Moritz Föllmer: "Ein Leben wie im Traum"

Wie die Nazis über die Kultur ihre Politik durchsetzten

Adolf Hitler und Joseph Goebbels besuchen 1937 die Ausstellung "Entartete Kunst" im Münchner Haus der Kunst.
Während des Dritten Reiches wurden auf der Grundlage der Rassentheorie unzählige moderne Kunstwerke von den Nationalsozialisten als "artfremd", bzw. "entartet" angesehen und beschlagnahmt oder zerstört. Eine Auswahl der Werke wurde 1937 ausgestellt. © picture-alliance / dpa / Ullstein
Von Michael Opitz  · 30.05.2016
Moritz Föllmer liefert mit "Ein Leben wie ein Traum" eine umfassende Darstellung der Kulturpolitik der Nationalsozialisten. Besonders anschaulich zeigt er auf, die die NS-Kulturprojekte durchgesetzt wurden - und zu welchem Zweck.
Als wäre ein Traum Wirklichkeit geworden, so beschrieb Joseph Goebbels seine Eindrücke, als er im Sommer 1940 das von den Deutschen eroberte Paris besichtigte. Das besetzte Frankreich zeigte nicht nur, dass den Franzosen eine militärische Niederlage zugefügt worden war, sondern sie hatten auch den Kampf der Kulturen verloren - an der kulturellen Überlegenheit der Deutschen gab es keine Zweifel mehr. Wie die nationalsozialistische Politik aus solchen Träumen Wirklichkeit werden ließ, das interessiert den in Amsterdam lehrenden Moritz Föllmer in "'Ein Leben wie im Traum'. Kultur im Dritten Reich".
Das Buch, das sich in fünf Kapitel gliedert, vermittelt Einblicke in die nationalsozialistische Kulturpolitik, wobei Föllmer als Ausgangspunkt die "Krise von Weimar" wählt. Das letzte Kapitel wendet sich schließlich der "Kultur der Zerstörung" zu. Föllmer geht also chronologisch vor.

Nazis machten mit Symbolpolitik Machtanspruch deutlich

Sehr anschaulich zeigt er im vierten Kapitel "Krieg der Kulturen" anhand des Films "Die große Liebe", wie die NS-Kulturpolitik nicht allein auf Heroismus setzte, sondern sich subtilerer Methoden bediente, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen: Man entsprach einerseits der Sehnsucht nach Unterhaltung und Entspannung und ließ auf der anderen Seite keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Krieg - koste es, was es wolle - von den Deutschen gewonnen werden muss.
Mit Gewinn ist auch zu lesen, wie die deutsche Kulturpolitik im besetzten Westeuropa mit der "symbolischen Inbesitznahme" von nationalen Kulturstätten deutlich machte, wer die Macht und damit das Sagen in den Ländern hatte. Hingegen wurde in Osteuropa eine ganz andere Politik verfolgt. Dort trieben die Deutschen eine "Germanisierung" auf Kosten der einheimischen Kultur voran.

Kultur-Begriff der deutschen Faschisten fehlt

Während Föllmer überzeugend aufzuzeigen versteht, wie die nationalsozialistische Kulturpolitik im Ausland durchgesetzt wurde, mangelt es dem Buch an einem Kapitel, in dem der Kultur-Begriff des deutschen Faschismus möglichst umfassend entwickelt wird. Selbstverständlich erwähnt er die Bücherverbrennung ebenso wie die Ausstellung über die "Entartete Kunst" 1937 in München. Doch was die Nationalsozialisten kulturell wollten, kommt nicht allein durch das zum Ausdruck, was man nicht wollte.
Um die Präsentation des historischen Materials aufzulockern, lässt Föllmer an verschiedenen Stellen seines Buches drei Zeitzeugen zu Wort kommen. Während Elisabeth Gebensleben-von Alten die Machtergreifung Hitlers begrüßt, beobachtet die Hamburger Lehrerin Luise Solmitz mit zunehmender Skepsis, was sich nach Hitlers Machtergreifung in Deutschland tat. Als dritter Zeitzeuge kommt Victor Klemperer zu Wort. "Ein Leben wie im Traum" bietet einen Überblick über die Kultur im Dritten Reich, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, große Zusammenhänge zu erklären.

Moritz Föllmer: "Ein Leben wie im Traum. Kultur im Dritten Reich"
Verlag C. H. Beck, München 2016
287 Seiten, 16,95 Euro

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