist fließend. Kitsch kann Kunst sein, Kunst kann Kitsch sein, das kann man hier gut studieren, wie manche Sachen zwischen den drei Bereichen wechseln."
Ungewöhnlich ist das schon – ein Kunstkitschladen mitten im Lenbachhaus. Da steht eine Merkel-Zitruspresse neben asiatischen Winkekatzen, bemalte Bierhumpen neben billigen Modellautos. Verdammt ähnlich einem Museumsshop mit Kunstkopien. Von Feldmann durchaus so angelegt:
"Viele Museen können ein Laden sein, viele Läden können ein Museum sein, das ist so eine Grenzwanderung, dass da man da zwischen Laden und Museum, Museum und Laden eine Überlappung finden kann."
Ein zur Kunst erhobener Laden
Soll man das nun als Kritik an der inflationären Merchandising-Politik von Museen verstehen? Oder eher als konsequente Weiterführung des Feldmannschen simplifizierenden Konzeptionismus? Ein zur Kunst erhobener Laden. In direkter Nachbarschaft zu Konzeptkunst von Hedwig Eberle, Nikolas Lang, Barbara Hammann oder der in den 1970er-Jahren mit Landart bekannt gewordenen Gruppe Spur.
Feldmanns Grundidee war in den vergangenen 40 Jahren immer, Sachen zu finden, die ihm gefallen. Dass es Menschen gab, die ähnlich dachten, machten den Laden wirtschaftlich erfolgreich. Natürlich wechselte das Sortiment – Artikel wurden "old fashion", andere, wie der winkende Papst, kamen hinzu. All das ist mit dem Einzug ins Museum endgültig offiziell zu Kunst erklärt worden – Installationskunst wie die von Joseph Beuys gleich einige Räume weiter oder von Anna Oppermann, von Olafur Eliasson. Kunst ist überall, sagt Feldmann. Ob er Erdbeeren abmalt, Fingerhüte verkauft oder scheinbar Müll aufsammelt. "Man muss nicht alles verstehen, Erfühlen reicht", sagt er:
"Manche Menschen machen Kunst durch ihre Frisur, dass sie ihre Frisur gestalten, gestalten lassen, um auf sich hinzuweisen und damit in die Öffentlichkeit gehen. Oder wie Leute ihr Auto gestalten, das ist auch eine Art sich auszudrücken, oder wenn eine Hausfrau ihre Sofakissen mit Katzen bestickt, das ist doch schon sehr surreal, finde ich, aber das ist ihre heile Welt, die sie haben möchte, oder die Wände beklebt mit Papier, die mit Rosen bedruckt ist. Das ist doch wirklich Kunst, Kunstaktion höchsten Ausmaßes."
Ein wenig ironisch soll man das schon verstehen, das Feldmannsche Augenzwinkern, seine Kunst, die so einfach und genau deshalb Kunst sein darf.
Der 74-Jährige hat seinen Laden dem Lenbachhaus vorerst als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Die Stadt München denkt über einen Ankauf nach. Denn die Präsentation des "Ladens" gehört zu einem neuen Sammlungsschwerpunkt des 2013 rundum erneuerten Lenbachhauses und seines neuen Leiters Matthias Mühling. Die Konzeptkunst von Feldmann stünde in einer wichtigen Reihe mit anderen Ankäufen, so Mühling:
"Wir wollen hier in zehn Jahren lückenlos die Geschichte der Installation zeigen können und damit wären wir eines der wenigen Museen, das das kann. Deshalb bemühen wir uns in Ankäufen nicht einzelne kleine Gemälde zu kaufen, sondern große Installationen, die wie die Summe eines Werkes funktionieren."
Das Lenbachhaus als Zentrum der Konzeptkunst neben den Hauptwerken der Blauen Reiter, damit könne man sich in der Museumslandschaft herausragend positionieren, sagt Mühling. Nach der weltweiten Internationalisierung der Museen werde es Zeit für eine Rückkehr zur Regionalisierung der Sammlungen. Das Lenbachhaus mit seinem Schwerpunkt auf Münchner Künstlern und jetzt auch auf Konzeptkunst hat gute Chancen darin Vorreiter zu werden.
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