Montis Euro-Demokratie

Von Volker Finthammer · 06.08.2012
Ohne Zweifel gibt es in der Frage der Parlamentsbeteiligung starke Unterschiede in Europa. Da reicht allein der Blick über den Rhein. Die französische Nationalversammlung tritt in dieser Auseinandersetzung viel bescheidener auf als der Deutsche Bundestag, was damit zutun hat, dass ihre Mitwirkungsrechte in einer Präsidialverfassung bei Weitem nicht so ausgeprägt sind.
Wer dem italienischen Regierungschef jetzt aber undemokratisches Verhalten unterstellt, das zudem von egoistischen und finanziellen Interessen getrieben sei, der lenkt die Debatte in die falsche Richtung und führt Scheinkriege, statt sich den richtigen Fragen zu stellen.

Die europäische Schuldenkrise führt uns allen gleichermaßen vor Augen, dass die Länder der Eurozone, oder die auch die EU insgesamt, nicht die angemessenen institutionellen Voraussetzungen hat, um die gemeinsame Währung auch wirklich verteidigen zu können. Die Finanzmärkte lieben die Differenz. Für sie ist jeder neue politische Streit zwischen den Europartnern bares Geld wert, weil jede neue Anschuldigung auch neue Zweifel nährt, ob die Währungsgemeinschaft es wirklich ernst meint mit der Rettung von Griechenland, Spanien oder Italien, oder wem auch immer.

In dieser sensiblen, aber auch anstrengenden Auseinandersetzung kann es sicherlich nicht darum gehen, die Parlamente - und damit die demokratische Kontrolle der Krisenbewältigung - auszuhebeln. Mann kann den italienischen Regierungschef aber auch so verstehen, dass Europa in dieser Situation einen institutionellen Sprung wagen muss. Eine Währung, die sich von den politischen Launen einzelner Volksvertretungen abhängig macht, hat auf Dauer verloren. Sie wäre abhängig von den Minderheitspositionen einzelner. Genau das beschreibt die Gegenwart.

Aus dem nationalen Blickwinkel mag das angemessen erscheinen. Mit Demokratie auf europäischer Ebene hat das wenig zu tun. Ohne jeden Zweifel muss die parlamentarische Kontrolle der Eurozone gestärkt werden. Aber - und genau das wird in diesen Tagen immer deutlicher - dafür brauchen wir neue Vereinbarungen für das institutionelle Zusammenspiel. Ja vielleicht sollten wir an dieser Stelle wieder mal von einer europäischen Verfassung sprechen.

Die nationalen Parlamente dürfen ihre Kontrollfunktionen nicht verlieren. Aber auch sie sollten in künftige Entscheidungsprozesse anders eingebunden sein, als bislang. Sie könnten beispielsweise nach dem Vorbild der deutschen Länderkammer in einem europäischen Bundesrat zusammenwirken, der die Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs kontrolliert. Über die Konstruktionen und den Weg dahin mag man trefflich streiten. Wer jedoch den Euro als dauerhafte Gemeinschaftswährung nicht aufgeben will, kommt an diesen Veränderungen kaum vorbei. Viel Spielraum für ein kreatives Sommerloch in Krisenzeiten. Schade nur, dass in Deutschland und da besonders bei der CSU, nur die Beißreflexe funktionieren.

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